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Heidelberger Familienblätter — 1877

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No. 18 - No. 26 (3. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43707#0096

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— 88 —

hoͤren wollen.“ Im Jahre 1849 ward er wiederum in
Berlin in die 2. Kammer gewählt, welche den 26. Febr.
eröffnet und den 27. April deſſelben Jahres aufgelöſt
wurde. Hierauf begab er ſich nach Frankfurt a. M.,
trat hier an die Stelle F. v. Raumer's in die deutſche
Reichsverſammlung, nahm dann am Rumpfparlament
Theit und fand zuletzt in Genf ein Aſyl. Auf die wider
ihn auf Hochverrath erhobene Anklage ſtellte er ſich in
Königsberg und ward vom Geſchworenengericht, 8. Dec.
1849, freigeſprochen. Noch in demſelben Monat ward
er von der weſtfäliſchen Stadt Koesfeld zum Abgeord-
neten für die 1. Kammer gewählt, lehnte aber ab und
kehrte zu ſeiner ärzilichen Praxis und ſeinen phyſiologiſchen
Studien zurück. Erſt als der Sturz des Miniſteriums
Manteuffel⸗Raumer⸗Weſtfalen einen Umſchwung der preuß.
Politik verſprach, betrat Jacoby wieder die politiſche
Bühne, und zwar mit einem Verſuch, die voͤllig aufge-
loͤſte demokaatiſche Partei in Preußen zu organiſiren und
zu erneuter thätiger Theilnahme am Staatsleben im kon-
ſtitutionell⸗monarchiſchen Sinne hinzuleiten. Sein poli-
tiſches Glaubensbekenntniß legte er in der Schrift dar:
„Die Grundſätze der preußiſchen Demokratie“ (Berlin,
1859). Die in Königsberg auf ihn gefallene Wahl zur
2. Kammer lehnte er ab und trat erſt, nachdem er bei
den neuen Wahlen Ende Octbr. 1863 vom 2. Berliner
Wahlbezirk wieder gewahlt worden war, in dieſelbe ein.
Wegen einer im Nov. 1863 im Koloſſeum gehaltenen
Rede an ſeine Wähler, worin er auf Steuerverweigerung
als das letzte Mittel zur Löſung des obſchwebenden Kon-
flikts hingedentet haben ſollte, verlangte die Regierung
vom Abgeordnetenhauſe am 6 Deebr. die Genehmigung
zur Einleitung einer Unterſuchung gegen ihn, die aber
verweigert ward, ſo daß er erſt nach dem Schluß der
Seſſion in den Anklageſtand verſetzt werden konnte.
Jakoby wurde wegen Maj ſtätsbeleidigung zu 6 Monaten
Gefängniß verurtheilt, die er in Königsberg verbüßte.
Im Jahr 1866 trat Jakoby bei der Adreßdebatte am
23. Aug. im Namen der Volkspartei gegen den Sieges-
judel der „Regierungspartei“ ein und verurtheilte den „im
Bunde mit einer fremden Macht gegen Deutſche geführten
Krieg als einen, der dem preußiſchen Volke weder zur
Ehre, noch dem deuiſchen Volke zum Heile gereiche.“ Er
ſtimmte mit 24 anderen Abgeordneten (den Polen und
einem Theil der Klerikalen) gegen die Adreſſe, wie ſpäter
in der Sitzung vom 2. Septbr. gegen die Indemnität.
Während des Krieges mit Frankreich hatte Jakoby, der
inzwiſchen aus der Fortſchrittspartei ausgetreten und zur
Volkspartei übergetreten war, mit Eifer gegen jede ge-
waliſame Annexion franzöſiſchen Ländergebiets proteſtirt
und die Annahme einer in einem ſolchen Proteſte gipfeln-
den Reſolution auf einer Königsberger Volksverſammlung
am 14. Sepiember 1870 befürwortet. Wegen dieſer
Rede wurde er auf Befehl des Gouverneurs der Küſten-
provinzen General Vogel v. Falckenſtein am 20. Sept.
verhaftet, „weil durch ſolche Demonſtrationen in Deuiſch-
land die Franzoſen in ihrem Widerſtande ermuthigt wür-
den.“ Mit anderen Geſinnungsgenoſſen wurde er in der
Feſtung Lötzen längere Zeit internirt gehalten. Bei den
allgemeinen Neuwahlen am 16. December 1870 wurde
Jakoby von ſeinen ſo lange ihm treu gebliebenen Wählern
im 2. Berliner Landtagswahlbezirk nicht wiedergewählt.
Eine auf ihn gefallene Wahl zum deutſchen Reichstage
im Wahlkreiſe Leipzig (Land) lehnte Jakoby ab. Wäh-
rend ſeiner letzten Lebensjahre ſchloß er ſich mehr und
mehr der ſocialdemokratiſchen Richtung an und iſt, ab-
geſehen von ſeiner Wirkſamkeit als Mitglied der Stadt-
verordnetenverſammlung zu Königsberg, dem öffentlichen
Leben fern geblieben. Sein Tod reißt daher keine Lücken

in den Reihen irgend einer Partei; groß aber iſt die
Zahl der perſönlichen Freunde, welche um den Hingang
eines Mannes klagen, der von den edelſten Beweggrün-
den geleitet und ohne Selbſtſucht dem öffentlichen Wohl
ſich widmend, darin jedoch ſchwer fehlte, daß er ſein ſub-
jektives Rechtsgefühl für unfehlbar und maßgebend, ihm
gegenüber die Forderungen der politiſchen Entwickelung
ſeiner Nation für irrig und nichtig hielt. Bei dieſem
ſelbſtverſchuldeten Widerſpruch mit den Thatſachen mußte
die politiſche Thätigkeit Jakoby's ſchließlich in das todte
Waſſer des Proteſtes bey der Zurückgezogenheit aus-
münden; ſein ſchließliches Bekenntniß zu den Anſchau-
ungen der Socialdemocratie war ein lediglich theoretiſches

und iſt darum kaum Gegenſtand der öffentlichen Kritik.

Wir wenigſtens wollen unſere Achtung vor dem Todten
nicht dadurch Abbruch thun, daß wir ihn uns als Leben-
den verquickt mit dem wüſten Treiben der heutigen So-
cialdemocratie vorſtellen. ö

Verſchiedenes.

— Aus Darmſtadt, 8. März, wird berichtet: Auf
der Gr. Mathildenhöhe auf der Dieburger Straße wurde
in vergangener Nacht eingebrochen und dem Vernehmen
nach verſchiedene dem Großherzog gehörige Gegenſtände
entwendet. Der Dieb hat auf einem Biette die Worte
hinterlaſſen: Das war ein Darmſtidter Socialdemocrat!

Vielleicht.)

Was iſt das heute? Kampf und Sorgen
Um's Ziel, das nur der Wunſch erreicht,
Die Hand der Hoffnung zeigt auf morgen!
Was iſt das Morgen? Ein Vielleicht!
So fließen Tage hin und Tage.
Bis daß der letzte ſtill entweicht,
Das Schickſal legt in ihre Wage
Das nämliche Gewicht: Vielleicht.

Du haſt mit Deines Geiſtes Waffen
Zerſprengt die Schranken der Natur,
Den Wahn zerriſſen und ihr Schaffen
Erſorſcht bis auf die letzte Spur.
Den Siernen zeichneſt Du die Bahnen,
Der Schöpfung Rättzſel weicht und weicht.
Was iſt die Löſung? Nur ein Ahnen,
Was iſt Dein Wiſſen? Ein Vielleicht!

Dein Herz erklingt in heil'gen Tönen,
Die Kunſt, die hehre Poeſie
Trägt Dich in's Reich des Ewigſchönen;
Du lündeſt, was ſie Dir verlieh!
Mit Blut des Herzens gibſt Du wieder,
Hein ganzes Selbit haſt Du erreicht!
Verſteht die Welt auch Deine Lieder?
Nimmt ſie ſie liebend hin? Vielleicht!

Du haſt das Loſungswort gefunden.
Die Liebe iſt der Puls der Welt!
Du liebſt und haſt Dich ihr verbunden.
Die ſelig Dich umfangen haͤlt.
O welch' ein wonniglich Vermälen,
Das keine Reue je beſchleicht!
Auf ewig jubeln Eure Seelen,
Ein fernes Echo ruft: Vielleicht!

Nein, nein! Du glücklichſter von Allen,
Du haſt's erreicht! Du biſt geliebt.
Da kommt der Tod; mit gift'gen Krallen
Faßt er, was bluͤhend Dich umgibt;
Du küſſeſt in Verzweiflungswehen
Die Lippe, die im Tod erbleicht;
Sie ſtammelt Dir: „Auf Wiederſehen!“
Was iſt Dein letzter Troſt? „Vielleicht!“
Mofenthal.

„) Dieſes im neueſten Jahrgang des „Oeſterr. Volksralenders“ veröffentlichte
Gebich iſt An⸗ der letzten Produktionen des ·1⁰ jäh dahingeſchiedenen Dichters.

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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