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Den im Vertragstext getroffenen Bestimmungen über das Aussehen der Ancona entsprechen ein von
Simone Martini 1320 auch für den Hochaltar einer Pisaner Kirche an gefertigtes und darum vielleicht
noch den Eindruck des Cimabue-Retabels widerspiegelndes Polyptychon (Abb. 163; 2,29:3,43 m)98
sowie das um 1320 entstandene Pentaptychon von Meo da Siena in Perugia (Abb. 165). Da es sich bei der
Spitalkirche von S. Chiara nur um ein sehr kleines Gebäude gehandelt zu haben scheint, während
Simones Arbeit für den Hochaltar der großen Katharinenkirche bestimmt war, steht vielleicht ein Werk
wie die nur fünfteilige, in der Konstruktion etwas einfacher und darum der Frühstufe der Polyptychon-
entwicklung enger verbundene Ancona des zuletzt genannten Künstlers dem Altarwerk Cimabues noch
näher. Die Arkaden des Hauptgeschosses und die Zwerggalerie sind hier (mit Ausnahme des hinausge-
schobenen und als Stütze für das Salvatortympanon dienenden Bogenpaares über dem höheren Mittel-
feld) Teil eines quergelagerten Rechtecks, dessen Gliederung durch Giebel betont wird, die auf der
Oberkante ruhen. (Die Säulen der Hauptarkaden und die auf ihnen ruhenden Pilaster sind sinngemäß
ergänzt). Hierin besteht insofern ein Unterschied zu dem Retabel Cimabues, als dort Tympanon und
Bogenfeld ja wahrscheinlich nicht durch den Hauptfries des Polyptychons geschieden waren („colonnellis
sursum in tabernaculis“), sondern ein geschlossenes Kompartiment bildeten, ähnlich wie in der Pieve zu
Arezzo, jedoch wohl noch ohne die Fialenbekrönungen der Lorenzetti-Ancona".
Die Predella des Retabels in Perugia, das auch für einen altare maggiore geschaffen wurde100 und mit
seinen Abmessungen (2,45 x 2,42 m) als Beispiel für ein normalbreites fünfteiliges Hochaltarpolyptychon
im ersten Viertel des Trecento gelten kann, zeigt an Stelle der Marienszenen die Apostel unter Bögen, die
wegen der Zwölfzahl nicht mit der Gliederung der oberen Geschosse koordiniert sind. Neben den Palen
von Cimabue, Simone und Meo werden am Anfang des 13. Jhs. gleich eine ganze Reihe von Stücken
für Hauptaltäre geschaffen, aus denen wieder zu ersehen ist, daß die Funktion als Aufsatz des altare
maggiore die Polyptychonentwicklung vorantreibt. Zwischen 1308-1311 entsteht die Maestä Duccios
für den Sieneser Dom, mit der wir uns jedoch jetzt noch nicht befassen wollen, da sie wohl den Einfluß
des Polyptychontypus spüren läßt, nicht aber aus ihm erwachsen ist.
Der Tafel von S. Caterina in Pisa läßt sich ein von Simone im gleichen Jahre signiertes, ähnliches
Werk für den Dominikanerkonvent in Orvieto anschließen101. Das 1320 vom Bischof von Arezzo für
den Hochaltar der Pieve S. Maria in Auftrag gegebene Polyptychon Pietro Lorenzettis haben wir bereits
erwähnt102. Im alten Florentiner Dom scheint man sich zu dieser Zeit, wohl wegen des Bischofsthrons,
noch mit einem ziemlich bescheidenen Retabel begnügt zu haben. Auf dem altare maggiore der Repa-
ratakirche vermutet Paatz103 das nicht einmal 1,00m hohe, doppelseitig bemalte Retabel (Vorderfront:
Muttergottes von den Heiligen Miniatus, Zenobius, Eugenius und Crescentius flankiert, Rückseite: Ver-
kündigung zwischen S. Giovanni Baptista, S. Maria Maddalena, S. Reparata und S. Nicola; 0,94 x 2,42 m),
das heute auf dem vierten Altar des linken Querarmes steht und früher den unter der mittleren Tri-
büne befindlichen Altar der 1439 geschaffenen unterirdischen Zenobiuskapelle geschmückt hat. Mit seiner
an das luccesische Stück im New Yorker Kunsthandel (Garr. 438; 0,80 x 1,70 m; 1320-1330) erinnernden
Reihung von 5 einstöckigen Giebelkompartimenten erweist es sich gegenüber dem etwa vier Jahrzehnte
früher entstandenen Vigoroso-Polyptychon als Reduktion dieses Typus auf die einfachste Form.
Wesentlich aufwendiger muß dagegen das nur in Fragmenten existierende Polyptychon gewirkt haben,
das von Ugolino da Siena um 1325 für die 4,075 m breite, nur zum Teil erneuerte Mensa des Hochaltars
inS. Croce104 geliefert wurde (Höhe 1,09 m, Tiefe 1,635 m; entfernt 1556)105. Zeitlich nahe steht diesem
die von Bernardo Daddi für die gleiche Funktion gemalte Ancona, die noch 1677 hinter dem altare
principale von S. Pancrazio erwähnt wird (2,51 x 3,93 m)106. Die genannten Retabel stimmen mit Aus-
nahme der Pala des Florentiner Domes in bezug auf die Grundform überein und behalten nur, in den
äußeren Dimensionen wachsend und der zunehmenden Breite der Hochaltarmensen folgend, den schon
um 1300 fertig vorliegenden Typus des zwei- oder dreizonigen Retabels bei. Variierend sind nur die
fünf- bzw. siebenteilige Ausführung und eine sich bald stärker, bald schwächer an die Grundform des
Rechtecks bindende Konstruktionsweise. Den Mittelpunkt bildet die Muttergottes mit dem Kinde, die in
den Seitenfeldern und in den Galerien von Heiligen umgeben ist. Die nur selten fehlende Predella ist
entweder mit Szenen oder Halbfigurendarstellungen bedeckt.
In S. Pancrazio macht sich bereits in der Wiedergabe des von Engeln und Heiligen umstandenen Marien-
thrones und der Zuordnung von Ganzfiguren unter den Nebenarkaden, der Einfluß des im nächsten
Kapitel zu besprechenden Retabeltypus geltend.

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