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erste Hälfte 13. Jh.) als Vorsatz des Hauptaltars beobachtet haben. Die bei bekannter Provenienz fast
regelmäßig während des Mittelalters in der Toskana zu treffende Feststellung, daß die Palen aus einer
Kirche stammen, die dem auf der Frontseite dargestellten Heiligen geweiht ist38, gestattet den Schluß,
daß es sich bei ihnen - der Tradition entsprechend - in erster Linie um Stücke handelt, die für den Haupt-
altar geschaffen wurden. Weit schwieriger ist jedoch die Frage zu beantworten, ob sie dort noch als
Paliotto gedient haben oder dazu bestimmt waren, als Retabel auf der Mensa zu stehen, da die Gestalt
meist beide Verwendungsarten zuläßt. Das Beispiel der sogenannten „Madonna dagli occhi grossi“
(Abb. 144), die 1260 auf dem Hochaltar des Domes zu Siena überliefert wird (vgl. Kap. 6), ist jedoch ein
deutlicher Hinweis, daß etwa seit der Jahrhundertmitte in der Toskana auch für die antependienförmigen
Heiligenbilder sehr stark mit dieser Möglichkeit gerechnet werden muß. Die aus S. Tommaso überlieferte
Tafel von 1191 wird auf dem Altar erwähnt. Ihre Gestalt ist jedoch ni cht ganz sicher und außerdem könnte
der in den Voruntersuchungen mehrfach angetroffene Fall auch hier vorliegen, daß eine als Paliotto
gefertigte Pala erst später auf die Mensa gestellt wurde. Ebenso ist es auch nicht ganz sicher, ob die
Zenobiustafel, die in einer deliberazione des Jahres 1439 als Dossale bezeichnet wird39, nicht auch vorher
als Antependium verwandt wurde, da im 15. Jh. die Altaranlage, zu der das Bild gehörte, schon lange
nicht mehr bestanden hat.
Im Jahre 42940 war der Leichnam des hl. Zenobius aus der vom hl. Ambrosius geweihten, vor der alten
Stadtmauer von Florenz gelegenen Kirche S. Lorenzo in die Kathedrale, die damals den Namen des
Salvators führte, übertragen worden. Bei dieser Translation ereignete sich das Wunder41, daß eine Ulme
plötzlich zu grünen begann, als der Körper des Heiligen vorbeigetragen wurde. An diese legendäre
Begebenheit erinnert noch heute auf der Piazza S. Giovanni eine an der Stelle des Baumes befindliche
Säule, aus dessen Holz die Zenobiustafel, wie die genannte Urkunde von 1439 behauptet, gefertigt
worden ist42.
In dem der Kirche S. Miniato al Monte ähnlichen Dombau des 11. Jhs. war der Sarkophag des Heiligen
unterhalb des ihm in der Krypta geweihten Altars aufgestellt, der 1286 erwähnt wird43. Paatz nimmt an,
daß die Tafel als Retabel auf der Mensa gestanden hat44. Daß eine solche Verwendung zu diesem Zeit-
punkt möglich ist, dafür spricht der Umstand, daß der Besitz der Reliquien, auf die man sicher besonders
stolz gewesen ist, wirkungsvoller mit Hilfe eines Altaraufsatzes demonstriert werden konnte als durch
eine bloße Verkleidung der Grabstätte. Ein schwer abweisbares Argument für die Verwendung als
Paliotto ist hier jedoch der schlechte Erhaltungszustand der stark erneuerten Tafel, der durch die
Abnutzung bedingt sein kann, wie sie beim Vorbeistreichen der Gewänder der Zelebranten an der Altar-
front entsteht.
1281 wurde eine den Namen des hl. Zenobius tragende Bruderschaft als marianische Laudenvereinigung
gegründet45. Mit dem fortschreitenden Neubau des Domes erfolgte die Verlegung des Zenobiusaltars
in das Mittelschiff46. Das Bild scheint jedoch in der Krypta verblieben oder später wieder dorthin ge-
schafft worden zu sein. In der deliberazione von 1439 heißt es, daß man das „Dossale“ dort aufgefunden
habe (,, ... ritrovato nella catacumba ...“)47. Zu diesem Zeitpunkt wurde es mit dem Sarkophag in die
neu unter der mittleren Tribüne geschaffene unterirdische Kapelle überführt. Zwischen 1487-1491
übergab man die Pala der Bruderschaft48. Die Gebeine des hl. Zenobius blieben bis 1685 an dieser Stelle
und wurden erst dann in den von Ghiberti zwischen 1432-1442 geschaffenen Sarkophag, der sich in
der mittleren Kapelle der Haupttribune befindet, übertragen49. Die Tafel des Heiligen, die 1786 die
Bruderschaft an den Marchese Alfonso Tacoli Canucci abgetreten hatte, kam später in das Museum zu
Parma, aus dem sie 1928 zurückgekauft wurde50.
Bei der Pala des hl. Johannes in der Pinakothek zu Siena (Abb. 125) scheint die Abnutzung eindeutig
durch Scheuern verursacht worden zu sein. Sie ist in der Mitte besonders stark, wo sich der Geistliche
am häufigsten auf hält und sich während der Konsekration über den Altar neigt. Wir besitzen so ein festes
Kriterium für die Funktionsbestimmung dieser Tafel, die auch durch die plastische Gliederung, gleich
dem ähnlichen Stück aus S. Pietro in Banchi, die enge Verbindung zur Tradition der Goldschmiede-
antependien spürbar werden läßt.
Die geringe Höhe von 0,85 m ist kein Argument gegen die Verwendung als Antependium, da auch Fron-
talien von ähnlichen Abmessungen gebräuchlich sind (Mailand S. Ambrogio). Auf der Rückseite sind
keine Befestigungsspuren erhalten. Die beiden mittleren Längsbalken wurden erneuert, auf den äußeren
Verstrebungen, die man unten ergänzte, um einen horizontalen Riß zusätzlich zu verklammern, sind

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