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2ÖI

VI. Genealogische Repräsentanz als Tableau.
Das operative Feld
fürstlicher Landkarten und Funeralwerke
Um 1600 bilden sich auf unterschiedlichen Ebenen wissenschaftlicher und
technischer Verfahren Organisationsprinzipien des Wissens heraus, die so-
wohl für die Formierung des modernen Staates als auch für die Wissen-
schaften grundlegend werden. Diese Umformung überträgt das Wissen in
einen neuen Darstellungsraum, dessen zentrales Merkmal eine topographi-
sche Ebene ist. Die diskreten Größen der Daten, aus denen diese Ebene gene-
riert wird, werden dabei zu repräsentierenden Zeichen. Ob es sich nun um die
Kartographie von Landschaften handelt, um die Anatomie des menschlichen
Körpers, um den Kurs von Schiffen, um Buchstabenkombinationen, geome-
trische Konstruktionen, um Pläne von Festungsbauten oder Ordnung und
Bewegung von Soldatenheeren, immer werden sie in topographischen
Operationen als statische oder bewegliche Elemente angeordnet.524 525
Was Wolfgang Schäffner in seiner Untersuchung zu Repräsentationsräumen in den
Niederlanden um 1600 formuliert hat, wurde an vielen Stellen dieser Arbeit bereits
angesprochen: wie Wissensbestände zunehmend aus den realen Räumlichkeiten ab-
gezogen und stattdessen auf den Realraum suggerierenden digrammatischen Ebenen
neu ausgebreitet werden. Denn was auch immer die Funktion der genealogischen
Markierungen an den Monumenten bisher ausgemacht hat, ein wesentliches Merk-
mal bildete für alle anderen Eigenschaften stets die notwendige Voraussetzung:
Treten die genealogischen Einheiten als System, als eine Menge auf, dann war damit
auch stets eine Entfernung und ein Raum implizit, weil eine Distanz, eine Länge und
damit eine Ausdehnung beschritten wurde. Die Landkarte weist gegenüber allen bis-
her untersuchten Bildträgern die Besonderheit auf, einen dreidimensionalen Raum in
der sublimen Form der Bildfläche wiedergeben zu können, ohne ihn dabei streng
einem perspektivischen Kegel, einer Zentralprojektion unterstellen zu müssen. Den
Landkarten fehlt der »fest lokalisierte Betrachter«, wie Svetlana Alpers herausgestellt
hat.'5 Die einzige Reduktion des Kartenbildes gegenüber dem vorgefundenen Raum
geschieht bei der Vogelschau in der nicht sehr wesentlichen Ausblendung des Höhen-
und Fiefenzugs des projizierten Landabschnitts, welcher bei den hier vorgestellten
Geographien aus Nord- und Ostdeutschland ohnehin nicht von größerem Belang ist.

524 Schäffner 1997, S.63.
525 Vgl. Alpers 1985, S.242.
 
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