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106

mittelbyzantinische Typ des toten Gekreuzigten wird benutzt zur
Darstellung des lebenden Herrn am Kreuz. Der Schurz ist über dem
rechten Oberschenkel gerafft zu einer Tütenfalte, die an die
Schurzdrapierung des Gerokreuzes erinnert. Der Überschlag links
war dort jedoch nicht vorhanden. Vergröbert und mit eingewinkel-

ten Daumen kehrt dieser Typus wieder auf Elfenbeinplatten in Ber-

66)

lin, Paris und New York , mit abgespreizten Daumen und beinahe

ins Profil gewandtem Haupt auf einer Platte, die 1899 im Münche-

ner Kunsthandel war ' , und auf dem Elfenbeinkästchen aus Farfa

in der Bibliothek von S. Paolo fuori le mura in Rom, das 1071/72

68)

in Montecassino entstand Wie stark in Unteritalien die byzan-

tinische Ikonographie gewirkt hat, zeigt auch das untere Feld

69)

einer Kreuzigungstafel in Berlin . Dort ist dargestellt, wie ein
Engel Ecclesia umarmt und ein zweiter Synagoge vertreibt. Dies

ist im Gegensatz zu den abendländischen Darstellungen von Eccle-

70)

sia und Synagoge unter dem Kreuz typisch byzantinisch . In der

unteritalienischen Kunst des zehnten und elften Jahrhunderts ist

71)

mir kein Beispiel des toten Kruzifixus bekannt geworden.'

Zusammenfassung

Wenn dieser Überblick über die Kreuzigungsdarstellungen des
zehnten und elften Jahrhunderts richtig ist, dann läßt sich jetzt
das Gebiet genau eingrenzen, in dem der tote Ghristus am Kreuz
dargestellt wird: Es handelt sich einerseits um das Kaiserreich
(Deutschland, das Maasgebiet, Oberitalien) und andererseits um
England und den engsten Einflußbereich der englischen Kunst an
der französischen Kanalküste (besonders die Normandie). Er kommt
nicht vor im übrigen Frankreich, in Spanien und in Unteritalien.

Ähnlich wie in der deutschen Schatzkunst ist die Kreuzigung das
Thema der Illustration zum Meßkanon. Aber genau wie dort werden
auch in der Kunst außerhalb Deutschlands die Typen des lebenden
und des toten Gekreuzigten ohne erkennbaren Sinnunterschied ne-
beneinander gebraucht. Umso wichtiger ist deshalb, daß in der
Brüsseler Physiologusillustration (Abb.79) di© Verbindung zwi-
 
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