Kober u. Stintzing: Zum Canonischen Recht.
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Fleisse und Ausdauer geschriebenen Buche Stintzing’s sprechen
werden: das römische Recht ist allerdings die Grundlage auch
unseres Rechts, aber es ist nicht das römische Recht nach seiner
Wesenheit, am wenigsten in Beziehung auf das Kirchenrecht. Das
canonische Recht hebt germanische Ansichten hervor, und mit
Recht bemerkt auch Richter in seinem Schwanengesang, dass
man im preuss. Landrecht das Compendium von G. L. Böhmer
zum Grunde genommen habe. Hier sei es uns gestattet, zu dem
zehnten Capitel, der geistlichen Jurisprudenz, einige Worte zu
machen.
• Mit Recht wird angeführt, dass, weil nach canonischer An-
sicht der Mensch nicht sein eigener Sittenrichter sei, sondern sich
einem von der Kirche bestellten Sittenrichter und zwar durch die
Ohrenbeicht unterwerfen müsse, —dieser Sittenrichter einen Maass-
stab seines Urtheils haben müsse, auf rein juristische Weise, und
dass so eine Casuistik und Entscheidungsregel entstanden sei. Um
nun dieses erklärlich zu finden, kann man nicht annehmen, dass
das Bussinstiiait erst durch diesen oder jenen Papst — durch diese
oder jene Gewohnheit entstanden sei, und muss sich daher der
Ausführungen enthalten, die Herr Stintzing zur Grundlage seiner
Darstellung gemacht hat, und wornach derselbe sich nur auf pro-
testantische Ansichten und Schriftsteller bezieht. Wir hätten ge-
wünscht, dass er das Lehrbuch von Devoti sect. IV. de poenitentia
§. 70. Note 2 gelesen und seine einseitige Darstellung unterlassen
hätte. Was aber die Schriften, welche er angeführt hat, betrifft,
so schätzen wir, wie überall seinen Fleiss, obgleich ihm Manches
fehlt, wie z. B. die summa Pacifica, die er schon bei Ligorio theol.
moralis hätte kennen lernen können. Mehr noch hätten wir ge-
wünscht, dass er das System der katholischen Kirche von forum
poli oder internum zum externum aufgefasst hätte, wie es sogar
in des Recensenten Lehrbuch des Kirchenrechts mit der Richtung
auf die Casuistik steht. Vieles ist von Stintzing gut ausgeführt,
z. B. Alles, was er über die bona fides bei der Verjährung nach
canonischen Ansichten darstellt, und was eben unsere Romanisten
als gemeines deutsches Recht nicht anerkennen wollen. Die Lehre
von den Zinsen ist durchaus ungenügend behandelt, und was sollen
hier die uncanonischen Schriften bei Hillebrand S. 540 für eine
Bedeutung haben. Es hängt hier alles von den usurae lucratoriae
und compensatoriae ab, woran weder Endemann noch Neumann
in Dove’s Zeitschrift V. Band gedacht haben. Auch finden wir etwas
sonderbar die unrichtige und selbst als zweifelhaft aufgestellte An-
sicht S. 505. Note x — wobei Stintzing die Darstellung *von
Perrone in der Rechtfertigung der unbeflekten Empfängniss, auch
wegen der Ansicht des Thomas von Aquino hätte nachsehen können.
Ganz speziell hat sich darauf und zur Rettung des heil. Thomas
bezogen Speil die Lehre der katholischen Kirche gegenüber der
protestantischen Polemik S. 163 ff, Doch lassen wir dieses Alles
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Fleisse und Ausdauer geschriebenen Buche Stintzing’s sprechen
werden: das römische Recht ist allerdings die Grundlage auch
unseres Rechts, aber es ist nicht das römische Recht nach seiner
Wesenheit, am wenigsten in Beziehung auf das Kirchenrecht. Das
canonische Recht hebt germanische Ansichten hervor, und mit
Recht bemerkt auch Richter in seinem Schwanengesang, dass
man im preuss. Landrecht das Compendium von G. L. Böhmer
zum Grunde genommen habe. Hier sei es uns gestattet, zu dem
zehnten Capitel, der geistlichen Jurisprudenz, einige Worte zu
machen.
• Mit Recht wird angeführt, dass, weil nach canonischer An-
sicht der Mensch nicht sein eigener Sittenrichter sei, sondern sich
einem von der Kirche bestellten Sittenrichter und zwar durch die
Ohrenbeicht unterwerfen müsse, —dieser Sittenrichter einen Maass-
stab seines Urtheils haben müsse, auf rein juristische Weise, und
dass so eine Casuistik und Entscheidungsregel entstanden sei. Um
nun dieses erklärlich zu finden, kann man nicht annehmen, dass
das Bussinstiiait erst durch diesen oder jenen Papst — durch diese
oder jene Gewohnheit entstanden sei, und muss sich daher der
Ausführungen enthalten, die Herr Stintzing zur Grundlage seiner
Darstellung gemacht hat, und wornach derselbe sich nur auf pro-
testantische Ansichten und Schriftsteller bezieht. Wir hätten ge-
wünscht, dass er das Lehrbuch von Devoti sect. IV. de poenitentia
§. 70. Note 2 gelesen und seine einseitige Darstellung unterlassen
hätte. Was aber die Schriften, welche er angeführt hat, betrifft,
so schätzen wir, wie überall seinen Fleiss, obgleich ihm Manches
fehlt, wie z. B. die summa Pacifica, die er schon bei Ligorio theol.
moralis hätte kennen lernen können. Mehr noch hätten wir ge-
wünscht, dass er das System der katholischen Kirche von forum
poli oder internum zum externum aufgefasst hätte, wie es sogar
in des Recensenten Lehrbuch des Kirchenrechts mit der Richtung
auf die Casuistik steht. Vieles ist von Stintzing gut ausgeführt,
z. B. Alles, was er über die bona fides bei der Verjährung nach
canonischen Ansichten darstellt, und was eben unsere Romanisten
als gemeines deutsches Recht nicht anerkennen wollen. Die Lehre
von den Zinsen ist durchaus ungenügend behandelt, und was sollen
hier die uncanonischen Schriften bei Hillebrand S. 540 für eine
Bedeutung haben. Es hängt hier alles von den usurae lucratoriae
und compensatoriae ab, woran weder Endemann noch Neumann
in Dove’s Zeitschrift V. Band gedacht haben. Auch finden wir etwas
sonderbar die unrichtige und selbst als zweifelhaft aufgestellte An-
sicht S. 505. Note x — wobei Stintzing die Darstellung *von
Perrone in der Rechtfertigung der unbeflekten Empfängniss, auch
wegen der Ansicht des Thomas von Aquino hätte nachsehen können.
Ganz speziell hat sich darauf und zur Rettung des heil. Thomas
bezogen Speil die Lehre der katholischen Kirche gegenüber der
protestantischen Polemik S. 163 ff, Doch lassen wir dieses Alles