Nr. 13
Heidelbebgeb Akademische Mitxeilhngen
1897
der socialökonomischen Yereinigung dafvir abstattete, dass sie
die Sympathien für den neuen Yerband, die sie durch an-
erkennende Worte schon vor diesem Tage kundgegeben hatten,
nunmehr durch die Tlvat, d. h. durch ihre Gegenwart beim
ersten offiziellen Hervortreten hekräftigten. Er wünschte, dass
der Willkommgruss, den er allen Anwesenden entgegenzu-
bringen die Ehre habe, fernerhin recht oft in erster Linie
den in Mitte des Vereins erscheinenden Dozenten gelte, auf
dass die socialökonomische Vereinigung ihren Mitgliedern und
Gästen nicht allein eine Pflege des socialökonomischen Wissens,
sondern auch eine Vermehrung der Gelegenlieiten biete, in
welchen alten Traditionen gemäss Professoren und Studenten
in ungezwungener Unterhaltung einander menschlich näher
zu treten vermöchten. Der Umstand, dass Vertreter aller
Fakultäten zugegen seien, sei nicht erstaunlich, denn die
Socialökonomie erstrecke sich auf alle Wissenschaften, auf
das gesamte menschliche Leben. Das Menschenleben aber
bilde, wie der Mensch selbst, ein unteilbares Ganzes, und
seine wirtschaftliche Thätigkeit lasse sicli noch schwerer als
eine andere von den übrigen ablösen, mit denen sie verbun-
den sei, ja aus denen sie bestehe. Sei jedoch jeder Einzelne,
welche berufliche Thätigkeit er auch ausübe, so sehr das
Produkt ökonomischer Verhältnisse, und mit dem Wirtschafts-
leben der Nation und der Welt so sehr verbunden, dass es
jedem angezeigt erscheinen müsse, diesen Zusammenhang ver-
stehen zu lernen. Anlagen,- Sitten, Neigungen, Charaktere
seien die Prämissen der Empfindungen der menschlichen Be-
dürfnisse, und so auch derjenigen, mit denen sich die Social-
ökonomie beschäftige, welche zu ihrer Befriedigung äussere
materielle Mittel erfordern. Demgemäss habe sich der Social-
ökonom auch mit psychologischen, ethnologischen und anthro-
pologischen Studien zu beschäftigen. Physik und Chemie
wiederum dürfe er nicht vernachlässigen, wenn er sich mit den
Aufgaben der praktischen Socialökonomie, insbesondere der
Gewerbe- und Agrarpolitik beschäftigen will. Mit der Kechts-
wissenschaft aber sei die Wissenschaft von der Volkswirt-
schaft aufs innigste verknüpft, infolge des grossen Einflusses,
den der Staat auf das wirtschaftliche Leben durch seine
Gesetze über das Eigentum, über die Arbeiterverhältnisse,
das Miinz-, Bank- und Börsenwesen, iiber den Verkehr mit
Lebensmitteln, das Zollwesen etc. ausübe. Betrachte somit
die Socialökonomie die Phänomene des gesamten Wirtschafts-
lebens, erklärend und beurteilend, so sei es einleuchtend, dass
der Vereinigung, die diese Wissenschaft in selbstverständlich
bescheidenen Grenzen zu pflegen beabsichtige, jeder akade-
mische Bürger, der sie dabei unterstützen könne und wolle, als
Mitarbeiter erwünscht und willkommen sei. Wenn die Ver-
einigung zum Zwecke einer prägnanteren Bezeichnung ihres
Wirkungsgebiets den Namen socialökonomische, nicht national-
ökonomische Vereinigung gewählt habe, so werden ihre Ver-
treter trotzdem das nationale Element nie vergessen, und nie
vergessen, was sie ihrem engern und weitern Vaterland
schuldig seien. „Vor allem aber“, so schloss der Vorsitzende,
„werden wir uns stets bewusst sein, dass wir als einen der
verehrungswürdigsten und edelsten Fürsten Denjenigen zu
betrachten haben, der zugleich das erhabene Oberhaupt des
gesegneten badischen Landes und magnificentissimus Kektor
unserer Hochschule ist. Diese tiefe Verehrung, meine Herren,
bitte ich Sie nach alter Sitte kund zu geben: Unser viel-
geliebter Kector magnificentissimus, Se. Königliche Hoheit
der Grossherzog Friedrich, er lebe hoch!“
In jubelnder Begeisterung stimmte die Versammlung in
das dreimalige Hoch ein.
Hierauf ergriff seine Magnificenz der Prorektor Herr
Geh. Hofrat Prof. Dr. Georg Meyer das Wort, um in knappen,
aber trefflichen Worten zugleich im Namen der übrigen an-
wesenden Dozenten seinem Dank für die Ansprache Ausdruck
zu geben: Der seitens des Vorsitzenden erörterten Absicht
der Vereinigung, einen engen Verkehr zwischen Dozenten und
Studentenschaft herbeizuführen, sagt der Redner seine Unter-
stützung zu. Die socialen, wirtschaftlichen und politischen
Fragen, so führte S. Magnificenz aus, dürften nicht auf die
Thätigkeit der Studierenden der Rechts- und Staatswissen-
schaften beschränkt bleiben, sondern müssten ebenso wie Ge-
schichte und Philosophie Gegenstand des Interesses aller
Fakultäten werden. Die Konstituierung der Socialökonomi-
schen Vereinigung sei deshalb mit Freuden zu begrüssen,
zumal dieselbe durch Ausschluss des korporativen Charakters
und durch die Bestimmung der Beobachtung unbedingter
Neutralität auf kirchlichem und politischem Gebiete aka-
demischen Bürgern jeder Richtung Gelegenheit gäbe, der
Vereinigung beizutreten. Es werde der Hochschule zu Ehre
und Nutzen gereichen, wenn die Vereinigung dem geschilder-
ten Programme treu bleibe. Zum Schlusse brachte S. Mag-
nificenz der Vereinigung ein herzliches Vivat.
Sodann folgte der Vortrag des Ilerrn cand. cam. Gold-
schmidt. Wie giosses Interesse sein Thema, „die Sachsen-
gängerei“, auf dessen Inhalt hier unmöglich ist, näher einzu-
gehen, hervorzurufen wusste, erhellt aus der lebhaften Dis-
kussion an welcher sämmtliche anwesenden Herren Dozenten
und eine grosse Anzahl Studierender teilnahmen, und die
sich bis gegen Mitternacht ausdehnte. Als hierauf der Vor-
sitzende die Beendigung der Debatte konstatiert hatte, ver-
kündete er die Tagesordnung für die nächste Sitzung (Diens-
tag, den 27. Juli, abends 8 c. t. im Bremeneck), welche in
einem Vortrag des Herrn Prof. Dr. Weber: „Die sociale
Funktion der ländlichen Verschuldung“ besteht. Als hiemit
die ordentliche Sitzung beendet war, schloss sich entsprechend
dem Wunsche des Vorsitzenden, dass nachdem dem wissen-
schaftlichen Hunger, mit welchem sich die Versammlung
hier eingefunden habe, in geradezu lukullischer Weise Kech-
nung getragen sei, der Durst nach Gemütlichkeit und Fide-
lität im inofficiellen Teile gleichfalls seine Befriedigung finden
rnöge, noch eine urgemütliche Stunde an.
Nach dem glänzenden Verlaufe, den die erste öffent-
liche Versammlung der Vereinigung genommen hat, darf
man wohl die Erwartung hegen, dass das Vivat, welches
S. Magnificenz der socialwissenschaftlichen Vereinigung ent-
gegen gerufen hat, seine Bestätigung finden wird. Ii. B.
Yon aiideren Hoclischulen.
Berlin. Am 16. Juli starb in Wilhelmshöhe Professor
Levin Goldschmidt. Der Verstorbene war einer der gründ-
lichsten Kenner des Handelsrechts und einer der bedeutend-
sten Mitarbeiter beim Ausbau unserer Handelsgesetzgebung.
— 1829 in Danzig geboren, habilitierte er sich 1855 in
Heidelberg, wo er 1860 eine ausserordentliche, 1865 eine
ordentliche Professur erhielt. Nach Errichtung des Bundes-
Oberhandelsgerichts in Leipzig.wurde er zum Kate bei dieser
höchsten deutschen Handelsgerichtsbehörde ernannt, später in
die 1874 eingesetzte Reichskommision für Begutachtung von
Plan und Methode eines Bürgerlichen Gesetzbuches berufen,
als Autorität auch auf dem Gebiete des internationalen Rechts
1873 namens des Deutschen Kaisers in das Schiedsgericht
für die zwischen England und den Vereinigten Staaten schwe-
bende San Juan-Frage entsandt. Dem Lehrkörper der Ber-
liner Universität gehörte Goldschmidt seit dem Jahre 1875
als erster ordentlicher Professor für Handelsrecht an. Von
1875—1877 war er Mitglied des Deutschen Reichstages.
Bern. Der Privatdozent für klassischo Philologie Dr.
Albert Jahn (geb. 1811), welcher seit dem Jahre 1834 als
Dozent in der philosophischen Fakultät der hiesigen Hoch-
schule wirkt, ist zum Honorarprofessor ernannt worden wegen
„seiner grossen im In- und Auslande anerkannten Verdienste
um die Wissenschaft“. — Zum Rektor der Hochschule für
1897/98 wurde Professor Dr. iur. Lothmar ernannt.
Heidelbebgeb Akademische Mitxeilhngen
1897
der socialökonomischen Yereinigung dafvir abstattete, dass sie
die Sympathien für den neuen Yerband, die sie durch an-
erkennende Worte schon vor diesem Tage kundgegeben hatten,
nunmehr durch die Tlvat, d. h. durch ihre Gegenwart beim
ersten offiziellen Hervortreten hekräftigten. Er wünschte, dass
der Willkommgruss, den er allen Anwesenden entgegenzu-
bringen die Ehre habe, fernerhin recht oft in erster Linie
den in Mitte des Vereins erscheinenden Dozenten gelte, auf
dass die socialökonomische Vereinigung ihren Mitgliedern und
Gästen nicht allein eine Pflege des socialökonomischen Wissens,
sondern auch eine Vermehrung der Gelegenlieiten biete, in
welchen alten Traditionen gemäss Professoren und Studenten
in ungezwungener Unterhaltung einander menschlich näher
zu treten vermöchten. Der Umstand, dass Vertreter aller
Fakultäten zugegen seien, sei nicht erstaunlich, denn die
Socialökonomie erstrecke sich auf alle Wissenschaften, auf
das gesamte menschliche Leben. Das Menschenleben aber
bilde, wie der Mensch selbst, ein unteilbares Ganzes, und
seine wirtschaftliche Thätigkeit lasse sicli noch schwerer als
eine andere von den übrigen ablösen, mit denen sie verbun-
den sei, ja aus denen sie bestehe. Sei jedoch jeder Einzelne,
welche berufliche Thätigkeit er auch ausübe, so sehr das
Produkt ökonomischer Verhältnisse, und mit dem Wirtschafts-
leben der Nation und der Welt so sehr verbunden, dass es
jedem angezeigt erscheinen müsse, diesen Zusammenhang ver-
stehen zu lernen. Anlagen,- Sitten, Neigungen, Charaktere
seien die Prämissen der Empfindungen der menschlichen Be-
dürfnisse, und so auch derjenigen, mit denen sich die Social-
ökonomie beschäftige, welche zu ihrer Befriedigung äussere
materielle Mittel erfordern. Demgemäss habe sich der Social-
ökonom auch mit psychologischen, ethnologischen und anthro-
pologischen Studien zu beschäftigen. Physik und Chemie
wiederum dürfe er nicht vernachlässigen, wenn er sich mit den
Aufgaben der praktischen Socialökonomie, insbesondere der
Gewerbe- und Agrarpolitik beschäftigen will. Mit der Kechts-
wissenschaft aber sei die Wissenschaft von der Volkswirt-
schaft aufs innigste verknüpft, infolge des grossen Einflusses,
den der Staat auf das wirtschaftliche Leben durch seine
Gesetze über das Eigentum, über die Arbeiterverhältnisse,
das Miinz-, Bank- und Börsenwesen, iiber den Verkehr mit
Lebensmitteln, das Zollwesen etc. ausübe. Betrachte somit
die Socialökonomie die Phänomene des gesamten Wirtschafts-
lebens, erklärend und beurteilend, so sei es einleuchtend, dass
der Vereinigung, die diese Wissenschaft in selbstverständlich
bescheidenen Grenzen zu pflegen beabsichtige, jeder akade-
mische Bürger, der sie dabei unterstützen könne und wolle, als
Mitarbeiter erwünscht und willkommen sei. Wenn die Ver-
einigung zum Zwecke einer prägnanteren Bezeichnung ihres
Wirkungsgebiets den Namen socialökonomische, nicht national-
ökonomische Vereinigung gewählt habe, so werden ihre Ver-
treter trotzdem das nationale Element nie vergessen, und nie
vergessen, was sie ihrem engern und weitern Vaterland
schuldig seien. „Vor allem aber“, so schloss der Vorsitzende,
„werden wir uns stets bewusst sein, dass wir als einen der
verehrungswürdigsten und edelsten Fürsten Denjenigen zu
betrachten haben, der zugleich das erhabene Oberhaupt des
gesegneten badischen Landes und magnificentissimus Kektor
unserer Hochschule ist. Diese tiefe Verehrung, meine Herren,
bitte ich Sie nach alter Sitte kund zu geben: Unser viel-
geliebter Kector magnificentissimus, Se. Königliche Hoheit
der Grossherzog Friedrich, er lebe hoch!“
In jubelnder Begeisterung stimmte die Versammlung in
das dreimalige Hoch ein.
Hierauf ergriff seine Magnificenz der Prorektor Herr
Geh. Hofrat Prof. Dr. Georg Meyer das Wort, um in knappen,
aber trefflichen Worten zugleich im Namen der übrigen an-
wesenden Dozenten seinem Dank für die Ansprache Ausdruck
zu geben: Der seitens des Vorsitzenden erörterten Absicht
der Vereinigung, einen engen Verkehr zwischen Dozenten und
Studentenschaft herbeizuführen, sagt der Redner seine Unter-
stützung zu. Die socialen, wirtschaftlichen und politischen
Fragen, so führte S. Magnificenz aus, dürften nicht auf die
Thätigkeit der Studierenden der Rechts- und Staatswissen-
schaften beschränkt bleiben, sondern müssten ebenso wie Ge-
schichte und Philosophie Gegenstand des Interesses aller
Fakultäten werden. Die Konstituierung der Socialökonomi-
schen Vereinigung sei deshalb mit Freuden zu begrüssen,
zumal dieselbe durch Ausschluss des korporativen Charakters
und durch die Bestimmung der Beobachtung unbedingter
Neutralität auf kirchlichem und politischem Gebiete aka-
demischen Bürgern jeder Richtung Gelegenheit gäbe, der
Vereinigung beizutreten. Es werde der Hochschule zu Ehre
und Nutzen gereichen, wenn die Vereinigung dem geschilder-
ten Programme treu bleibe. Zum Schlusse brachte S. Mag-
nificenz der Vereinigung ein herzliches Vivat.
Sodann folgte der Vortrag des Ilerrn cand. cam. Gold-
schmidt. Wie giosses Interesse sein Thema, „die Sachsen-
gängerei“, auf dessen Inhalt hier unmöglich ist, näher einzu-
gehen, hervorzurufen wusste, erhellt aus der lebhaften Dis-
kussion an welcher sämmtliche anwesenden Herren Dozenten
und eine grosse Anzahl Studierender teilnahmen, und die
sich bis gegen Mitternacht ausdehnte. Als hierauf der Vor-
sitzende die Beendigung der Debatte konstatiert hatte, ver-
kündete er die Tagesordnung für die nächste Sitzung (Diens-
tag, den 27. Juli, abends 8 c. t. im Bremeneck), welche in
einem Vortrag des Herrn Prof. Dr. Weber: „Die sociale
Funktion der ländlichen Verschuldung“ besteht. Als hiemit
die ordentliche Sitzung beendet war, schloss sich entsprechend
dem Wunsche des Vorsitzenden, dass nachdem dem wissen-
schaftlichen Hunger, mit welchem sich die Versammlung
hier eingefunden habe, in geradezu lukullischer Weise Kech-
nung getragen sei, der Durst nach Gemütlichkeit und Fide-
lität im inofficiellen Teile gleichfalls seine Befriedigung finden
rnöge, noch eine urgemütliche Stunde an.
Nach dem glänzenden Verlaufe, den die erste öffent-
liche Versammlung der Vereinigung genommen hat, darf
man wohl die Erwartung hegen, dass das Vivat, welches
S. Magnificenz der socialwissenschaftlichen Vereinigung ent-
gegen gerufen hat, seine Bestätigung finden wird. Ii. B.
Yon aiideren Hoclischulen.
Berlin. Am 16. Juli starb in Wilhelmshöhe Professor
Levin Goldschmidt. Der Verstorbene war einer der gründ-
lichsten Kenner des Handelsrechts und einer der bedeutend-
sten Mitarbeiter beim Ausbau unserer Handelsgesetzgebung.
— 1829 in Danzig geboren, habilitierte er sich 1855 in
Heidelberg, wo er 1860 eine ausserordentliche, 1865 eine
ordentliche Professur erhielt. Nach Errichtung des Bundes-
Oberhandelsgerichts in Leipzig.wurde er zum Kate bei dieser
höchsten deutschen Handelsgerichtsbehörde ernannt, später in
die 1874 eingesetzte Reichskommision für Begutachtung von
Plan und Methode eines Bürgerlichen Gesetzbuches berufen,
als Autorität auch auf dem Gebiete des internationalen Rechts
1873 namens des Deutschen Kaisers in das Schiedsgericht
für die zwischen England und den Vereinigten Staaten schwe-
bende San Juan-Frage entsandt. Dem Lehrkörper der Ber-
liner Universität gehörte Goldschmidt seit dem Jahre 1875
als erster ordentlicher Professor für Handelsrecht an. Von
1875—1877 war er Mitglied des Deutschen Reichstages.
Bern. Der Privatdozent für klassischo Philologie Dr.
Albert Jahn (geb. 1811), welcher seit dem Jahre 1834 als
Dozent in der philosophischen Fakultät der hiesigen Hoch-
schule wirkt, ist zum Honorarprofessor ernannt worden wegen
„seiner grossen im In- und Auslande anerkannten Verdienste
um die Wissenschaft“. — Zum Rektor der Hochschule für
1897/98 wurde Professor Dr. iur. Lothmar ernannt.