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J. F. Quack
das Herz würde durch die Gefäße sprechen, wenn der Arzt die Hände auf bestimm-
te Körperteile geben würde, hat man geschlossen, es handele sich um Adern, ja
über Pulsmessungen in Ägypten spekuliert. Jedoch zeigt sich wenigstens in eini-
gen Fällen, dass die Gefäße nicht realiter Adern entsprechen können, sondern auch
Harnleiter, Nervenstränge u. ä. darstellen. So muss man sich damit abfinden, dass
hier grundsätzliche Kategorisierungssysteme einer alten Kultur nicht einfach mit
heutigen zur Deckung zu bringen sind.
Weiterhin ist zu beachten, dass außerhalb dieses speziell, offenbar keineswegs
leicht und allgemein zugänglichen Textes ein System zahlenmäßig definierter Kör-
pergefäße relativ wenige Spuren hinterlassen hat. Am ehesten ist es kurioserweise
in einem literarischen Text zu fassen, nämlich einem noch unpublizierten Gedicht
zu einem Fest der Trunkenheit.4 Dort wird im Rahmen des Festmahls auch die Rolle
des Körpers und seiner (in ihrer Anzahl genannten) Gefäße gerade bei der Verdau-
ung thematisiert. In einer scharfen Polemik gegen eine gegnerische Gruppe auch
behaupten, deren Ahn sei aus demjenigen Gefäß entstanden, dass zum Hintern füh-
ren würde.
Sonstige medizinische Texte zeigen vorrangig Details zum Verständnis von
Funktionen und Leiden einzelner Körperteile, und hier ist allenfalls mühsam und
indirekt eine globale Konzeption auszumachen. Es ist noch nicht einmal sicher, ob
die ärztliche Behandlung primär von einer übergreifenden Theorie geleitet war oder
die Empirie hinsichtlich der Wirksamkeit bestimmter Drogen in den meisten Fällen
dominierte.
Im Folgenden möchte ich dagegen den Schwerpunkt auf andere, vornehmlich
religiöse Texte legen. Ihr Blick auf den menschlichen Körper zeigt durchaus viele
Facetten, die insgesamt genommen einiges über dessen Verständnis in der ägypti-
schen Kultur aussagen können.5 Ein wesentlicher Aspekt soll dabei auch sein, dass
ich hier im Gegensatz zu den meisten Untersuchungen über Körperkonzepte nicht
primär von Aussagen über einzelne Körperteile ausgehe. Vielmehr sollen Texte als
Zusammenhang betrachtet werden, in dem die Sicht jedes einzelnen auf die Ge-
samtheit des Körpers besser herauskommt.
Ein charakteristisches Element vieler Texte ist die sogenannte „Gliedervergot-
tung"'.6 Bei diesem Verfahren werden Körperteile jeweils einzeln als Götter bzw.
sprachlich wenigstens für die älteren Belege korrekter als die jeweiligen Körperteile
der betreffenden Götter verstanden.
Gliedervergottungen können in relativ verschiedenen Zusammenhängen in Tex-
ten erscheinen. Ein erster wesentlicher Punkt sind funeräre Texte, bzw. Texte, deren
heute erhaltene Niederschriften in funerärem Zusammenhang erscheinen. Des Wei-
teren kennt man sie aus magischen Texten, in denen es um Heilung geht.
4 Übersetzung der besser erhaltenen Bereiche in Hoffmann/Quack 2007, 305-311.
5 Bislang die umfassendste Untersuchung zum Körperverständnis in einem bestimmten Corpus
religiöser Texte ist Nord 2009.
6 Vgl. dazu besonders Ranke 1924; Quack 1995; Duquesne 2002; Assmann 2002, 182-188; Hel-
linckx2004. 14; Nord 2009, 510-523.
J. F. Quack
das Herz würde durch die Gefäße sprechen, wenn der Arzt die Hände auf bestimm-
te Körperteile geben würde, hat man geschlossen, es handele sich um Adern, ja
über Pulsmessungen in Ägypten spekuliert. Jedoch zeigt sich wenigstens in eini-
gen Fällen, dass die Gefäße nicht realiter Adern entsprechen können, sondern auch
Harnleiter, Nervenstränge u. ä. darstellen. So muss man sich damit abfinden, dass
hier grundsätzliche Kategorisierungssysteme einer alten Kultur nicht einfach mit
heutigen zur Deckung zu bringen sind.
Weiterhin ist zu beachten, dass außerhalb dieses speziell, offenbar keineswegs
leicht und allgemein zugänglichen Textes ein System zahlenmäßig definierter Kör-
pergefäße relativ wenige Spuren hinterlassen hat. Am ehesten ist es kurioserweise
in einem literarischen Text zu fassen, nämlich einem noch unpublizierten Gedicht
zu einem Fest der Trunkenheit.4 Dort wird im Rahmen des Festmahls auch die Rolle
des Körpers und seiner (in ihrer Anzahl genannten) Gefäße gerade bei der Verdau-
ung thematisiert. In einer scharfen Polemik gegen eine gegnerische Gruppe auch
behaupten, deren Ahn sei aus demjenigen Gefäß entstanden, dass zum Hintern füh-
ren würde.
Sonstige medizinische Texte zeigen vorrangig Details zum Verständnis von
Funktionen und Leiden einzelner Körperteile, und hier ist allenfalls mühsam und
indirekt eine globale Konzeption auszumachen. Es ist noch nicht einmal sicher, ob
die ärztliche Behandlung primär von einer übergreifenden Theorie geleitet war oder
die Empirie hinsichtlich der Wirksamkeit bestimmter Drogen in den meisten Fällen
dominierte.
Im Folgenden möchte ich dagegen den Schwerpunkt auf andere, vornehmlich
religiöse Texte legen. Ihr Blick auf den menschlichen Körper zeigt durchaus viele
Facetten, die insgesamt genommen einiges über dessen Verständnis in der ägypti-
schen Kultur aussagen können.5 Ein wesentlicher Aspekt soll dabei auch sein, dass
ich hier im Gegensatz zu den meisten Untersuchungen über Körperkonzepte nicht
primär von Aussagen über einzelne Körperteile ausgehe. Vielmehr sollen Texte als
Zusammenhang betrachtet werden, in dem die Sicht jedes einzelnen auf die Ge-
samtheit des Körpers besser herauskommt.
Ein charakteristisches Element vieler Texte ist die sogenannte „Gliedervergot-
tung"'.6 Bei diesem Verfahren werden Körperteile jeweils einzeln als Götter bzw.
sprachlich wenigstens für die älteren Belege korrekter als die jeweiligen Körperteile
der betreffenden Götter verstanden.
Gliedervergottungen können in relativ verschiedenen Zusammenhängen in Tex-
ten erscheinen. Ein erster wesentlicher Punkt sind funeräre Texte, bzw. Texte, deren
heute erhaltene Niederschriften in funerärem Zusammenhang erscheinen. Des Wei-
teren kennt man sie aus magischen Texten, in denen es um Heilung geht.
4 Übersetzung der besser erhaltenen Bereiche in Hoffmann/Quack 2007, 305-311.
5 Bislang die umfassendste Untersuchung zum Körperverständnis in einem bestimmten Corpus
religiöser Texte ist Nord 2009.
6 Vgl. dazu besonders Ranke 1924; Quack 1995; Duquesne 2002; Assmann 2002, 182-188; Hel-
linckx2004. 14; Nord 2009, 510-523.