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Alle Begriffe, in denen sich em ganzer Prozeß semio-
tisch zusammenfaßt, entziehen sich der Definition; de-
finierbar ist nur das, was keine Geschichte hat.
(Nietzsche, Genealogie der Moral)
IV. Der Landesherr und sein angefügtes System.
Die Installation dynastischer Sphären
in politischen Räumen
Während sich im Spätmittelalter insbesondere in Westeuropa frühmoderne Flächen-
staaten herausbildeten, trug das Reich im Grunde bis zu seiner Auflösung 1806 das
Gepräge eines aus dem Mittelalter überkommenen Personenverbandes. Das Fehlen
einer Zentralgewalt begünstigte seit dem 13. Jahrhundert die Entstehung fürstlicher
Partikulargewalten und damit den Ausbau der einzelnen Territorien. Erst vor diesem
Hintergrund wird verständlich, daß die in so komplexer Fülle vorhandenen und
unterschiedlich großen Länder und Herrschaften sich in augenscheinlicher Weise
voneinander differenzieren mußten. Das wurde umso nötiger, je stärker diese zahl-
reichen räumlichen und personalen Einheiten wiederum in übergeordneten Ver-
bänden wie Ritterschaften, Grafen- und Städtebünden oder eben auch in Form
dynastischer Eheverbindungen aufeinandertrafen.
In diesem Zusammenhang erfuhren die Wappen eine folgeträchtige Erweiterung
ihrer Kompetenz: Bezeichnete das Einzelwappen anfänglich nur einen verwandt-
schaftlichen Verband, der durchaus noch kognatisch bestimmt sein konnte, so wurde
das heraldische Einzelbild allmählich mit der agnatisch ausdifferenzierten Dynastie
gleichgesetzt, also mit einer männlichen Linie. Damit war ungefähr seit der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts die Voraussetzung dafür geschaffen, neben der Dynastie
und ihren Angehörigen zugleich auch eine räumliche Einheit, ein bestimmtes Gebiet,
ein Land oder ein Territorium mit einem bestimmten Wappenbild zu bezeichnen.
So wie eine Hausmarke zu dem Wappenschild für eine Familie werden konnte, die
dieses Haus bewohnt, so konnte umgekehrt ein blau-weißes Rautenfeld in neuerer
Zeit zum Zeichen für das Bundesland Bayern werden, nachdem es zuvor schon ein-
mal das Wappen für ein Königreich, ein Kurfürstentum und ein Herzogtum Bayern
war. In seinen Anfängen war dieses blau-weiße Rautenfeld jedoch auch noch etwas
ganz anderes: Es war das Zeichen für eine Menge aus ganz bestimmten lebenden
oder bereits verstorbenen Körpern, nämlich für den agnatischen Verband des >Hau-
ses Bayerns genauer gesagt für die regierende Landesdynastie der Wittelsbacher, die
dieses Wappen ihrerseits 1247 von den Grafen von Bogen übernommen hatten. Ganz
 
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