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der Kapelle anwesenden, schon dem Dienste Mariens gewonnenen Ritter, sondern ist, auf weite Ent-
fernung hin sichtbar, dem für die christliche Heilsbotschaft erst noch zu erschließenden Lande
zugewandt.
Die im Norden von den Reformklöstern eingeleitete Intensivierung des Marienkultes pflanzt sich in
Italien während des 13. Jhs. über die Mendikantenorden weiter fort. Die enge Anknüpfung an das Vorbild
zeigt sich auf dem Gebiet der Architektur in der Übernahme des Staffelchores sowie in den Bestimmungen
zur Ausstattung des Kirchengebäudes, die sich bei den Franziskanern direkt an die von den Reformorden
aufgestellten Prinzipien anlehnen34.
Marienikonen spielen bei den Dominikanern, deren Stifter, der Legende nach, von der Muttergottes selbst
die Berufung zum Mönchsleben empfangen hat, von Anfang an eine wichtige Rolle. Nach Beissel35
zogen seit dem Jahre 1226 sämtliche Klostergemeinden im Anschluß an das Komplet, während sie das
Salve Regina sangen, zu einem Bild der Muttergottes.
Bei der Verbreitung des auch bei den Reformorden schon beliebt gewesenen Rosenkranzgebetes, das,
wie Beissel36 annimmt, am Anfang des 13. Jhs. wesentlich kürzer als das heutige war, hat der Orden des
hl. Dominikus einen wesentlichen Anteil gehabt. Ein 1259 zu Piacenza gegründeter und von Alexander IV.
bestätigter Verein, den Beissel als die Urzelle der sich im 15. Jh. entwickelnden Rosenkranzbruder-
schaften betrachtet, stand unter der Leitung des Dominikanerordens37.
Als Mariologe ist im Ordo dei Predicatori jedoch nicht der Gründer, sondern der Kirchenlehrer Albertus
Magnus (1193-1280) der Hauptvertreter. In seiner Auffassung vollzieht er bereits eine starke Annäherung
an den nach der Vorarbeit des Franziskanertums als Dogma verkündeten Glaubenssatz von der Un-
befleckten Empfängnis Mariae38.
Während die übrigen Scholastiker sich mehr darauf beschränken, die Gnadenvorzüge der Gottesmutter
herauszustellen, wendet er sich wieder ihrer Stellung im Erlösungswerke zu39. In der Frage der Gnaden-
mittlerschaft Mariae, die im Mittelalter eine besondere Aktualität besaß, als man sich ihrem Schutz
anvertraute und sie zur Patronin vieler Ordensgemeinschaften erwählte, vertritt Albertus die Auffassung
der „allgemeinen“, durch die Geburt des Erlösers bewirkten Gnadenvermittlung, die sich von der
theologisch nicht haltbaren „absoluten“ Theorie unterscheidet, nach der jeder Gnadenerweis von der
Mitwirkung Marias abhängig wäre. Ein seine Marienlehre auszeichnender Gedanke, der, wie wir sehen
werden, mit dem Altai geschehen und damit auch zu dem am Altar aufgestellten Marienbild in enger
Beziehung steht, ist die Auffassung, daß die von Maria erwirkten Gnaden durch das Mitleiden unter dem
Kreuz mitverdient sind.
Unter den Erscheinungsformen der dominikanischen Muttergottesverehrung ragen während des 13. Jhs.
noch die Predigten seines Schülers Thomas von Aquin hervor, der in gelehrten Vergleichungen unter
Verwendung von Zitaten und kunstvollen Wortbildem aus dem Alten und Neuen Testament die Tugend
Marias in hellstem Licht erstrahlen läßt, aber auch, im Anschluß an den hl. Bernhard und andere, ihre
Barmherzigkeit selbst gegen schwere Sünder nahezubringen versteht40. Die vielleicht höchste Steigerung
erfährt die Verehrung der himmlischen Jungfrau während des 13. Jhs. durch die Franziskaner, die sie
nach dem Vorbild der Reformorden und Rittergenossenschaften als ihre Patronin erwählen. An der Stätte,
die zur Wiege der seraphischen Gemeinschaft geworden ist, dem Portiunkulakirchlein S. Maria degli
Angeli bei Assisi, betet die Mutter des hl. Franz vor einem Madonnenbilde um die Erfüllung ihres Wun-
sches, Mutter zu werden, auf die sie seit sieben Jahren wartet41. In diesem später dem hl. Franz von den
Benediktinern geschenkten und von ihm selbst wiederhergestellten Gebäude empfängt er in einer
Erscheinung auf die Fürbitte Marias das als Portiunkula-Ablaß bekannte, von Honorius III. bestätigte
Privileg, das bei einem Besuch der Kirche am Tage der Weihe einen vollkommenen Ablaß aller gebeich-
teten Sünden gewährt42. Das Gegenstück zu dem dominikanischen Brauch nach dem Komplet zu einem
Marienbilde zu ziehen, ist die Prozession, die die Franziskaner allabendlich bei der gleichen Gelegenheit
zum Berge La Verna veranstalten, auf dem der hl. Franz 1224 die Stigmata empfangen und eine 1260
von Alexander IV. geweihte Kapelle errichtet hatte43. Der Legende nach soll die Muttergottes selbst
dem Poverello den Ort für das Gebäude gezeigt haben, dessen Gelände ihm 1213 vom Grafen Orlando
Catani von Chiusi zur Verfügung gestellt wurde44. Wenig später (1215) erhielt er von den Benediktinern
die Kapelle S. Maria dei Carceri, die den Kern der franziskanischen Einsiedelei auf dem Monte Subasio
bildet. Hinter dem Altar ist noch die freskierte, im 16. Jh. übermalte Marienikone erhalten, vor der der
hl. Franz zu beten pflegte45.

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