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Toeche: Kaiser Heinrich VI.

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Herr in Deutschland. Nach dem Tode des letzten Normannenkönigs
Wilhelm II. am 18. Nov. 1189 war denn auch Heinrich bei allen
Zeitgenossen als der rechtmässige Erbe des normannischen Reichs an-
gesehn. Hier galt es die Ziele der normannischen Politik, die Ten-
denzen Roger II. wieder aufzunehmen, der die günstige Lage Sici-
liens umsichtig benutzt, die Insel zur Rüstkammer und zur siche-
ren Burg gemacht hatte, von wo aus Normannen in Italien, in
Afrika und Griechenland festen Fuss zu fassen strebten. Roger’s
Nachfolger hatten sich, unfähig so grossartige Gedanken weiter zu
verfolgen, beschieden, die eifrigen und gehorsamen Anhänger der
Kurie zu sein. Die Schuld an diesem Verfall der normannischen
Macht trugen die inneren Zustände des Reichs. Der König, umgeben
von gewissenlosen Hofbeamten, abhängig von mächtigen Vasallen und
insbesondere von den zahlreichen Bastarden der königlichen Fami-
lie liess den Ränken mit denen Jeder von ihnen Macht und Reich-
thum an sich zu reissen und die Gegner zu stürzen trachtete freies
Spiel, erfuhr nur durch den Günstling, der zeitweilig sich in dem
Parteigewoge zu behaupten wusste, von den Zuständen im Reich
und verliess nur, wenn die Feindschaft der Parteien und die mass-
lose Willkür der Günstlinge offene Empörung hervorriefen, den
Pallast, um mit blutigen Strafen mit der schwunglosen Härte aber
auch mit der Todesverachtung eines Despoten den Aufstand zu
Boden zu schlagen. Es ist eine glückliche, höchst willkommene
Fügung, dass die Geschichte dieser Zeiten die ein farbenreiches
und charakteristisches Bild südlichen Volkslebens darbietet, von
einem Mann dargestellt ist, der nicht nur durch den Schwung, die
Anmuth und den Reichthum seiner Schreibweise durch alle Zeichen
einer feinen Bildung fesselt, sondern der, einem Tacitus gleich,
mit Wahrhaftigkeit und Sittenstrenge die trostlosen Zustände des
Reichs enthüllt und den unaufhaltbaren Verfall seines Vaterlandes
mit tiefem Schmerz begleitet. Die Chronik des Hugo Falkandus
ist ein Werk, welches in allen Zeiten gelesen zu werden verdient,
nicht minder um seines reichen Inhalts als um der edlen Gesin-
nung willen, die uns noch heute den Verfasser zum Freunde macht.
Diesem trefflichen Gewährsmann ist denn auch Toeche in der Schil-
derung der normannischen Zustände nach dem Tode Wilhelms II.
hauptsächlich gefolgt« Eine melancholische Vorahnung schwerer
furchtbarer Zeiten ging durch das Volk, man fürchtete, dass die
verhassten und verachteten Deutschen Herren des Landes werden
möchten. »Schon glaube ich die wirren Reihen der Barbaren zu
sehen, schreibt Hugo Falkandus, die einbrechen wohin sie ihre Be-
gierde treibt, reiche Städte und Ortschaften, die durch langen
Frieden blühen mit Entsetzen erfüllen, durch Mord verwüsten, durch
Raub leeren, durch Schwelgereien besudeln; denn weder Vernunft,
noch Mitleid, noch heilige Scheu vermag deutsche Wuth zu zügeln.«
Zwar sollte die nächste Zeit noch keine Bestätigung der finstersten
Besorgnisse bringen; das normannische Volk raffte sich auf um
 
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