Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
418

Kühne: Deutsche Charaktere. II.

will (welches letztere der Verfasser nicht zu wissen scheint). Da
aber trotz diesen und anderen Vertheidigungen ich fortwährend ihn
Vaterlandsverräther benenne (und wenn der Verfasser beisetzt, auch
»einen gesunkenen Menschen«, was ich beiläufig, so viel ich mich
erinnere, nicht that, wenn ich vielleicht auch einmal schrieb: er
sei so tief gesunken): so will nun Kühne, »wenn’s möglich ist, als
Psycholog zu Gericht sitzen, der, indem er anklagt und vertheidigt,
in der Seele des Mannes zugleich ergründet und erklärt.« Wir
haben nun nichts dagegen, wenn man einen Angeklagten auf jed-
wede Weise zu vertheidigen sucht; wir können aber hierbei ver-
langen , dass die speziellen Anklagepunkte förmlich vorgebracht
werden. Dies thut nun Kühne nicht, erwähnt gar nicht, was ich
und andere ihm vor allem zu Last legten, sondern er spricht weit
und breit über manches, und vieles passendes und unpassendes, so
über Forsters Bildung »er sei ein Autodidakt, ohne Dressur einer
Oertlichkeit« , »ohne frohe und glückliche Jugend«, er sei durch
seine Reise und seinen Vater frühe in litterarischen Streit ge-
rathen, in Deutschland in eine ganz neue ihm fast unbekannte
Atmosphäre gekommen — was wir nicht ganz zugeben, da die
Sprache seiner Kindheit deutsch, seine Eltern Deutsche waren —
in Kassel sei er nicht blos als Naturforscher, sondern auch als
Wunderschauer, Rosenkreuzer, und durch Jakobi als Philosoph auf-
getreten — wobei Vieles hier, wie wir meinen, ziemlich unnöthiges
vorgebracht wird. — Hierbei wird S. 198 bedauert »die spär-
liche Mittheilung von Forster’s Briefen an Sömmering £so schreibt
der Verfasser immer falsch statt Sommer ring), indem wir dem
Plane der Rosenkreuzer durch sie mehr auf die Spur kommen
könnten.« Der Verfasser meint, dass »vielleicht zu viel Männer
von Rang und Macht in diese Bestrebung verflochten waren; dies
ist aber nicht die Ursache, warum Forster’s in Frankfurt vorhan-
dene Briefe nicht weiter veröffentlicht werden, sondern wie wir
S. 380 unseres Werkes angeben, was dem Verfasser entgangen ist,
weil sie seine Frau compromittirten. Sein Aufenthalt in Wilna
wird nur kurz berührt. Dagegen seine damaligen Schriften mit
Wärme und Wahrheit gerühmt. Im Jahr 1788 kommt er nach
Mainz und hier finden wir sogleich, wie wenig aufmerksam Kühne
ist und wie wenige Kenntnisse er bei Personen und Sachen hat:
er meint, der Kurfürst Joseph Emmerich habe ihn berufen, der
schon 14 Jahre todt war; und so schreibt er in seiner Eile und
Unkenntniss diesem frommen Mann »einen Anstrich von Freigei-
sterei« zu. Der Verf. hätte sich doch um den Namen des damals
regierenden Kurfürsten umsehen sollen! Ueber die ersten Jahre in
Mainz ist fast nur Lobendes vorgebracht — was wir bei einem
Biograph, der nur feiern will, nicht gerade tadeln; so spricht er
von seinen philosophischen Studien — die eigentlich nie bedeutend
waren — von einigen Aufsätzen — wie er z. B. die Proselyten-
macherei der Katholiken in Mainz in Schutz nahm; zum Aerger
 
Annotationen