Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
153

kreuzigten wird in weiteren Denkmälern sichtbar. Die einzige er-
haltene Kreuzigungsdarstellung Glunys aus dem späten elften oder
frühen zwölften Jahrhundert, Paris BN nouv.acq.lat.2246 fol.42v
(Abb.84), kopiert ein byzantinisches Vorbild. Stil und Gruppie-
rung (besonders die Maria-Johannes-Gruppe links unter dem Kreuz)
sind ohne Byzanz undenkbar. Unbyzantinisch und neu ist der Pro-
phet Jesaias rechts unter dera Kreuz. Der mittelbyzantinische Kru-
zifixtyp ist kaum verändert. Nur zwei Details unterscheiden ihn
von den byzantinischen Kruzifixdarstellungen des elften Jahrhun-
derts: die geöffneten Augen und die herabsinkenden Pinger. So
wird in Cluny der mittelbyzantinische Typ des toten Gekreuzigten
verwandelt in ein Bild des lebenden Kruzifixus. Auch die Kreuzi-
gungselfenbeine aus der Gruppe um das Antependium von Salerno
(Abb.87) kopieren den mittelbyzantinischen Kruzifixtyp und fügen
die geöffneten Augen ein. Da kaum angenommen werden kann, im
Abendland wären nur mittelbyzantinische Darstellungen des leben-
den Kruzifixus bekannt geworden, muß mit einer bewußten Verände-
rung der byzantinischen Darstellung des toten Gekreuzigten ge-
rechnet werden. Man hat anscheinend im Abendland den mittelbyzan-
tinischen Typ des toten Kruzifixus abgelehnt. Direkte Kopien die-
ses Typs gibt es nur in der lombardischen Buchmalerei (Abb.90,
mit Einschränkungen auch Abb.9l), wobei aber die Datierung der
in Frage kommenden Handschriften ins elfte Jahrhundert durchaus
nicht gesichert ist.

Während es in der mittelbyzantinischen Kunst zyklische Kreuzi-
gungsdarstellungen nicht gibt, wird auf der Reichenau im Codex

Egberti und im Aachener Ottonenevangeliar (Abb.42-45) die Kreuzi-

7)

gung in zwei aufeinanderfolgende Szenen auseinandergelegt . Aus
einer genauen Analyse dieser beiden Zyklen und aus den Echterna-
cher Kreuzigungsbildem (Abb.50-52) ließ siph als Vorbild eine
Miniatur wie die des Rabulascodex (Abb.120) rekonstruieren. Die
Vorlage, die auf der Reichenau und in Echternach verwandt wurde,
war also ein östliches Kreuzigungsbild des sechsten Jahrhunderts,
dessen Mittelpunkt der lebende Gekreuzigte war. Es muß in mehre-
ren Varianten vorgelegen haben, einmal mit den drei Erauen und
Johannes ganz außen, zum anderen mit Maria und Johannes zwischen
 
Annotationen