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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1896/97 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25132#0066
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1896/97

Heidelbekger Akademische Mitteilungen

Nr. 15

sitzende (Becker, Wingolf) den erschienenen Gästen, Seiner
Magnificenz dem Prorektor und den andern anwesenden Mit-
gliedern des Lehrkörpers, den Vertretern desStaats, desHeeres,
der Stadt, den freudigen Willkommgruss der Studentenschaft
und gedachte der hohen Bedeutung des Abends, den grossen
Kaiser der Deutschen zu feiern; zu Beginn der Feier gezieme
es sich aber, des regierenden Kaisers und des Grossberzogs
sich zu erinnern und den Ausdruck der Treue und Ergeben-
heit ihnen darzubringen. So ward denn ein urkräftiger, don-
nernder Salamander gerieben und darnach das Lied: „Heil
dir im Siegeskranz“ angestimmt.

Hierauf erhob sich Herr Professor Schäfer zu seiner
Pestrede: „Die heutige Feier sei eine seltene, ja einzig und
beispiellos in unserer Geschichte dastehende, Grund und Ur-
sache derselben sei die Ehrung Wilhelms I. als des Begrün-
ders unseres Beiches, als des Mannes, unter dessen Führung
die verloren gegangene Einheit wiedergewonnen worden sei.
Was das bedeute, zeige uns ein Rückblick auf die inner-
wirtschaftliche wie äussere Lage des Vaterlands in den Zeiten
des norddeutschen Bundes. Erst mit dem neuerstandenen
Reich sei eine Heimstätte für friedliche Arbeit und Schutz
nach innen und aussen gegeben worden. Äher noch mehr
verdankten wir dem Begründer unseres Reiches, nämlich dies,
dass er das Reich so gestaltete und leitete, dass sein Be-
stand für lange Zeiten sicher gestellt sei: Es habe Einheit
und Freiheit miteinander errungen wrnrden müssen, die natio-
nale Einheit sei nicht möglich gewesen ohne ein parlamen-
tarisches Leben. Und dieses habe Kaiser Wilhelm seinem
Volke begründet; er sei ein entschiedener, überzeugter An-
hänger des Königtums von Gottes Gnaden gewesen, Gegner
jeder Schmälerung der Rechte der Krone, aber er habe doch
das Opfer gebracht und sich alsdann als ein Mann strengen
Pflichtgefühls und loyaler Gesinnung nach Bewüligung der
Verfassung auch auf den Boden derselben gestellt und allen
Versuchungen zur Wiederherstellung der alten Monarchie
kraftvoll widerstanden; denn er habe sich zu der Ueber-
zeugung hindurchgerungen, dass man durch Mitbeteiligung
des Volkes an der Regierung und Verwaltung auch eine
Stütze in der Politik gewinnen könne, und diese Ueber-
zeugung selten oder nie aufgegeben; so verdankten wir ihr
und seinem Pflichtgefühl auch eine treue und loyale Durchfüh-
rung der preussischen und der Reichsverfassung. Und diese
Macht habe dann zur Herbeiführung unserer wirtschaftlichen
Einigung mitverholfen, die heutzutage niemand glauhe ent-
behren zu können. So stehe es heute aber auch mit der
politischen in der Erkenntnis des Volkes. Schon heisse die
Frage nur noch, wie das Reich einzurichten sei; keiner Partei,
der man einen Hammer in die Hand geben würde, der das
Reich mit einem Schlage zu „zertrümmern“ vermöchte, wiirde
zum Schlage ausholen wollen. Wenn wir uns aber kurz, ohne
tiefer zu gehen, vergegenwärtigen wollten, wie der Kaiser uns
einen nationalen und konstitutionellen Bestand des Reiches ge-
sichert habe, so müssten wir seine Persönlichkeit ins Auge
fassen, seine hellen und glänzenden Tugenden, jedem verständ-
lich, seinen Cbarakter ohne Falsch! Was ihn als Regent gross
gemacht, sei sein Pflichtgefiihl gewesen, erster Diener des
Staats zu sein; stets liabe er seine eigenen Neigungen zurück-
gestellt gegen die Interessen des Ganzen und des Staates; und
das Grosse und Tragische im Leben dieses Mannes sei eben
gewesen, dass alle seine grossen und wichtigen Entschlüsse,
die Deutschland gross gemacht, von ihm gefasst werden muss-
ten gegen seine eigenen Ueberzeugungen. Wir wollten nicht
vergessen, was er an seinem grossen Kanzler und General-
stabschef Moltke gehabt, aber auch hier zeige er wieder doch
„seine“ Grösse: Das Verhältnis sei nicht ein immer unge-
trübtes gewesen, es ihm nicht so leicht geworden, so viel zu
„folgen“, aber er habe die selteneKunst verstanden, Grosse
zu erkennen und neben sich zu dulden. Aber andererseits
sei doch auch er „Herr“ geblieben: Das Verhältnis der grossen
Paladine des Kaisers zu ihm sei das der Treue des Dienst-

mannen gewesen, ein Verhältnis, das dem deutschen Herzen
überhaupt so sehr Bedürfnis geworden sei, und Kaiser Wil-
helm sei wohl würdig gewesen, derartige Ratgeber zu haben
und an sich zu fesseln zu dauerndem Dienste. Aber noch
Eins dürften wir nicht an Kaiser Wilhelm übersehen, seine
Friedfertigkeit; er habe wohl grosse militärische, kriegerische
Begabung gehabt, und wenn das Schwert einmal geblitzt,
habe er es auch zu führen gewusst, aber friedfertig sei sein
Sinn gewesen und es habe der grössten Ueberzeugungskraft
erst bedurft ihn zu den Kriegen seines Ruhms und der Grösse
Deutschlands zu bewegen. Friedfertiger Sinn herrsche auch
in der deutschen Volksseele, doch wir müssten nicht die Nach-
kommen der alten germanischen Vorfahren sein, wenn nicht
auch Schlachtenlust in uns leben sollte. Die Erinnerung an
grosse Kriegsthaten bilde die Quelle des Bewusstseins des
eigenen Könnens, und was Kaiser Wilhelm errungen „im
Kampf“ der Schlachten, sei ein Vermächtnis an die deutsche
Nation, ein Gut, an dem in trüben und schlechten Tagen
die Nation sich wiederaufraffen werde. Kaiser Wilhelm sei
ein Mann, der in unserer Geschichte fortleben werde, dem
die Letzten noch ein ehrendes Andenken bewahren würden.
Und wie „er“ sich den Glauben anPreussens und Deutschlands
Zukunft bewahrt, so wollten wir im gleichen Glauben treu
geloben, das Vaterland zu erhalten, das von ihm gegriindete
Reich im Bestand zu bewahren. Denn wie auch der Blick
auf die gegenwärtigen Zeiten sei, wir stünden unter der Ge-
wissheit, dass das Reich auf einem festen Grunde ruhe und
ferne Zeiten iiberdauern werde“. Dem Vaterlande galt das
Hoch, in das Alles begeistert jubelnd einstimmte und hell er-
klang die Weise: „Nun brause, Jubel, himmelan, auf mächt’gen
Adlerschwingen“ das aus dem Herzen gekommene Wort war
zu den Herzen gedrungen und hatte die tiefsten Saiten deut-
schen Empfindens berührt.

Der deutschen Frau galt denn nun auch das nächste
Wort der Ehrung und des Preises. Der zweite Vorsitzende
(Hertrich, R. St. V. Teutonia) fasste sie nach Seiten ihres
tiefsten Wesens auf, indem er sie in den drei Idealbildern,
der im Schmerz um des Vaterlandes Schmach zusammenge-
brochenen edlen Königin Luise, der hochgesinnten geistvollen
Kaiserin Augusta und der Grossherzogin, der den versöhnen-
den Friedenswerken der Linderung der Not aller Kranken
und Leidenden durch geordnete Fürsorge sich widmenden
Landesmutter, anschaute und die hohen Frauentugenden aller
drei Fiirstinnen verherrlichte. Als keusche Trägerin und
Schirmherrin von Religion und Sitte an des Hauses Herd
pries er die deutsche Frau, welche jenen drei Vorbildern
nachstrebe, als die Erhalterin der sittlichen Kraft unseres
Volkes und seines ruhmvollen Bestandes. Der deutschen Frau
erklang alsdann ein begeistert Ruhmeslied und nachdem der
Tribut der Ehre ihr dargebracht, ward des Fürsten Bis-
marck vom dritten Vorsitzenden (Daecke, Rhenopalatia)
gedacht. Wie der Sturm der Begeisterung losbrach in den
jugendlichen Herzen und aller Augen hell aufleuchteten!
Wenige markige Worte genügten, den Dank der Herzen zu
entflammen zu einem begeisterten Hoch und in dem Lob-
lied zu des grossen Vaterlands Ehre: „Deutschland, Deutsch-
land über Alles, über Alles in der Welt“, auch den grossen
Baumeister desselben ehren zu lassen. Telegraphisch wurde
ihm als „dem Altmeister deutscher Staatskunst, dem treuen
Paladin der Krone, dem festesten Horte deutschen Wesens“
der Gruss der Studentenschaft entboten und das Gelöbnis
unwandelbarer Treue zu Kaiser und Reich zu Füssen gelegt.
Zugleich aucli ward der Landesfürstin, als der hohen Tochter
des Heldenkaisers, dem edlen Vorbild aller deutschen Frauen
die Huldigung der festlichen Versammlung dargebracht.*)

*) Ihre Königl. Hoheit die Grossherzogin liess auf die ihr darge-
brachte telegraphische Huldigung durch ein vom Grossherzog an den
Yorsitzenden des Ausschusses gerichtetes Telegramm danken, welches
lautet:
 
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