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Universität Heidelberg [Editor]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1905 — 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.74187#0008

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1905

Heidelberger Akademische Mitteilungen

Nr. 1

Freie Studentenschaft.
(Unter eigener Schriftleitung.)
Flugblatt
der
Freien Studentenschaft zu Heidelberg.

Soziale Zwecke der Freien Studentenschaft.
Die vornehmste, aber so selten verstandene Pflicht des deutschen Studenten ist es, sich für
die Aufgabe vorzubereiten, in die Zahl der Leiter und Lenicer unseres Vollces einzutreten. Die Schule
weckt das Bewusstsein dieser Pflicht nur selten, und auch der Studiengang der meisten Fachwissen-
schaften vernachlässigt es, Verständnis für das Wesen unseres Volkes, für die Bedürfnisse und die
Psychologie der Masse zu erwecken. So erklärt sich die Tatsache, dass unsere jungen Beamten dem
Volke oft gegenüberstehen, als seien sie Fremde aus einer anderen Welt der Gedanken und Auf-
fassung, und nur selten fühlen sie das Bedürfnis, die Kluft durch ernste eigene Arbeit auszufüllen.
Da ist es nun natürlich, wenn sich in Deutschland zwischen Regierenden und Regierten, Besitzenden
und Mittellosen eine Entfremdung herausgebildet hat, die zu einer nationalen Gefahr geworden ist.
Hier will die Freie Studentenschaft helfend eintreten. Durch Vorträge, Diskussionen, Beteiligung an
Versammlungen, Besichtigung von Schulen, Fabriken, Arbeiterwohnungen, Gefängnissen u. s. w.
suchen wir den jungen Studenten in das Volksleben einzuführen und in ihm das Verständnis für
die Interessen der Gesamtheit zu erwecken.
Unsere Abteilungen zerfallen in die sozial-wissenschaftliche, naturwissenschaft-
liche, literarisch-dramatische, ferner in die Spiel-, Reit-, Fechtabteilung und Abteilung für Wanderungen.
Sie sollen das gesellige Leben fördern, für eine allgemeine Ausbildung Sorge tragen und auch dahin
wirken, dass die von deutschen Studenten so oft vernachlässigte körperliche Ausbildung zu ihrem
liechte komme. Die häufigen Vorträge mit nachfolgender Diskussion bieten reichliche Gelegenheit,
das freie Wort zu üben und Ueberzeugungen zu öffentlicher Aussprache zu bringen.
Unser Arbeitsamt und Büeheramt soll den Kommilitonen den Nachweis
lohnender Beschäftigung und den Ankauf billiger Bücher und wissenschaftlicher Apparate vermitteln.
Unser Geschäftszimmer (Auditorium Nr. 12, Universitätsgebäude, Ludwigs-
platz) ist täglich zu bestimmten Stunden geöffnet, die in einem Anschlage am schwarzen Brett näher
bezeichnet sind. Kommilitonen, welche mit den Verhältnissen des Ortes gut vertraut sind, erteilen
dort nach besten Kräften Rat und Auskunft.
Studentenherbergen haben wir durch besondere Verträge im Hotel Heidelberger
Hof, Wredeplatz, wie im Badischen Hof, Hauptstrasse, eingerichtet. Kommilitonen finden dort ein
gutes Quartier zum Preise von 2 Mark pro Tag (Zimmer und Frühstück).
Alle Kommilitonen sind freundlichst eingeladen, an unseren Veranstaltungen teil-
zunehmen. Wir richten diese Einladung namentlich an diejenigen, welche zum erstenmale nach
Heidelberg kommen und Anschluss suchen. Wir wollen ausgleichend und aussöhnend wirken und
sind bestrebt, innerhalb der Studentenschaft bestehende Gegensätze zu überbrücken.
 
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