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von den Epigonen so abgenützten Urbilder bewiesen noch einmal ihren Zauber — führten den Meister
nun aber zur » Moral des Konturs« zurück, und als er wieder zu Hause war, glaubte er Ingres, den Anti-
poden jenes barocken Romantikers, nachholen zu müssen. Man spricht von einer Ingres-Periode; doch
lebte — natürlich auf einer höheren Oktave der Farbigkeit — auch Renoirs Bewunderung für Courbet
wieder auf, den malenden Plastiker. Die »Kinder Berard « (Berlin), verschiedene Baigneusen und durch-
komponierte Baigneusengruppen, zu denen es sorgfältigste Vorstudien gibt, zeigen, wie unser Maler noch
einmal (was schon Chasseriau angestrebt hatte) Dclacroix und Ingres zu versöhnen trachtete. Gegen Ende
des Jahrzehnts begann sich diese eigentümliche formale Kontraktion wieder auszugleichen.
Es fällt auf, daß Renoir damals wiederholt mit Cezanne zusammen war, den er gleich nach Italien in
l'Estaquc (bei Marseille) besuchte. Cezanne, mit Landschaften und Stilleben beschäftigt, wurde von seiner
Natur auf völlig andere Wege geführt: er hatte von dem, was man Modellieren und Zeichnen nennt,
weniger traditionelle Vorstellungen. Statt vom Modellieren sprach Cezanne vom Modulieren, ein Ver-
gleich, der aus der Musik genommen ist. Bekanntlich haben sich später die Kubistcn auf den Cezanne
der achtziger und neunziger Jahre berufen. Immer wieder wird sein Ausspruch zitiert: » Man behandle
die Natur gemäß Kegel, Zylinder und Kugel«. Freilich unterschlägt man meistens die Fortsetzung:
» ... und bringe das Ganze in die richtige Perspektive, so daß jede Seite eines Objekts, einer Fläche nach
einem zentralen Punkt führt«. Woraus hervorgeht, daß der Maler nicht gerade bewußt an den Grundsätzen
der normalen Perspektive zu rütteln suchte! Trotzdem bleibt Cezanne einer der wichtigsten Träger in dem
historischen Prozeß des Abbaus dieses und ähnlicher vor vierhundert Jahren erfundener Kunstmittel, wozu
auch die Schattenkonstruktion o-chört.

Paul Gauguin Otahi allein
Privatsammlung

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