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Arthur Kleinschmidt
mir offen, einer ihrer Nachbarn scheine mich gesehen zu haben, er habe
sie wegen meiner Flucht und wegen meines Versteckes ausgefragt und
schleiche beständig um das Haus herum; Mann und Frau fixierten
stets mein Kammerfenster und machten mir solche Angst, dass ich
mich zum Weggehen entschloss; doch wohin nun? Bis mir ein Heils-
gedanke käme, bat ich sie, mich in einem Winkel ihres Hauses zu ver-
stecken, wo man mich weniger leicht finden könnte, man lief mit mir
vom Keller bis zum Speicher und schliesslich liess ich mich im Holz-
stalle nieder, der nur eine Luke ganz oben hatte und dessen Eingang
man vermittelst eines Küchenschrankes maskieren konnte; diesen schob
man, wenn ich etwas brauchte, zurück, sonst vor. So verbrachte ich
in dem dunkeln und feuchten Gefängnisse auf Stroh eine Nacht und einen
Tag: ich konnte in solch trauriger Lage, den unseligsten Reflexionen
zur Beute, nicht die mindeste Ruhe finden. Noch unruhiger strich die
zweite Nacht dahin. Alles lag zu Bette, da hörte ich um zwei Uhr an
die Hausthüre klopfen, bald darauf schob man den Schrank zurück und
kündete mir an, es betreffe mich. Bei dem Schimmer einer Laterne
erkannte ich zwei meiner vertrauten Leute, die mir einen neuen Plan
zu meiner Befreiung mitteilen wollten.
Sie schlugen mir vor, mich ohne Gefahr nach Zweibrücken zu brin-
gen, und versicherten mir, 150 Preussen seien im Dorfe Enet1), um
dort meinen Weg zu decken. Nach einigem Widerstand, zu dem mich
meine Unruhe zwang, willigte ich in den Wunsch dieser neuen Führer
ein; ihren Aussagen nach waren die Dispositionen so gut getroffen, dass
die Sache nicht missglücken konnte, obwohl mein Vorgefühl dem wider-
sprach. Ein Bauernpferd stand vor der Thüre, man legte mir einen
Mantel von sehr schwerem Tuch, einen runden Hut und Fuhrmanns-
stiefel an. In diesem unbequemen Kostüme stieg ich zu Pferde und
überliess mich den Zufällen der neuen Reise. Es war so tief dunkle
Nacht, dass meine Führer den Weg durch den Wald tastend suchten,
und erst nach vier Marschstunden kamen wir bei einem Dorfe, namens
Lautzkirchen2), an. Tags vorher war einer meiner Gefährten da vorbei
gegangen, ohne Truppen zu finden, nun ermunterte er mich sehr, vor-
wärts zu gehen.' Ich wollte zwar wegen eines Feuers nicht, das ich
schon von weitem bemerkt hatte und das mich einen in diesem Orte
aufgestellten französischen Posten befürchten liess, doch redete man
mir dies aus und mein Unglücksstern führte mich direkt zur ersten
1) Einöd bei Zweibrücken.
2) Eine halbe Stunde nördlich von Blieskastel.
Arthur Kleinschmidt
mir offen, einer ihrer Nachbarn scheine mich gesehen zu haben, er habe
sie wegen meiner Flucht und wegen meines Versteckes ausgefragt und
schleiche beständig um das Haus herum; Mann und Frau fixierten
stets mein Kammerfenster und machten mir solche Angst, dass ich
mich zum Weggehen entschloss; doch wohin nun? Bis mir ein Heils-
gedanke käme, bat ich sie, mich in einem Winkel ihres Hauses zu ver-
stecken, wo man mich weniger leicht finden könnte, man lief mit mir
vom Keller bis zum Speicher und schliesslich liess ich mich im Holz-
stalle nieder, der nur eine Luke ganz oben hatte und dessen Eingang
man vermittelst eines Küchenschrankes maskieren konnte; diesen schob
man, wenn ich etwas brauchte, zurück, sonst vor. So verbrachte ich
in dem dunkeln und feuchten Gefängnisse auf Stroh eine Nacht und einen
Tag: ich konnte in solch trauriger Lage, den unseligsten Reflexionen
zur Beute, nicht die mindeste Ruhe finden. Noch unruhiger strich die
zweite Nacht dahin. Alles lag zu Bette, da hörte ich um zwei Uhr an
die Hausthüre klopfen, bald darauf schob man den Schrank zurück und
kündete mir an, es betreffe mich. Bei dem Schimmer einer Laterne
erkannte ich zwei meiner vertrauten Leute, die mir einen neuen Plan
zu meiner Befreiung mitteilen wollten.
Sie schlugen mir vor, mich ohne Gefahr nach Zweibrücken zu brin-
gen, und versicherten mir, 150 Preussen seien im Dorfe Enet1), um
dort meinen Weg zu decken. Nach einigem Widerstand, zu dem mich
meine Unruhe zwang, willigte ich in den Wunsch dieser neuen Führer
ein; ihren Aussagen nach waren die Dispositionen so gut getroffen, dass
die Sache nicht missglücken konnte, obwohl mein Vorgefühl dem wider-
sprach. Ein Bauernpferd stand vor der Thüre, man legte mir einen
Mantel von sehr schwerem Tuch, einen runden Hut und Fuhrmanns-
stiefel an. In diesem unbequemen Kostüme stieg ich zu Pferde und
überliess mich den Zufällen der neuen Reise. Es war so tief dunkle
Nacht, dass meine Führer den Weg durch den Wald tastend suchten,
und erst nach vier Marschstunden kamen wir bei einem Dorfe, namens
Lautzkirchen2), an. Tags vorher war einer meiner Gefährten da vorbei
gegangen, ohne Truppen zu finden, nun ermunterte er mich sehr, vor-
wärts zu gehen.' Ich wollte zwar wegen eines Feuers nicht, das ich
schon von weitem bemerkt hatte und das mich einen in diesem Orte
aufgestellten französischen Posten befürchten liess, doch redete man
mir dies aus und mein Unglücksstern führte mich direkt zur ersten
1) Einöd bei Zweibrücken.
2) Eine halbe Stunde nördlich von Blieskastel.