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gäbe, das Wort, das die Rolle des Prädikats übernimmt, seines
Bedeutungsgehalts möglichst zu entlasten. Das kann auf zwei
Arten geschehen: entweder man läßt dem Hauptverbum seine
sachliche Bedeutung, entfernt es aber aus der prädikativen Stel-
lung, dann muß man in diesen Posten ein Hilfsverbum einsetzen
und kann das Haupfverbum in infinitivischer oder partizipialer
Abhängigkeit beiordnen, oder man läßt dem Haupfverbum seinen
gehörigen Ort im Satz, enteignet es aber soweit wie möglich seines
materialen Charakters und überträgt diesen einer begleitenden —
meist nominalen Adverbialbestimmung.
Die Beispiele für den ersten Weg, die Einschaltung eines Hilfs-
verbs unter infinitivischer oder partizipialer Beiordnung des
Hauptverbums, sind äußerst zahlreich. (16) Diese Lösung hat, wie
wir sehen werden, noch den zweiten beachtlichen Vorzug, das
besonders im weiblichen Vers eminent reimfähige finite Verbum
im Hauptsatz ans Ende des Verses rangieren zu können14. Daß
die technischen Nöte hier nicht allein maßgebend sind, das ver-
bürgen die unten anzuführenden Beispiele, wo - im Nebensatz —
diese Konstruktion sogar reimtechnisch unbequem war und zu
einer Inversion zwang. Der zweite genannte Fall der adver-
bialen Zuordnung der ursprünglich verbal ausgedrückten Bedeu-
tungsmasse hat praktisch verschiedene Möglichkeiten: Die bei-
geordnete Bestimmung kann ein eng verwachsenes Objekt, ein
Adjektiv oder eine nominale Präposifionsverbindung sein. (17)
Charakteristisch ist es in diesem Falle immer, daß erst die ad-
verbiale Bestimmung es ist, die das Prädikat zu einem Sinnganzen
ergänzt. Die daraus entstehende Ueberfüllung mit Hilfsverben
veranschaulicht unsere Tabelle. (18)
Gleichermaßen ein Ausdruck der Schwächung des verbalen
Elements ist die Seltenheit der Intransitiva. (19)
Die beiden eben entwickelten Prinzipien des Opitzschen Satz-
baus wirken, wie man vielleicht schon verstanden hat, in einem
eigentümlichen Dilemma gegeneinander. Infolge der Vermehrung
der Satzzahl nimmt natürlich auch die Zahl der ja satzbildenden
Verben zu, ihre äußere Ausbreitung wird sogar noch verstärkt
durch ein umständliches adverbiales Gefolge, demgegenüber be-
wirkt die gleiche Ursache — nämlich die Rationalität des Stils —
11 Man sehe bei Manheimer (Die Lyrik des Andreas Gryphius, Berlin 1904,
S. 82 f,), wie Gryphius mit der Reifung seines Stils gegen diesen erschlichenen
Infinitiv vorgeht: Das Hilfsverb wird gekappt, und das finite Zeitwort tritt in die
flektierte Stelle ein.
gäbe, das Wort, das die Rolle des Prädikats übernimmt, seines
Bedeutungsgehalts möglichst zu entlasten. Das kann auf zwei
Arten geschehen: entweder man läßt dem Hauptverbum seine
sachliche Bedeutung, entfernt es aber aus der prädikativen Stel-
lung, dann muß man in diesen Posten ein Hilfsverbum einsetzen
und kann das Haupfverbum in infinitivischer oder partizipialer
Abhängigkeit beiordnen, oder man läßt dem Haupfverbum seinen
gehörigen Ort im Satz, enteignet es aber soweit wie möglich seines
materialen Charakters und überträgt diesen einer begleitenden —
meist nominalen Adverbialbestimmung.
Die Beispiele für den ersten Weg, die Einschaltung eines Hilfs-
verbs unter infinitivischer oder partizipialer Beiordnung des
Hauptverbums, sind äußerst zahlreich. (16) Diese Lösung hat, wie
wir sehen werden, noch den zweiten beachtlichen Vorzug, das
besonders im weiblichen Vers eminent reimfähige finite Verbum
im Hauptsatz ans Ende des Verses rangieren zu können14. Daß
die technischen Nöte hier nicht allein maßgebend sind, das ver-
bürgen die unten anzuführenden Beispiele, wo - im Nebensatz —
diese Konstruktion sogar reimtechnisch unbequem war und zu
einer Inversion zwang. Der zweite genannte Fall der adver-
bialen Zuordnung der ursprünglich verbal ausgedrückten Bedeu-
tungsmasse hat praktisch verschiedene Möglichkeiten: Die bei-
geordnete Bestimmung kann ein eng verwachsenes Objekt, ein
Adjektiv oder eine nominale Präposifionsverbindung sein. (17)
Charakteristisch ist es in diesem Falle immer, daß erst die ad-
verbiale Bestimmung es ist, die das Prädikat zu einem Sinnganzen
ergänzt. Die daraus entstehende Ueberfüllung mit Hilfsverben
veranschaulicht unsere Tabelle. (18)
Gleichermaßen ein Ausdruck der Schwächung des verbalen
Elements ist die Seltenheit der Intransitiva. (19)
Die beiden eben entwickelten Prinzipien des Opitzschen Satz-
baus wirken, wie man vielleicht schon verstanden hat, in einem
eigentümlichen Dilemma gegeneinander. Infolge der Vermehrung
der Satzzahl nimmt natürlich auch die Zahl der ja satzbildenden
Verben zu, ihre äußere Ausbreitung wird sogar noch verstärkt
durch ein umständliches adverbiales Gefolge, demgegenüber be-
wirkt die gleiche Ursache — nämlich die Rationalität des Stils —
11 Man sehe bei Manheimer (Die Lyrik des Andreas Gryphius, Berlin 1904,
S. 82 f,), wie Gryphius mit der Reifung seines Stils gegen diesen erschlichenen
Infinitiv vorgeht: Das Hilfsverb wird gekappt, und das finite Zeitwort tritt in die
flektierte Stelle ein.