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VII. Schluß

Die zur Bildung eines korporativen Verbandes notwendige >Pluralität von
Personen« wurde normalerweise auf zwei Wegen konstituiert: >horizontal< als
die Gesamtheit der lebenden Angehörigen des Verbandes und >vertikal< unter
Einbeziehung der Generationenfolge. Sobald man jedoch das Prinzip ent-
deckt hatte, daß »Pluralität« oder »Totalität« [...] nicht auf den Raum
beschränkt war, sondern sich sukzessive in der Zeit entfalten konnte, wurde
es möglich, die Pluralität im Raum ganz aufzugeben [...]. So kam man zu der
Einmann-Korporation und fiktiven Personen, deren >Pluralität von
Personen« aus der langen Reihe von Vorgängern und Nachfolgern nebst dem
gegenwärtigen Inhaber bestand statt aus der normalen Vielzahl einer gleich-
zeitig vorhandenen Menge von Individuen.570 571
Ernst H. Kantorowicz umreißt hier noch einmal in wenigen Zügen die meisten der
in dieser Untersuchung berührten Aspekte. Denn es waren vor allem die genealogi-
schen Modelle, die seit dem Spätmittelalter aktiv auf räumliche Ordnungen Einfluß
nahmen und zugleich eine Kontinuierung dieser Ordnungen entlang der Zeitachse
garantierten. Auch andere Untersuchungen haben als Grundmotiv genealogischen
Denkens diese Einheit von zeitlichen und räumlichen Kategorien vor Augen: »Along
with the linearity, temporality, and verticality of lineage is a general sense of fixity
both in the family’s relation to property and in the relation to other families. A
dynasty or house is rooted in the soil of its ancestral home, it is grounded by a sacred
bond to the land and the castle«, so R. Howard Bloch.57'
Gegenstand dieser Arbeit waren keine literarischen Erzählungen und keine juristi-
schen Kodifizierungen. Vielmehr galt das Erkenntnisinteresse den Realien, den Ar-
tefakten in einem engeren Sinne, die mit dem raum- und zeitgliedernden Struktu-
rierungswerk der genealogischen Denkform in Berührung kamen. Deshalb hatten wir
es im Verlauf dieser Untersuchung in der Regel auch nicht mit Texten zu tun, sondern
mit einer Bildform, deren große Erfolgsgeschichte im späten 12. Jahrhundert ihren
Anfang genommen hatte: Gemeint ist das Wappen. Wie sich in den folgenden Jahr-
hunderten die Grundlage für seine semiotische Sprache entwickeln konnte und wie
sich em Beziehungssinn zwischen den verschiedenen heraldischen Zeichen herausbil-
dete, das vor allem hat die Arbeit anhand einiger Beispiele aufzuzeigen versucht.
Ein Wappen bedeutet immer die Preisgabe einer ersten Information über eine be-
stimmte Person. Das Wappen dient nicht dazu, eine lediglich für diesen Einzelnen

570 Kantorowicz 1990, S. 315 f.
571 Bloch 1983, S. 85.
 
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