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Als Hauptfunktion ist sicher nicht die Retabelverwendung in selbständigen Oratorien anzunehmen. Die
eigentliche Aufstellungsart wird durch die länglich gestreckte Gestalt der Ikonen nahegelegt, deren
Proportionen den Pfeilern in Kirchengebäuden entsprechen. Offner29 vermutet deshalb, daß sie für die
Aufhängung an solchen geschaffen wurden. Für diese auf die Beschaffenheit des Formats gegründete
Auffassung läßt sich aus der Freskodekoration ohne Schwierigkeit ein Beispiel wie etwa die Darstellung
eines heiligen Bischofs vom Anfang des 13. Jhs. an einem Pfeiler in S. Ambrogio zu Mailand anführen30.
Eine direkte Parallele aber, aus der die vermutete Anbringungsweise der Franziskusikonen mit Evidenz
hervorgeht, ist das 1333 datierte und erst um 1825 von einer Säule der Kirche S. Nicola abgelöste, den
Tafelbildern entsprechende Fresko des Seraphikers von Pietro da Rimini (1,15 x 0,52 m)31 im Convento
di S. Francesco in Montottone, Rimini.
Wir ersehen hieraus, daß auch die im Trecento entstandenen Exemplare der hochoblongen Heiligenikonen
noch für die Aufhängung an Pfeilern bestimmt waren. Als spätere Beispiele dieses Typus weist Offner32
auf die 1657 an einem Pfeiler des Florentiner Domes erwähnte Katharinentafel der Daddi-Werkstatt
(2,07 x 0,85 m)33 und die beiden (wie die Reliefs der Heiligen Johannes und Leonhard in S. Marco zu
Venedig, Abb. 64) als Gegenstücke gearbeiteten Bilder des Apostelfürsten Petrus34 und des Dominikaner-
heiligen Petrus Martyr35 hin (1,425 x 0,65 m). Durch das steile Format schließen sie sich in besonders
deutlicher Weise an die während des Dugento über Arezzo und Umbrien vordringende, zunächst von den
Bettelorden propagierte Ikonenform an.
Heilige zwischen seitlichen Szenen
Paliottonachfolge
Der dritte Bildtyp, der in der Toskana sich an die noch von der vorangehenden Tradition entwickelten
Heiligenpalen anschließt, sind die antependienförmigen Tafeln, deren Hauptfeld der von Szenen aus
seinem Leben begleitete Heilige einnimmt. Ob schon die von Marchisello signierte und 1191 datierte Tafel
des hl. Thomas hierzugehört, die auf dem Hochaltar von S. Tommaso in Florenz bis in die Zeit von
Cosimo de’ Medici überliefert wird36, ist unbekannt, aber im Hinblick auf die lange Verbindung mit dem
altare maggiore in der dem Patronatsheiligen geweihten Kirche — die uns in den Voruntersuchungen
nur bei den Altarfrontalien begegnet ist - mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Das älteste erhaltene Stück ist die Pala des zwischen den Heiligen Eugenius und Crescentius thronenden
Florentiner Bischofs Zenobius in der Domopera zu Florenz (Abb. 122; Garr. 363; 1,09 x 2,74 m; 1240 bis
1250), der ein extrem breites, durch die Zugehörigkeit zu einem Grabaltar bedingtes Format eigen-
tümlich ist, das innerhalb dieser Gattung in der Toskana selbst im 14. Jh. nicht wiederkehrt. Die wenigen
Exemplare, die wir aus dem Dugento besitzen, sind alle von sehr viel bescheideneren Dimensionen, wie
die Pala mit dem Erzengel Michael aus der Kirche S. Angelo a Vico l’Abate bei Florenz (Abb. 123;
Garr. 379; 0,98 x 1,24 m; 1255-1265)*) und die in Siena entstandenen Tafeln Johannes des Täufers
(Abb. 125; Garr. 375; 0,87 x 1,65 m; 1260-1270) sowie des hl. Petrus in der dortigen Pinakothek (Abb.
124; Garr. 376; 1,00 x 1,41 m; 1275-1285). Auf zwei nordumbrischen Franziskustafeln ist die im Gegen-
satz zu den genannten Beispielen stehend dargestellte Figur des Widmungsheiligen der Kompositions-
mittelpunkt (Abb. 129; Garr. 361, 0,96x 1,375 m; 1265—1275; Garr. 371, 0,67x 0,865, viertes Viertel
13. Jh.). Trotz des verhältnismäßig seltenen Auftretens erweist sich dieser Typ, da er von der später zu
behandelnden Hauptform der Marientafeln mitgetragen wird, doch als sehr lange lebensfähig. Er vermag
sich nicht nur über den Anfang des Trecento hinaus zu halten, wo er z. B. in den Palen der hl. Cäcilie
(Abb. 126; 0,85 x 1,81 m) und der hl. Katharina (1,00 x 1,70 m)37 vertreten ist, sondern begegnet selbst
noch am Anfang des 15. Jhs. (S. Gimignano, Germinianustafel im Museo Comunale, Abb. 127; 1,30 X
2,25 m).
Die Funktion erwächst aus der des Antependiums, das wir mit den auf die Figur des Patrons konzentrier-
ten Darstellungen in Alt-St. Peter zur Zeit Leos IV. (847-855) und im Baptisterium zu Parma (Abb. 76;
*) Eine spätere Tafel des Erzengels Michael aus dem florentinischen Kunstkreis, jedoch mit stehenden Assistenzfiguren, befindet
sich in einer römischen Privatsammlung (Garr. 413; 0,80 X 1,30 m; 1290-1295).

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