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Erstes Kapitel

WAS DER MENSCH VOM SPIEGEL LERNTE

D as Phänomen des Widerscheins, die Eigenschaft glatter, glänzender, nicht
durchsichtiger Flächen, auftreffende Lichtstrahlen regulär zu reflektieren und
so von den Dingen, die sie aussenden, ein (gegensinniges) Abbild zu geben,
— dies Phänomen, vielleicht im Wasser eines Sees und in der Pupille des
Auges zuerst deutlich beobachtet, hat dem Menschengeschlechte wesent/
lichste Antriebe gegeben. Es kommt uns vor wie das Ergebnis einer geheinv
nisvollen Abstimmung der Natur auf den Menschen, wie die Stiftung einer
prästabilierten Harmonie zwischen beiden. Von allem Nützlichen, das die
Außenwelt uns fertig oder im Rohzustand bereitgestellt hat, nimmt der
spiegelnde Stoff in dieser Beziehung eine Ausnahmestellung ein. Spiegelung
in der Natur ist für diese selbst etwas Zweckloses, Zufälliges. Aber indem
sie dem Menschen zum Erlebnis wird, gewinnt sie für ihn einen Sinn:
materiell, wie etwas, was sich als Waffe oder als Werkzeug gebrauchen läßt
aber auch innerlich — geistig. Solche Vorteile haben den Menschen be^
wogen, das Spiegelnde dann auch künstlich herzustellen, damit also den
eigentlichen Spiegel zu „erfinden". Sie deutlicher bewußt zu machen, ist um
so wichtiger, als dabei auch Beziehungen zur Kunst zur Sprache kommen
müssen.

Dreifach ist — grundsätzlich und zeitlos betrachtet — die optische Leistung
spiegelnder Flächen für den Menschen, die elementare Leistung, aus der sich
selbst die verwickeltesten Anwendungen in der modernen optischen Technik
ableiten. Sie können, als Planspiegel, ein genaues (wenn auch gegensinniges)
Abbild von dem geben, was uns körperhaft vor Augen steht. Sie können
ferner bei geeigneter Aufstellung, unter Umständen auch Kombination,
manches abbilden, was unseren Augen von einem gegebenen Standpunkt
aus nicht zugänglich ist. Endlich vermögen sie beides, das uns Sichtbare
und das uns Unsichtbare, in einer von dem wirklichen Anblick abweichen/
den Weise wiederzugeben: sie können als Konvexspiegel verkleinern, als
 
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