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Schon ein Jahr vorher ist die 1307 datierte Pala von Giuliano da Rimini entstanden (Abb. 154; 1,64 X
3,00 m)44, die aus der Domsakristei von Urbania in das Gardner Museum zu Boston (Mass.) gelangte
und wohl ursprünglich für einen Klarissenkonvent gefertigt wurde, da die hl. Klara sich unter den meist
weiblichen Heiligen befindet und über ihr der hl. Franz im Augenblick der Stigmatisation erscheint.
Im Hauptfeld ist das auf dem Schoße der Muttergottes stehende Jesuskind dargestellt, das die Stifter
segnet, die vor dem Thron knieen. Von plastischen Vorbildern hat der Künstler die Kleeblattarkaturen
entlehnt, die auf gedrehten Säulen ruhen und die Heiligenfiguren voneinander isolieren. Der Franziskus-
stigmatisation entspricht auf der rechten Seite die büßende Magdalena.
Das Bild im Besitz des Ing. G. Galotti (Rom) kommt aus der Gegend von Norcia (Garr. 372; 0,90 x 1,40;
1320-1330). Den Thron der Muttergottes umgeben Szenen aus der Passion des Heilandes (Verrat, Ver-
spottung, Gang zum Kalvarienberg, Kreuzigung, Grablegung).
Eine umbrisch beeinflußte erheblich niedrigere Tafel befindet sich in der Sammlung Stoclet zu Brüssel
(Garr. 382; 0,56 x 0,79 m; 1315-1325). Die Fläche bedecken sechs gleich große Kompartimente, die mit
Szenen aus dem Leben Christi und seiner Mutter gefüllt sind (Verkündigung, Geburt, Darstellung im
Tempel, Taufe, Abendmahl, Ölberg, Verrat, Geißelung).
Erst in der fortgeschrittenen ersten Hälfte des Trecento entstand das Altarbild in der Galleria del-
l’Accademia di Belle Arti in Ravenna45 (0,56 x 0,85 m). Dem Thron der von zwei in Miniaturgröße dar-
gestellten Assistenzheiligen (Franz und Ludwig von Toulouse) begleiteten Hodegetria schließen sich vier
Szenen an (Geburt Christi, Anbetung der Magier, Kreuzigung, Auferstehung).
Aus der Bestandsaufnahme ersehen wir, daß im Gegensatz zur außertoskanischen Antependientradition
dem Marienthema bei weitem der Vorzug gegeben wird. Eine gewisse Anknüpfungsmöglichkeit für diese
Verlagerung des thematischen Schwergewichts bieten die mit dem 12. Jh. zunehmend auf die Figur der
Muttergottes zentrierten Altarbilder, die in S. Maria in Vescovio sowie in Cividale und Torcello
erhalten sind (Abb. 73ff.). Auffällig ist, daß in der Breite niemals die 2m-Grenze überschritten wird
(das früheste Stück, die Salvatorpala von 1215, bleibt mit 1,96 m in der Breitenerstreckung bis zur Pala
von Giuliano da Rimini die größte Tafel), und vor allem die durchschnittliche Höhe bei etwa 0,90-1,00 m
liegt. Dies bedeutet, daß fast ausnahmslos alle Beispiele in ihren Dimensionen der Paliottotradition ent-
sprechen und infolgedessen, ebenso wie die oben betrachteten Heiligentafeln, als Antependium verwend-
bar wären.
Die Salvatorpala der Abbazia Berardenga (Abb. 142) ist sicher noch als Paliotto gearbeitet worden.' Die
über der erneuerten unteren Rahmenleiste zu beobachtenden Abnutzungsspuren, die auf eine Beschädi-
gung durch die Füße des zelebrierenden Geistlichen hinweisen, sind hier durch ihre Eindeutigkeit ein
untrügliches Beweismittel für die Antependienverwendung, da die genannten Schäden genau an den
Stellen auftreten, wo sich der Priester während des Meßopfers aufzuhalten pflegt. Der Standort der
Tafel war vermutlich der Hauptaltar in der Kirche des 867 gegründeten Nonnenklosters, das Ende des
11. Jhs. in die Hände von Camaldulensamönchen überging, die das Gotteshaus erneuerten, das 1806
um die Hälfte verkürzt wurde46.
Auf der Tafelrückseite sind an den inneren, etwas massiver gestalteten Vertikalbalken in Höhe von
ca. 0,74 m Spuren der einstigen Befestigung erhalten (Abb. 234ff.). Es handelt sich um in das Holz einge-
zogene Metallschlaufen, aus deren Rundung ein Stück herausgeschnitten ist, um die Ringe abnehmen
zu können, mittels derer die Pala (entweder durch einfache Haken oder contro-anelli) mit der Stipesfront
verbunden war. An der Zugehörigkeit dieser Fragmente zur ursprünglichen Aufhängevorrichtung können
keine Zweifel bestehen, da an entsprechender Stelle auf der Vorderseite des rechten Rahmenprofils eine
Erhebung und Risse im Stucküberzug vorhanden sind, die augenscheinlich durch die darunter befind-
lichen Schlaufenenden verursacht wurden47. Die solide Ausführung und Form der Befestigungsmittel
gestattet ohne Schwierigkeit die dem fortschreitenden Dugento gemäße Weiterverwendung des Ante-
pendiums als Retabel.
Um 1315 scheint die Pala am altare maggiore durch das Polyptychon Segnas abgelöst oder ergänzt worden
zu sein, von dem Teile in die Pinakothek zu Siena gelangt sind, die die Halbfiguren des hl. Paulus, der
Madonna Awocata, des hl. Johannes und des hl. Bernhard darstellen (Pin. Nr. 40; 0,67 x 1,57 m)48.
Es fehlt das Bild des Salvators als Mittelstück der nur in den Assistenzfiguren erhaltenen Deesis.
Ähnliche Abnutzungsschäden wie das Antependium der Abbazia Berardenga hat die Majestastafel der
Galleria Nazionale dell’Umbria in Perugia, die darum wohl auch noch als Altarfrontale angefertigt

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