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Die Literatur des 19. Jahrhunderts interessierte sich hauptsäch-
lich für historisch-antiquarische Problerae und versuchte immer
wieder, aus den Kreuzigungsdarstellungen Kenntnisse über gewisse
Details des Kreuzigungsvorganges abzuleiten. Doch wurde bald er-
kannt, daß die Darstellungen der Kreuzigung nicht als historisch
getreue Wiedergaben eines Exekutionsvorganges aufzufassen, son-
dern von der theologischen Verkündigung geprägt seien. Man erkann-
te weiterhin, daß die Kreuzigung erst sehr spät in der christli-
chen Kunst auftaucht und daß in den frühen Kreuzigungsbildern
Christus lebend, als Sieger über den Tod, dargestellt wird^.
Man sah auch die Veränderung des Kruzifixtyps im byzantinischen
Bereich von der Darstellung des lebenden zu der des toten Gekreu-
zigten. Umstritten blieb aber seit des Kardinals Borgia Commen-
tarius de cruce Veliterna von 1780 der Zeitpunkt dieser Wand-
10)
lung . Zwischen dem siebenten und dem elften Jahrhundert blieb
11)
keine Zeit ungenannt . Die früheste Ansetzung stammtvon Stock-
12)
bauer ' . Er wies auf eine Wiener Handschrift des Anastasius
Sinaita hin, in der dieser um 600 wirkende Theologe im Kampf ge-
gen den Monophysitismus auf ein Kruzifixbild hinweist, ein sol-
ches in seine Handschrift einfügte und die Abschreiber beschwor,
es genau zu kopieren. Die Zeichnung zeigt nun den mittelbyzanti-
nischen Typ des toten Gekreuzigten (Abb.150). Obwohl diese An-
1 -5 )
sicht von Franz Xaver Kraus mit einem Hinweis auf die wesent-
lich jüngere Entstehungszeit der Wiener Handschrift abgelehnt
worden war, ist sie doch noch mehrfach vertreten worden^ 1^.
Als Grund der Veränderung wurde - neben allgemeinsten theolo-
gischen Überlegungen - der zunehmende "Naturalismus" der byzanti-
nischen Kunst angesehen, eine Ansicht, die sich bis in Rumohrs
"Italienische Forschungen" zurückverfolgen läßt. Rumohr spricht
bei der Beschreibung der Kreuzigungsszene der Florentiner Mosaik-
ikone sogar von dem "widrigen und gemeinen Ansehen" des byzanti-
16)
nischen Kruzifixes J . Rumohrs Begriff der "materiellen Auffas-
sung" diente dann immer wieder als Begründung der Wandlung der
Kruzifixdarstellung^). Er lebt sogar noch nach in Aloys Grill-
merers Buch über den Logos am Kreuz (München 1956), der den toten
Christus am Kreuz den "vorwiegend realistischen Typ" nennt.
Die Literatur des 19. Jahrhunderts interessierte sich hauptsäch-
lich für historisch-antiquarische Problerae und versuchte immer
wieder, aus den Kreuzigungsdarstellungen Kenntnisse über gewisse
Details des Kreuzigungsvorganges abzuleiten. Doch wurde bald er-
kannt, daß die Darstellungen der Kreuzigung nicht als historisch
getreue Wiedergaben eines Exekutionsvorganges aufzufassen, son-
dern von der theologischen Verkündigung geprägt seien. Man erkann-
te weiterhin, daß die Kreuzigung erst sehr spät in der christli-
chen Kunst auftaucht und daß in den frühen Kreuzigungsbildern
Christus lebend, als Sieger über den Tod, dargestellt wird^.
Man sah auch die Veränderung des Kruzifixtyps im byzantinischen
Bereich von der Darstellung des lebenden zu der des toten Gekreu-
zigten. Umstritten blieb aber seit des Kardinals Borgia Commen-
tarius de cruce Veliterna von 1780 der Zeitpunkt dieser Wand-
10)
lung . Zwischen dem siebenten und dem elften Jahrhundert blieb
11)
keine Zeit ungenannt . Die früheste Ansetzung stammtvon Stock-
12)
bauer ' . Er wies auf eine Wiener Handschrift des Anastasius
Sinaita hin, in der dieser um 600 wirkende Theologe im Kampf ge-
gen den Monophysitismus auf ein Kruzifixbild hinweist, ein sol-
ches in seine Handschrift einfügte und die Abschreiber beschwor,
es genau zu kopieren. Die Zeichnung zeigt nun den mittelbyzanti-
nischen Typ des toten Gekreuzigten (Abb.150). Obwohl diese An-
1 -5 )
sicht von Franz Xaver Kraus mit einem Hinweis auf die wesent-
lich jüngere Entstehungszeit der Wiener Handschrift abgelehnt
worden war, ist sie doch noch mehrfach vertreten worden^ 1^.
Als Grund der Veränderung wurde - neben allgemeinsten theolo-
gischen Überlegungen - der zunehmende "Naturalismus" der byzanti-
nischen Kunst angesehen, eine Ansicht, die sich bis in Rumohrs
"Italienische Forschungen" zurückverfolgen läßt. Rumohr spricht
bei der Beschreibung der Kreuzigungsszene der Florentiner Mosaik-
ikone sogar von dem "widrigen und gemeinen Ansehen" des byzanti-
16)
nischen Kruzifixes J . Rumohrs Begriff der "materiellen Auffas-
sung" diente dann immer wieder als Begründung der Wandlung der
Kruzifixdarstellung^). Er lebt sogar noch nach in Aloys Grill-
merers Buch über den Logos am Kreuz (München 1956), der den toten
Christus am Kreuz den "vorwiegend realistischen Typ" nennt.