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BELVEDERE.

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Hebe, Jole oder Auge, gestanden habe, zu welcher der
Held emporblicke. Doch ist die Unmöglichkeit, die
Figur mit einer anderen zu gruppieren, durch die Ver-
suche moderner Bildhauer nachgewiesen. Andere Ge-
lehrte vermuthen, der Held habe, wie der Herakles Epi-
trapezios des Lysippos, in der Linken die Keule, in der
Rechten einen Becher gehalten oder sich mit beiden Hän-
den auf eine lange Keule oder einen Stab oder mit dem
Haupte auf die Rechte, mit der Linken auf die Keule
gestützt. Aber allen diesen Ergänzungsversuchen wider-
spricht die Bewegung des Thorax, der um das Rückgrat
stark nach der r. Seite gedreht und vorwärts gebeugt ist,
eine Bewegung, welche bei einer ausruhenden oder in
einer einigermassen ruhigen Haltung dargestellten Figur
in hohem Grade gezwungen sein würde. Am Besten
stimmt zu dem erhaltenen Thatbestande die Vermuthung,
dass Herakles zur Feier seiner Siege die Kithara spielend
und singend dargestellt gewesen sei. Man hätte dann
anzunehmen, dass die Figur eine grosse Kithara auf den
1. Schenkel stützte, wobei der über diesen Schenkel fal-
lende Zipfel des Löwenfelles als Unterlage diente, dass
die 1. Hand das äussere Horn des Instrumentes fasste
oder auf dem Stege desselben ruhte und die R. in die
Saiten griff, während der Kopf mit zum Singen geöff-
netem Munde nach oben gerichtet war. Die schwung-
volle Bewegung des Thorax würde sich dann aus der Be-
geisterung erklären, mit welcher der Held seinem Spiele
obliegt. Die am 1. Schenkel sichtbaren Ansatzspuren
rühren offenbar von der daselbst angelehnten Keule her.

Der Torso von Belvedere gehört zu den bedeutendsten
Denkmälern, welche die spätgriechische Kunst hinterlas-
sen hat. Allerdings zeigt er nicht mehr die grossartig
ideale Auffassung und die von frischem Leben sprühende
Ausführung, die wir an den Werken aus der Blüthezeit
bewundern. Aber Apollonios war mit Erfolg bestrebt,
den Mangel an genialer Gestaltungskraft durch eingehen-
des Studium zu ersetzen. Die Behandlung des Nackten
an seiner Figur bekundet durchweg eine gründliche
 
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