Ur. 26. HEIDELBERGER 1867.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Bibliothek des Utter arischen Vereins in Stuttgart. LXXXVII. Das
deutsche Heldenbuch nach dem muthmasslich ältesten Drucke
neu herausgegeben von Adelbert v. Keller. Stuttgart 1867.
Die Bibliothek des Stuttgarter literarischen Vereins hat sich
schon längst eine so allgemeine Anerkennung erworben, dass es über-
flüssig ist, die glückliche Wahl des Gebotenen, die Umsicht und
Sorgfalt des leitenden Ausschusses und der Verwaltung zu rühmen.
Auch die zunächst in Aussicht gestellten Publicationen, worunter
eine vollständigere Ausgabe der Briefe der Prinzessin Elisabeth
von Orleans, das Gedicht des 14. Jahrhunderts Friedrich von
Schwaben, die Chronik der Grafen von Zimmern genannt sind,
werden dem Unternehmen neue Freunde gewinnen. Werfen wir
einen Blick auf die jüngsten Gaben des Vereins, so ist von ganz
besonderer Wichtigkeit die 82. und 83. Publication, Flemings
deutsche Gedichte durch Lappenberg. Es ist wunderbar, dass diess
eigentlich die erste wirklich lesbare und brauchbare Ausgabe der
Gedichte Paul Flemings ist, denn alle früheren Ausgaben, die be-
kanntlich erst nach dem Tode des geistreichen und liebenswürdigen
Dichters erschienen, sind so überaus nachlässig behandelt, dass sie
als unbrauchbar bezeichnet werden müssen. Lappenberg hat sich
um den Dichter und unsere Litteratur durch diese mit gewohnter
Gründlichkeit besorgte Ausgabe ein grosses Verdienst erworben, um so
mehr, als er sich nicht begnügte die Gedichte in zuverlässigster Ge-
stalt drucken zu lassen, sondern auch bemüht war, die Lebensverhält-
nisse des Dichters aufs genauste zu untersuchen. Es ist erst da-
durch möglich geworden, die Gedichte zu verstehen; denn Fleming
hat mit den bedeutendsten Dichtern das gemein, dass Dichten und
Leben nicht geschieden werden können. Das Licht, das auf diese
Weise die Gedichte Flemings aus seinem Leben erhalten, ist frei-
lich in einem Fall ein recht betrübendes, und geeignet, manchem
den Genuss eines schönen Liedes zu verleiden. Ich meine das be-
kannte innige Gedicht: Ein getreues Herze wissen, dessen Strophen
schliessen: Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, denn ich weiss
ein treues Herze. Die Anfangsbuchstaben der Strophen zeigen, dass
dieses treue Herze seine Geliebte war, Eisgen. Und nun erfahren
wir, dass dieses Eisgen, dieses treue Herz dem Dichter, so bald
es ihn aus den Augen verloren hatte, untreu wurde, und ihn wahr-
scheinlich zur Zeit, als er im fernen Asien sich mit diesen Versen
tröstete, bereits in den Armen eines Andern vergessen hatte. Ist
das nicht betrübend?
LIX. Jahrg. 6. Heft. 26
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Bibliothek des Utter arischen Vereins in Stuttgart. LXXXVII. Das
deutsche Heldenbuch nach dem muthmasslich ältesten Drucke
neu herausgegeben von Adelbert v. Keller. Stuttgart 1867.
Die Bibliothek des Stuttgarter literarischen Vereins hat sich
schon längst eine so allgemeine Anerkennung erworben, dass es über-
flüssig ist, die glückliche Wahl des Gebotenen, die Umsicht und
Sorgfalt des leitenden Ausschusses und der Verwaltung zu rühmen.
Auch die zunächst in Aussicht gestellten Publicationen, worunter
eine vollständigere Ausgabe der Briefe der Prinzessin Elisabeth
von Orleans, das Gedicht des 14. Jahrhunderts Friedrich von
Schwaben, die Chronik der Grafen von Zimmern genannt sind,
werden dem Unternehmen neue Freunde gewinnen. Werfen wir
einen Blick auf die jüngsten Gaben des Vereins, so ist von ganz
besonderer Wichtigkeit die 82. und 83. Publication, Flemings
deutsche Gedichte durch Lappenberg. Es ist wunderbar, dass diess
eigentlich die erste wirklich lesbare und brauchbare Ausgabe der
Gedichte Paul Flemings ist, denn alle früheren Ausgaben, die be-
kanntlich erst nach dem Tode des geistreichen und liebenswürdigen
Dichters erschienen, sind so überaus nachlässig behandelt, dass sie
als unbrauchbar bezeichnet werden müssen. Lappenberg hat sich
um den Dichter und unsere Litteratur durch diese mit gewohnter
Gründlichkeit besorgte Ausgabe ein grosses Verdienst erworben, um so
mehr, als er sich nicht begnügte die Gedichte in zuverlässigster Ge-
stalt drucken zu lassen, sondern auch bemüht war, die Lebensverhält-
nisse des Dichters aufs genauste zu untersuchen. Es ist erst da-
durch möglich geworden, die Gedichte zu verstehen; denn Fleming
hat mit den bedeutendsten Dichtern das gemein, dass Dichten und
Leben nicht geschieden werden können. Das Licht, das auf diese
Weise die Gedichte Flemings aus seinem Leben erhalten, ist frei-
lich in einem Fall ein recht betrübendes, und geeignet, manchem
den Genuss eines schönen Liedes zu verleiden. Ich meine das be-
kannte innige Gedicht: Ein getreues Herze wissen, dessen Strophen
schliessen: Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, denn ich weiss
ein treues Herze. Die Anfangsbuchstaben der Strophen zeigen, dass
dieses treue Herze seine Geliebte war, Eisgen. Und nun erfahren
wir, dass dieses Eisgen, dieses treue Herz dem Dichter, so bald
es ihn aus den Augen verloren hatte, untreu wurde, und ihn wahr-
scheinlich zur Zeit, als er im fernen Asien sich mit diesen Versen
tröstete, bereits in den Armen eines Andern vergessen hatte. Ist
das nicht betrübend?
LIX. Jahrg. 6. Heft. 26