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dem Theologen anders beantwortet werden, sie ist historisch inadä
quat. Uns geht es um die richtige geistesgeschichtliche Einord-
nung dieses Hauptwerkes der ottonischen Plastik.

Wie wir gesehen haben^ , ist die Stellung des Gerokreuzes
(Abb.l) in der Entwicklung des abendländischen Typus des toten
Gekreuzigten durch zwei Faktoren bestimmt: einmal durch die Wie-
deraufnahme des karolingischen Typs des toten Gekreuzigten, der
im neunten Jahrhundert vor allem in sakramentalen Zusammenhängen
vorkam, und zum anderen durch die Steigerung des Leidensausdruk-
kes, die durch die Übemahme und völlige Einschmelzung byzantini-
scher Formelemente möglich geworden war.

Die Voraussetzung des karolingischen Typs des toten Gekrenzig-
ten ist die Sakramentstheologie des neunten Jahrhunderts, die das
Heil und den Heilswert des Meßopfers in der Realität des Kreuzes-
todes begründet sieht. Die Eucharistielehre des Paschasius Radber
tus hat sich trotz des vielfältigen Widerspruches durchgesetzt.

An seine Ansichten knüpft die Weiterentwicklung der Abendmahlsleh
re im späteren elften Jahrhundert an. Sein Liber de corpore et
sanguine domini wurde auch im zehnten Jahrhundert eifrig studiert
Abt Leofsin von Echternach schenkte eine Handschrift davon an St.
Eucharius in Trier (Trier Stadtbibl.588/154-3) un<ä stellte nach
993 selbst eine Prunkhandschrift dieses Werkes her (Paris BN lat.
89'15)^ 2^' ). Schon durch die Ausstattung dieser Handschrift wird
die große Bedeutung sichtbar, die man der Schrift des Theologen
von Corbie beimaß, da Bibliothekshandschriften nur sehr selten
mit jener Pracht ausgestattet wurden, die eigentlich nur liturgi-

x^n)

schen Handschriften zukanr . Der kontinuierlichen Uberlieferung
der karolingischen Sakramentstheologie entspricht die Übernahme
des karolingischen Typs des toten Gekreuzigten im zehnten und
elften Jahrhundert. Wie die vielfach beobachtete Zugehörigkeit
des Typs zu ausgesprochen eucharistisch gemeinten Darstellungen
zeigte, muß dieser Typ des toten Kruzifixus auch im zehnten und
elften Jahrhundert eucharistischen Sinn gehabt haben.

Gegenüber den kleinformatigen Darstellungen aus karolingischer
Zeit werden in der monumentalen Gestaltung des toten Gekreuzig-
ten, wie sie uns im Gerokreuz entgegentritt, die Züge des Leidens
 
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