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In der abendländischen Kunst wurde das Aufkommen des Typs des
toten Christus am Kreuz allgemein ins 13. Jahrhundert gesetzt.

Man wußte, daß der Kardinal Humbert von Silva Candida 1054 in
Konstantinopel das byzantinische Kreuzigungsbild sehr energisch
abgelehnt hatte. Aber einige wiesen auf das Vorkommen des Typs
im früheren Mittelalter hin. Grimouard de Saint-Laurent nannte

als früheste abendländische Beispiele die Darstellung des Gekreu-

17)

zigten im Gebetbuch Karls des Kahlen und das Lotharkreuz ' J
(Abb.102,33)* Arthur Haseloff machte auf einige ottonische Bei-

/iO)

spiele aufmerksam ' . Auch bei Kraus und Künstle finden sich eini-
19)

ge Hinweise .

Johannes Reils schöne und materialreiche Studie über die karolin-

gischen Kreuzigungsdarstellungen handelt nur ganz am Rande von un-

20)

serem Problem . Er sieht fälschlicherweise in einem Initial des

Sakramentars von Gellone die erste Darstellung des toten Gekreu-
21)

zigten und hebt als entscheidenden Einschnitt ein Kreuzigungs-
bild im Utrechtpsalter hervor, wo der tote Gekreuzigte darge-
stellt sei. Von den ottonischen Kruzifixbildern sagt er dann:

"Der Formwille der ottonischen Periode greift Platz und gestaltet

22)

einen in Schönheit und Anmut sterbenden Christus." '

Die theologische Tragweite der Wandlungen des Kruzifixbildes
hat zuerst L. H. Grondijs herausgearbeitet, dessen Buch über die
byzantinische Kruzifixikonographie eine ausgiebige, polemische

Diskussion dieses Problems für die byzantinische; Kunst hervorge-
25)

rufen hat Die Gedankengänge von Grondijs sind - kurz refe-

riert - folgende: Vom fünften bis zum elften Jahrhundert ist das
Bild des sterbenden bzw. toten Christus am Kreuz nicht vorhanden.
Den Grund dafür findet Grondijs in der altchristlichen Christolo-
gie, speziell in der Lehre von der Logostrennung, wie sie sich
bei den Kirchenvätem des vierten und fünften Jahrhunderts findet.
Danach trennt sich vor dem Tode Christi der göttliche Logos von
der menschlichen Natur - am Kreuze bleibt ein bloßer Mensch zu-
rück, an dessen Darstellung natürlich kein Interesse war. Diese
Vorstellung des am Kreuze zurückgebliebenen Leibes, der verwes-
lich ist, sei den Theologen unerträglich gewesen. Am Anfang des
sechsten Jahrhunderts entsteht die Lehre von der Unverweslichkeit
 
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