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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1897 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25133#0057
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Akademische Mitteildngen

FÜR DIE

STUDIBRENDBN DER RUPRECHT-KARLS- UNIYERSITÄT HEIDELBERG.

herausgegeben yon j. hörning, universitäts-buchdruckerei

Feenspeecher 119 HEIDELBERG Hauptsteasse 55 a.

Erscheint wöchentlich und wird unentgeltlich und frei allen Studierenden, Professoren und Alten Herren zugestellt.

Sommer-Halbjahr 1897.

Nr. 13.

Samstag, 24. Juli 1897.

Zum 74. Geburtstage


Ein Mann steht sinnend auf dev Burg Terrasse,

Sein Haupt deckt Schnee, doch Jugend strahlt seiil Blick;
Bald sieht er nieder auf die Häusermasse,

Bald sinkt er tiefer in sich selbst zurück,

In blaue Ferne schweift sein Aug hinüber,

Ein halb Jahrhundert zieht an ilim vorüber.

Er denkt zurück, wie er vor vielen Jahren,

Ein Jüngling, auf der Burgruine stand,

Yor ihm die Stadt mit ihren lauten Scharen,

Und weit gehreitet bliih’ndes Rheingauland.

So stand er, wie gebannt in tiefen Träumen —

Da regt’ sich’s nah in grünen Waldesräumen.

Zwei hehre Geister stiegen aus der Tiefe,

Doch dicht in grauen Nebelflor gehüllt;

Da ist’s, als ob es drängend in ihm riefe:

Zerreiss den Schleier vor dem Götterbild!

Er hebt den Arm, es fall’n des Dunkels Falten
Von Goethes, Kantens herrlichen Gestalten.

Es ist des Genius Ruf in heller Stunde,

Der die Entschlüsse grosser Geister lenkt —

Frisch vorwärts! ruft er, scheu nicht Kampf und Wunde,
AAenn auch der Aktenmännlein Spotten kränkt,

Nur einmal stechen solcherlei Insekten,

Trotz Moderstaub — ins Städtchen der Pandekten!

J, Er hat’s gewagt, und herrlich sollt’s gelingen.
Gewaltig strömt der Wissbegier’gen Schar. —

Doch blieb der Kampf nicht aus, auch er musst’ ringen,
Wie’s keinem noch erspart geblieben war.

Vom Lehrstuhl wird er schonungslos gestossen,

Der Hörsaal ihm, dem Würdigsten, verschlossen.

Doch heisser Kampf, er wich dem schönern Siege.
Wie früh die Sonne hell aus Wolken bricht,

Verscheucht er bald den Nebel neid’scher Lüge
Und schöner glänzt als je sein stolzes Licht.

Der Lehrpult prangt in frischer Blumen Pracht:

,Vor mir der Tag, und hinter mir die Nacht!“ . . .

Der Greis sinnt lang und blickt gerührt hernieder,
Wo Abendrot die Stadt mit Purpur malt; —

Am frohen Tage kehrtest du uns wieder,

| Seitdem hat Tag dein Leben hell umstrahlt,

I Durch Schrift und AVort, in grosser Männer Nähe,

|l Erklommst du bald des Ruhmes heitre Höhe.

Nun stehst du hoch auf dem Parnasse oben,

In Deutschlands Dreistern schönstes, hellstes Liclit
! Mit Bernays, Grimm zu edlem Bund verwoben,

■ Als hoher Weisheit höchstes Schiedsgericht.

I Und das ist’s, was wir glühend wünschen, hoffen:
f Lang leb’ der grösste unsrer Philosophen!

Mögst lange noch in unsrer Mitte schalten,
Mit Feuerwort die Hörerschaft erfreu’n,

Mögst lange noch, ein edler Gärtner, walten,
Des Wissens Samen in die Herzen streu’n,

Und dröhn’ noch lang, wie heut und oft zuvor,
Begeistrungsjubel zum Gewölb empor!

Heidelberg, 23. VII. 1897.


Konrad Felseck.
 
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