Nr. 4. HEIDELBERGER 1867.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Haupt: Untersuchungen zur deutschen Sage.
(Schluss.)
An die Hildensage schliessen sich zunächst mehrere, wie es
scheint, aus ihr abgeleitete Gestaltungen. Am fernsten zu stehen
scheint die von Walther und Hildegunde. Der Held entführt seine
Geliebte, deren Name aus dem der Hilde durch Zusammensetzung
weiter gebildet ist, aus der Gewalt eines grimmigen alten Herr-
schers ; auf der Heimkehr besteht er feindliche Angriffe. Hier ist
nun wohl der alte Name des Verfolgers der Hilde, Hagen, die Ver-
anlassung gewesen die Sage in einen bekannteren Kreis einzufügen.
Hagen ward als der Franke-Nibelung, der Dienstmann Gunthers
gefasst. Von den verfolgenden Helden aber wurde der alte Herr-
scher getrennt und für diesen die schon typisch gewordene Figur
Etzels gewählt. Früh ging diese Umgestaltung der Hildensage vor
sich : wir haben Bruchstücke eines angelsächsischen epischen Ge-
dichtes, welches nicht später als das VIII. Jahrhundert sein kann,
im X. dann die in den kleinsten Details sagenhaft ausgebildete
Darstellung des Waltharius. Noch ähnlicher wird die Walthersage
der von Hilde, wenn, wie man vermuthet hat, die polnische Sage
(W. Grimm’s Heldensage 158) in dem Gesänge Walthers bei der
Werbung einen echten Zug aufbewahrt hat. Allerdings ist diese
Herleitung der Walthersage aus der von Hilde, welche ich nach
Müllenhoff Zeitschr. 12, 274 gegeben habe, nicht in allen Punkten
unbestreitbar; allein weder eine andere mythische Grundlage noch
eine historische, welche bei Attila oder bei Gunther anzuknüpfen
hätte, ist bis jetzt vorgebracht worden.
Ebenso scheint die Herburtsage nur eine andere Form der
Hetel und Hildensage zu sein. Sie erscheint in zwei Quellen, dem
Biterolf und der Thidreksaga. In der letzteren erhält erhält Herburt,
der an Dietrichs von Bern Hof verweilt, von diesem den Auftrag,
für ihn um Hilde, die Tochter des Königs von Bertangenland zu
werben. Er wird von Artus unfreundlich aufgenommen, bleibt aber
bei ihm und verschafft sich durch List Zutritt zu der strengbe-
wachten Königstochter: er lenkt ihre Aufmerksamkeit auf sich,
indem er in der Kirche eine silberne und dann eine goldene Maus
vor ihr vorbeilaufen lässt. Als er seine Werbung bei ihr anbringt,
heisst* sie ihn Dietrichs Bild an die Wand malen. Er macht es so
hässlich, dass die Königstochter ihn auffordert sie lieber für sich
selbst zu werben. Er entführt sie und tödtet dabei Hermann und
LX. Jahrg. 1. Heft. 4
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Haupt: Untersuchungen zur deutschen Sage.
(Schluss.)
An die Hildensage schliessen sich zunächst mehrere, wie es
scheint, aus ihr abgeleitete Gestaltungen. Am fernsten zu stehen
scheint die von Walther und Hildegunde. Der Held entführt seine
Geliebte, deren Name aus dem der Hilde durch Zusammensetzung
weiter gebildet ist, aus der Gewalt eines grimmigen alten Herr-
schers ; auf der Heimkehr besteht er feindliche Angriffe. Hier ist
nun wohl der alte Name des Verfolgers der Hilde, Hagen, die Ver-
anlassung gewesen die Sage in einen bekannteren Kreis einzufügen.
Hagen ward als der Franke-Nibelung, der Dienstmann Gunthers
gefasst. Von den verfolgenden Helden aber wurde der alte Herr-
scher getrennt und für diesen die schon typisch gewordene Figur
Etzels gewählt. Früh ging diese Umgestaltung der Hildensage vor
sich : wir haben Bruchstücke eines angelsächsischen epischen Ge-
dichtes, welches nicht später als das VIII. Jahrhundert sein kann,
im X. dann die in den kleinsten Details sagenhaft ausgebildete
Darstellung des Waltharius. Noch ähnlicher wird die Walthersage
der von Hilde, wenn, wie man vermuthet hat, die polnische Sage
(W. Grimm’s Heldensage 158) in dem Gesänge Walthers bei der
Werbung einen echten Zug aufbewahrt hat. Allerdings ist diese
Herleitung der Walthersage aus der von Hilde, welche ich nach
Müllenhoff Zeitschr. 12, 274 gegeben habe, nicht in allen Punkten
unbestreitbar; allein weder eine andere mythische Grundlage noch
eine historische, welche bei Attila oder bei Gunther anzuknüpfen
hätte, ist bis jetzt vorgebracht worden.
Ebenso scheint die Herburtsage nur eine andere Form der
Hetel und Hildensage zu sein. Sie erscheint in zwei Quellen, dem
Biterolf und der Thidreksaga. In der letzteren erhält erhält Herburt,
der an Dietrichs von Bern Hof verweilt, von diesem den Auftrag,
für ihn um Hilde, die Tochter des Königs von Bertangenland zu
werben. Er wird von Artus unfreundlich aufgenommen, bleibt aber
bei ihm und verschafft sich durch List Zutritt zu der strengbe-
wachten Königstochter: er lenkt ihre Aufmerksamkeit auf sich,
indem er in der Kirche eine silberne und dann eine goldene Maus
vor ihr vorbeilaufen lässt. Als er seine Werbung bei ihr anbringt,
heisst* sie ihn Dietrichs Bild an die Wand malen. Er macht es so
hässlich, dass die Königstochter ihn auffordert sie lieber für sich
selbst zu werben. Er entführt sie und tödtet dabei Hermann und
LX. Jahrg. 1. Heft. 4