Ir. 27. HEIDELBERGER 1867.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Kühne, Gustav, Deutsche Charaktere. 11. Theil. Aus dem Zeit-
alter der Revolution : Georg Forster 8. 176—-231. Leipzig
1864. 8.
Unterzeichneter konnte wohl hoffen, durch sein Werk >G. For-
ster in Mainz 1788—1793. Gotha 1863« beizutragen, dass über
diesen vielgenannten Mann sich endlich ein richtiges Urtheil an-
bahne, namentlich dass in künftigen Biographien sein Benehmen
gegen sein Vaterland im wahren Lichte dargestellt werde. Und in
der That diejenigen, welche vorher ihn entschuldigten oder gar ver-
teidigten, haben bisher meist geschwiegen und durch dies Schwei-
gen gleichsam ihre Zustimmung zu meiner Aburteilung gegeben.
Da sehe ich vor Kurzem, dass in Kühne’s deutschen Charakteren
auch Forster eine Biographie wiederum gefunden hat: und wenn
es mir sogleich auffallend war, dass Forster immer noch oder
wiederum in einer Sammlung berühmter Deutscher eine Stelle fand
— wie früher in Stricker’s, Paldamus’ und König’s Biographien —•
so schien es noch befremdender, dass unter deutschen Charakteren
Forster aufgenommen war, der, wie er selber sagte, an Deutschland
sich »wie ein Schurke« benahm und eigentlich nie ein Mann von
Charakter war. Doch wir wollen nicht wiederholen, was über ihn
feststeht, sondern wir wollen kurz betrachten was Kühne meint.
Er beginnt zwar sogleich: »dass auf Forster’s Namen die An-
klage der Verrätherei ruhe, indem er Mainz den Franzosen in die
Hände geliefert« — was genau genommen nicht wahr ist und nie
von mir behauptet wurde — was aber doch den Verfasser hätte
abschrecken sollen, ihn unter deutschen Charakteren aufzunehmen
— Kühne will aber unter Vaterland nicht »die Scholle, die uns
trägt« verstehen, ssnst wäre »jeder Auswanderer ein Verräther«
— wie kleinlich und unrichtig! — sondern man verstehe »im
höhern Sinne nur das geistige Vaterland« was aber Forster nicht
meinte, indem er gerade Deutschland sein Vaterland nannte: und
»so habe damals, wie Klinger das litterarische, so Forster das
politische Deutschland aufgegeben, indem er eine Verjüngung der
Welt erwartete, worin er sich freilich täuschte; daher sollte man,
wo nicht milde, doch mit Besonnenheit zu Gericht sitzen.« Wir
meinen zwar, es sei bisher mit Milde und auch mit Besonnenheit
über ihn geurtheilt worden, indem man z. B. seinen Verrath
an Deutschland damit entschuldigte, dass er ein Pole sei — was
Forster nie meinte — oder indem König mit vieler Ueberzeugung
nur ein Schreiben desselben für »landesverrätherisch« erklären
LX. Jahrg. 6. Heft. 27
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Kühne, Gustav, Deutsche Charaktere. 11. Theil. Aus dem Zeit-
alter der Revolution : Georg Forster 8. 176—-231. Leipzig
1864. 8.
Unterzeichneter konnte wohl hoffen, durch sein Werk >G. For-
ster in Mainz 1788—1793. Gotha 1863« beizutragen, dass über
diesen vielgenannten Mann sich endlich ein richtiges Urtheil an-
bahne, namentlich dass in künftigen Biographien sein Benehmen
gegen sein Vaterland im wahren Lichte dargestellt werde. Und in
der That diejenigen, welche vorher ihn entschuldigten oder gar ver-
teidigten, haben bisher meist geschwiegen und durch dies Schwei-
gen gleichsam ihre Zustimmung zu meiner Aburteilung gegeben.
Da sehe ich vor Kurzem, dass in Kühne’s deutschen Charakteren
auch Forster eine Biographie wiederum gefunden hat: und wenn
es mir sogleich auffallend war, dass Forster immer noch oder
wiederum in einer Sammlung berühmter Deutscher eine Stelle fand
— wie früher in Stricker’s, Paldamus’ und König’s Biographien —•
so schien es noch befremdender, dass unter deutschen Charakteren
Forster aufgenommen war, der, wie er selber sagte, an Deutschland
sich »wie ein Schurke« benahm und eigentlich nie ein Mann von
Charakter war. Doch wir wollen nicht wiederholen, was über ihn
feststeht, sondern wir wollen kurz betrachten was Kühne meint.
Er beginnt zwar sogleich: »dass auf Forster’s Namen die An-
klage der Verrätherei ruhe, indem er Mainz den Franzosen in die
Hände geliefert« — was genau genommen nicht wahr ist und nie
von mir behauptet wurde — was aber doch den Verfasser hätte
abschrecken sollen, ihn unter deutschen Charakteren aufzunehmen
— Kühne will aber unter Vaterland nicht »die Scholle, die uns
trägt« verstehen, ssnst wäre »jeder Auswanderer ein Verräther«
— wie kleinlich und unrichtig! — sondern man verstehe »im
höhern Sinne nur das geistige Vaterland« was aber Forster nicht
meinte, indem er gerade Deutschland sein Vaterland nannte: und
»so habe damals, wie Klinger das litterarische, so Forster das
politische Deutschland aufgegeben, indem er eine Verjüngung der
Welt erwartete, worin er sich freilich täuschte; daher sollte man,
wo nicht milde, doch mit Besonnenheit zu Gericht sitzen.« Wir
meinen zwar, es sei bisher mit Milde und auch mit Besonnenheit
über ihn geurtheilt worden, indem man z. B. seinen Verrath
an Deutschland damit entschuldigte, dass er ein Pole sei — was
Forster nie meinte — oder indem König mit vieler Ueberzeugung
nur ein Schreiben desselben für »landesverrätherisch« erklären
LX. Jahrg. 6. Heft. 27