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Heidelberger Familienblätter — 1877

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No. 18 - No. 26 (3. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43707#0095

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— 87

ie Augen ſein, welche Kunſt er dann we! ö
als ſiaune kart rut 1 auf (den) 18. dil[ßes Monats) in 14 Per-

zu gemein er Statt nutzen präsen diert hat.“

Daß eine deutſche Zeitung im Jahre 1609 Galilei's

große Erfindung verbreitet hat, wird manchen unſerer
Leſer in freudiges Erſtaunen verſetzen. Eine andere
Correſpondenz aus Venedig gedenkt der Univerſität zu
Padua noch eingehender. Da im Jahre 1609 die Zahl
der Stiudierenden ſich um 400 vermindert hatte, ſo er-
ließ die Univerſität den Befehl, daß künftig alle vene-
tianiſchen Unterthanen ihre Söhne in Padua ſtudiren
laſſen ſollten. Einen großen Umfang nehmen endlich die

Nachrichten über die Verhältniſſe auf dem Mittelmeere,

beſonders das Piratenweſen, in Anſpruch. ö
Gegenüber dieſen zahlreichen Mittheilungen über die
italieniſchen Zuſtände erſcheinen die Verhältniſſe der
innendeutſchen Gebiete, wenn man von den öſterreichiſchen
Landen abſteht, nur ziemlich ſpärlich bedacht. Am meiſten
erfahren wir noch über Nordweſtdeutſchland, welches die
kölner Correſpondenzen ziemlich häufig berückſichtigen.
Auch auf die inneren Zuſtände der Stadt Köln fuͤllt
hier und da ein Lichtſtrahl: die Gegenreformation, ferner
Kämpfe der Zünfte gegen den Rath, in denen es ſich
hauptſächlich um das Recht der erſteren handelte, eine
controlirende Mitaufſicht über die ſtädtiſchen Einnahmen
und Ausgaben zu führen (Nr. 11) werden öfter berührt.
Dagegen erſcheinen Kurſachſen, Brandenburg, die welfiſchen
Lande, ferner der fränkiſche und ſchwäbiſche Kreis nur
äußerſt ſelten in dieſen Blättern; meiſtentheils wird ihrer
nur gelegentlich Erwähnung gethan. In einer beſonderen
Correſpondenz aus Erfurt (7. Februar) wird über einen
großen Unfall berichtet, und zwar am Tage des Unglücks
ſelbſt: durch den Einſturz eines Hauſes kamen 22 Theil-
nehmer an einer Hochzeit, unter ihnen die Braut, um's
Leben und 20 wurden verwundet. — Außerdem aber
enthält der ganze Jahrgang nur noch eine einzige beſon-
dere Correſpondenz aus Frankfurt a. M. Sie befindet
ſich in der 17. Nummer. Dies ſind die beiden einzigen

groͤßeren Städte Innerdeutſchlands, welche durch Sonder-

berichte vertreten ſind.
Endlich wollen wir noch erwähnen, daß die ganze
Zeitung in einem ſehr geſunden, rationaliſtiſchen Zuge
abgefaßt iſt. Die Welt des Spuks und der hölliſchen
Mächte des Wahns hat nur ſehr wenige und ſehr gering-
fügige Ausgeburten hervorgebracht, denen der Heraus-
geber noch einige Bedeutung ſchenken mochte. Die theolo-
giſchen Streitigkeiten in der deutſchen proteſtantiſchen
Kirche werden vollſtändig mit Stillſchweigen „übergangen.
Auch die Statiſtik merkwürdiger Naturerſcheinungen,
auffallender Verbrechen und irgendwie denkwürdiger Er-
eigniſſe des gewöhnlichen Lebens erfährt durch unſere
Zeitung nicht gerade eine der Zahl nach bedeutende Be-
reicherung, wenn auch manche ſehr werthvolle Angaben,
beſonders aus dem Bereich des ſittlichen Lebens über-
liefert werden. Wer ſollte z. B. glauben, daß das nächt-
liche Treiben in der Stadt Prag damals Erſcheinungen
darbot, wie ſie heut' zu Tage nur aus den verrufenſten
Stadtoierteln Londons und New⸗Vorks in ſchwachen An-
klängen bisweilen berichtet werden. Eine Meldung aus
der böhmiſchen Hauptſtadt vom letzten November lautet:
„Allhie in allen drei Stätten iſt zu Nachts ein zeit her
vff der Gaßen ſehr vnſicher, dan die Leut, Mann als
Frauenperſonen mit Stricken gefangen, geplündert, bloß
außgezogen, theil(s) gar erwürgt vnd in die Moldau ge-
worfen worden, wie dann geſtern 7 Perſonen

o b ond vnterhalb der Brucken todt heraus-

gezogen wor den. Man hat auch vor zwei
Tagen 7 derer Geſellen auf S. Lorenzenberg
in einer Caluſen“) aufgehebt ond in die

) Bedeutet in Böhmiſcher Sprache: die Pfütze.

bei Doctor Wacker's Haus ergriffen.

„Schachtley“ gelegt, zwelche bekennt, baß

ſonen ins Waſſer geworfen worden, und
wol 80 meiſtentheils Prager Kinder in
ihrer Geſellſchaft ſein; desgleichen etlich derſelben
Geſellen neulich, welche der Herren Diener angefallen
und von ihnen, bis die Wacht herbeigekommen, gehalten,
Ebner Maßen
haben ſie vor vier Tagen dem Nachrichter auf der Neu-
ſtadt einen Strick an Hals geworfen, der ſich aber mit
Abſchneidung deſſen wieder losgemacht.“ (Nr. 49.)
Ganz ähnliche Zuſtände waren in Neapel, wo man
einſt 40 Perſonen, welche zur Nachtzeit in die Häuſer
einbrachen, feſtnahm.
So war alſo ein außeröſterreichiſcher deutſcher Leſer
dieſer Zeitung weit beſſer über die Verhältniſſe Italiens,
Oeſterreichs und der Niederlande unterrichtet, als über
die Ereigniſſe in der engeren Heimath, deren Kenntniß
ihm offenbar andere Kanäle zuführen mußten.

Johann Jacoby.

Die „Nat.⸗Zig.“ widmet dem Verſtorbenen folgenden
Nachruf: Johann Jacoby war am 1. März 1805 in
Königsberg als Sohn jüdiſcher Eltern geboren, ſtudirte
daſelbſt und in Heidelberg Medicin, brachte dann einige
Jahre auf Reiſen zu und ließ ſich 1830 als praktiſcher
Arzt in ſeiner Vaterſtadt nieder. Noch in demſelben
Jahre begab er ſich nach Polen, um die dort herrſchende
Cholera kennen zu lernen, kehrte aber, als die Seuche
auch in Königsberg ausbrach, dahin zurück. Rückſichts-
los in Bekämpfung wirklich vorhandener oder vermeint-
licher Mißbräuche, namentlich auf dem ſtaatlichen und
politiſchen Gebiet, gerieth er zu wiederholten Malen in
Conflikt mit der Cenſur. An den Zeitfragen betheiligte
er ſich mit verſchiedenen Broſchüren. Größeren Kreiſen
ward er beſonders durch ſeine „Vier Fragen, beantwortet
von einem Oſtpreußen“ (Mannheim 1841) bekannt, die
ihm, da er darin ſcharf und bündig das Berechtigte des
Verlangens des preußiſchen Volks nach einer Verfaſſung
darlegte, eine Anklage auf Hochverrath und vom Berliner
Kriminalgericht trotz ſeiner glänzenden in Zürich und
Winterthur gedruckten Vertheidigungsrede Verurtheilung
zu 2½ jähriger Feſtungsſtrafe zugezogen, welches Urtheil
aber 1843 vom Obertribunal kaſſirt ward. In neuen
Konflikt mit den Behörden brachten ihn ſeine Schriften:

„Das königliche Wort Friedrich Wilhelm III.“, eine

Mahnung an die Regierung, aus der 18415 verheißenen
konſtitutionellen Verfaſſung eine Wahrheit zu machen;
„Preußen im Jahre 1815“, eine Warnung, dem Volke
nicht durch rückwärts gehende Maßregeln und eine jede
Selbſtſtändigkeit nehmende Beamtenwirthſchaft Mißtrauen
gegen die Regierung einzuflößen, und „Beſchränkung der
Redefreiheit“ (1846). Im Jahr 1848 war er ein ſehr
thätiges Mitglied der Reformpartei, betheiligte ſich am
Parlament und ward in den Fünfzigerausſchuß gewählt,
wie er auch in die am 22. Mai eröffnete preuß. National-
verſammlung eintrat, in welcher er zwar nur ſelten das
Wort ergriff, dann aber mit Entſchiedenheit und in
ſchärfſter Formulirung für die Verwirklichung der von
ihm bekannten demokratiſchen Principien eintrat. Bei
dem Empfange der Deputation, die dem König im No-
vember 1848 die Adreſſe überreichte, worin derſelbe um
Bildung eines volksthümlichen Miniſteriums ſtatt des
eben ernannten Brandenburg-Manteuffel'ſchen erſucht
wurde, richtete er an den König die Worte: „Das eben
iſt das Unglück der Könige, daß ſie die Wahrheit nicht
 
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