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1896/97

Heidelbebgeb Aicademische Mitteilungen

Nr. 6

Hochsclmlnaclirichten.

— Bei der juristisclien Fakuliiit habilitierte sich Herr
Dr. Kudolf His. Die am Freitag, den 27. d. M. gehaltene
Probevorlesung hatte zum Gegenstand: „Die Entwickelung
der Bürgschaft im deutschen Kecht.“

— Die Anzalil der Studierenden im Winterhalbjahr
1896/97 beträgt nunmehr:


Badener

Nichtbadener Zusammen

In der theologischen Fakultät

40

7

47

„ „ juristischen „

161

179

340

„ „ medicinischen „

55

125

180

„ „ philosophischen „

85

80

165

„ ., naturwissensch.-math. „

57

212

269

Summe

398

603

1001

Ausserdem sind zum Besuch der

A'orlesungen noch berechtigt: Per-

sonen reiferen Alters

61

53

114

Gesamtzahl

459

656

1115

Im Winter-Semester 1895/96 stu-

dierten liier.

464

715

1179

mithin Verminderung , . . .

5

59

64

Von den neu angekommenen

Studierenden sind inskribiert:

In der theologischen Fakultät

16

5

21

„ „ juristischen „

62

71

133

„ „ medicinischen „

17

37

54

„ „ philosopliischen „

32

33

65

„ „ naturwissensch.-matb. „

20

76

96

Summe

147

222

369

Die Feier des Geburtstages des Wiederherstellers
der Universität

des

Höchstscligcn Grosslierzogs Karl Friedrich

und der Stiftungstag der Universität

am Sl.November 1896.

Wie alljährlich, so wurde auch im November dieses
Jahres der Stiftungstag der hiesigen Universität und der
Geburtstag ihres Wiederherstellers Grossherzogs Karl Fried-
ricli festlich begangen.

Am 21. ds. vormittags 11 Uhr fanden sich in der Uni-
versitätsaula zahlreiche Angehörige und Freunde der Uni-
versität ein. Eingeleitet wurde die Feier mit dem Huldi-
gungsmarsch aus E. Grieg’s „Sigurd Jorsalfar“, unter dessen
Klängen die Ehrengäste, Professoren und die Chargierten der
studentischen Korporationen ihre Plätze einnahmen.

Dann betrat Seine Magnificenz der Prorektor, Kirchenrat
Prof. Dr. Bassermann die Kednerbühne, um nach einigen ein-
führenden Worten über die theologische Wissenschaft an der
hiesigen Universität das Werden der praktischen Theologie
und ihre Berechtigung als selbständige wissenschaftliche
Disciplin darzulegen. Unter Anderem ftthrte der Kedner fol-
gendes aus:

Als die Grundstämme theologischer Arbeit yon ihrer
ersten Zeit im dritten Jahrhundert an ergaben sich die exe-
getische und die systematische oder spekulative Theologie,
neben denen die historische Forschung wenig, die praktische
gar nicht betrieben wurde. Bald erkannte man, dass in diesen
beiden Disciplinen gewisse Gebiete unbearbeitet blieben, dar-
unter das für die alte Kirche wichtigste, der Kultus. Seine
Erforschung war eine „Erkenntnisarbeit an einem Stücke des
thatsächlichen Lebens der Kirche“, eiue Arbeit, die aller-
dings von Exegese und Spekulation wesentlich unterstützt

werden konnte. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Schrift
von Dionysius Areopagita „de ecclesiastica hierarchia“ zu
betrachten. Jeder kleinste Bestandteil des Gottesdienstes ge-
ivinnt dann einen speziell symbolischen Sinn in der „Mysta-
gogia“ des Maximus Confessor. Anders die nüchternen Abend-
länder Isidor von Sevilla und Rabanus Maurus, die, allerdings
mit wenig Erfolg, nicht nur den Ursprung der kultischen
Stücke, sondern alles, was damit zusammenhängt, erforschen
wollen.

Die Gefahren und Schwierigkeiten, die der Theologie bei
ihrem Hinaustreten aus dem geheiligten Gotteshaus in die
Welt begegnen, hat Gregor der Grosse in seinem „Liber
pastoralis curae“ dadurch zu bannen gesucht, dass er für
diese Art der theologischen Thätigkeit eine Anleitung gab.
Für das Katechetische kam diese Anleitung erst mit Cyrill von
Jerusalem (f 386) und vor allem mit Augustin in seinem
Werke „De catechizandis rudibus“. Augustin war auch der
erste, der das Gebiet der Predigt theoretisch behandelte in
seinem Werke „dß doctrina christiana“. Inmitten eines ganzen
Systems weltlicher Bildung, die vom Priester gefordert wird,
tritt hier zum ersten Mal die Khetorik auf.

Weiter noch in ihren Ansprüchen an die Bildung des
Priesters gehen Gregor von Nazianz und Johannes Chrysos-
tomus. Es ist ein überaus hohes Ideal, das die beiden ent-
werfen; dessen ist sich auch Chrysostomus völlig bewusst,
wenn er sagt: nur eine „edle Seele“ kann ihm entsprechen,
oder: „stärkere Stürme, als die das Meer aufregen, durch-
wogen die Seele des Priesters.“

Ist das Alles nun auch noch keine praktische Theologie,
so sind es doch Bausteine dazu. Das Mittelalter fügte sie
noch nicht zusammen. Der erste, der der praktischen Theo-
logie einen Platz anwies, war Andreas Hyperius, gestorben
1564 als Professor in Marburg. Er fügte zur biblischen
Exegese und kirchlichen Dogmatik als dritte Disciplin die-
jenige, die sicli auf die Administratio ecclesiae und auf die
kirchliche jrpaSete bezog, sie sollte die praktisch-kirchlicbe
Vergangenheit in den Dienst der Gegenwart stellen, um sie
zum Heile der Zukunft fruchtbar zu maehen.

Die Jahrhunderte nach Hyperius brachten eher Kück-
gang als Fortschritt in der Entwickelung dieser Disciplin,
bis endlich Schleiermacher die definitive Eingliederung der
praktischen Theologie in die Gesamt-Theologie vollzog. Er
nannte sie die Krone der Theologie und gab ihr eine Eliren-
stellung, welche sie zu neuer eifriger Arbeit verpfliclitete.
Und die Arbeit war nicht umsonst: Heute trägt die prak-
tisclie Theologie das Bewusstsein einer selbständigen wissen-
schaftlichen Disciplin in sich.

Um nachzuweisen, dass sie dazu ein Recht hat, folgt
nun ein Einblick in ihr Wesen und ihren Betrieb. Wenn
die praktische Theologie das Ganze des in der Gegenwart
pulsierenden kirchlichen Lebens zum Gegenstand hat, so ist
sie mehr als eine blosse Technik. Dem Geistlichen, als sol-
chem sind ja kirchliche Verfassung, Verwaltung und Politik
nicht notwendig und doch gehören sie zum kirchlichen Leben
der Gegenwart. Die praktische Tlieologie bewährt sich da-
durch als die Krone der Theologie, dass sie die Erträgnisse
der Exegese und Systematik aufnimmt und sie, zu einem
Gesamtbilde des heutigen kirchlichen Lebens vereinigt, dieses
zum Verständnis bringt und damit ihre wissenscbaftliche Auf-
gabe erfüllt. Wenn nun auch so die praktische Theologie
mit dem Material der übrigen theologischen Disciplinen für
ihren besonderen Zweck arbeitet, so hat sie ihre Berechtigung
daruin doch, denn keine der anderen Disciplinen nimmt mehr
Rücksicht auf die kirchliche Praxis. Darauf ist auch der
kirchlich-zersetzende Einfluss der heutigen Theologie zurückzu-
führen und man darf der praktischen Theologie, die es sich zur
Aufgabe gemacht hat, die ganze übrige Theologie der kirchlichen
Praxis zu nähern, die wissenschaftliche Unterlage nicht ent-
ziehen. Die Arbeit des Theologen ist historiscli. Doch über
 
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