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Schmerzen mit all seinen Wunden wird der Frömmigkeit vor Augen ge-
stellt 559\

Mit Tinselms Erlösungslehre und Bernhards Jesusfrömmigkeit ist
theologisch genau formuliert, was man als Gehalt des Gerokreuzes
bezeichnen würde, wenn dies nicht viel früher entstanden wäre.

Bei Anselm und Bernhard haben Dinge endgültig Gestalt gewonnen,
die in Ansätzen und Vorformen bereits in der Eucharistielehre des
neunten Jahrhunderts vorhanden waren, Dinge, die man durch Kruzi-
fixdarstellungen wie das Gerokreuz vorweggenommen glauben möchte.
Die Kontinuität der Christusfrömmigkeit wird so deutlich. Eine
ununterbrochene Entwicklung geht von der eucharistischen Frömmig-
keit des karolingischen Zeitalters aus, die dann bei Anselm und
Bernhard in christologisch, soteriologisch und mystisch formu-
lierten und durchdachten Sätzen ihren Abschluß findet^ y. In der
Kruzifixikonographie ist die Wichtigkeit, die man gerade dem Tod
des Gekreuzigten beimaß, kontinuierlicher zu verfolgen, als in
der Schrifttheologie, die zwischen dem neunten Jahrhundert und
der Mitte des elften beinahe ganz aussetzt. So wird bei einer
ikonographischen Untersuchung deutlich, wie zwei der Hauptlei-
stungen der Epoche der Frühscholastik frömmigkeitsgeschichtlich
einige Voraussetzungen oder Vorformen in der Entwicklung der
eucharistischen Frömmigkeit vom neunten Jahrhundert an haben, die
zumindest teilweise bzw. in steigendem Maße Kruzifixfrömmigkeit
ist.

Doch ist diesGhristusbild keineswegs schon herrschend gewor-
den. Vom neunten bis elften Jahrhundert war stets das Nebenein-
ander des Triumphators am Kreuz und des im Tode Zusammengebroche-
nen (mit allen Zwischenformen) zu beobachten gewesen. Im Bereich

der Gebetsfrömmigkeit zeigten einige Gebete des Petrus Damiani

541)

dies Phänomen besonders deutliclr . Das Kreuz als Triumphzei-
chen und der Gekreuzigte als Sieger sind von Rupert von Deutz
(ca. 1070-1123) immer wieder betont worden^^. So hat die romani-
sche Kunst auch vor allem wieder den Sieg über den Tod am Kreuz
und den gekreuzigten Christkönig dargestellt.

Ein Umschwung bahnt sich mit der Entstehung der gotischen Kru-
zifixtypen an. Die Versenkung der frommen Seele in die Leiden
 
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