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Hermann, Hermann Julius; Österreichische Nationalbibliothek; Schlosser, Julius von [Hrsg.]; Wickhoff, Franz [Hrsg.]; Österreichisches Institut für Geschichtsforschung [Hrsg.]
Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich (8. Band = illuminierte Handschriften Nationalbibliothek Wien 1): Die frühmittelalterlichen Handschriften des Abendlandes — Leipzig: Verlag von Karl W. Hiersemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.69972#0011
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Vorwort.

Die Nationalbibliothek, die ehemals k. k. Hofbibliothek in Wien gehört bezüglich ihres Besitzes an illumi-
nierten Handschriften und Inkunabeln zu den reichsten Bibliotheken Europas.1) In dieser Hinsicht kann sie
nur mit der Bibliotheca Vaticana zu Rom und der Bibliotheque nationale zu Paris verglichen werden; unter
den Bibliotheken Deutschlands reicht höchstens die Staatsbibliothek zu München einigermaßen an sie heran.
In ihrer überreichen Sammlung kostbarer Plandschriften und Inkunabeln spiegelt sich die Geschichte eines kunst-
sinnigen Fürstenhauses, das durch nahezu ein halbes Jahrtausend die Kaiserkrone trug und durch seine welt-
geschichtliche Stellung und seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den meisten europäischen Fürsten-
geschlechtern in der Lage war, in den Besitz erlesener Handschriften der verschiedenen Länder und Zeiten zu
gelangen.
Der Schwerpunkt dieser großartigen Bestände liegt in der großen Zahl künstlerisch bedeutender Arbeiten
des XIII.—XVI. Jahrhunderts, unter denen sich nahezu für alle Schulen Europas Zimelien von hohem
kunstgeschichtlichen Interesse befinden. Aber auch für das früheste Mittelalter besitzt die Nationalbibliothek
z. B. in der Wiener Genesis (Theol. graec. 31) und dem Dioscuridescodex (Med. graec. 1) Denkmäler von der größten
Bedeutung. Steht die Nationalbibliothek bezüglich der ottonischen und romanischen Handschriften beträchtlich
hinter der Staatsbibliothek zu München zurück, so besitzt sie doch auch für diese Epoche einige wichtige Denk-
mäler namentlich für die Salzburger und Mondseer Schule des XII. Jahrhunderts. Eine schwere Einbuße erlitt
die Nationalbibliothek durch das im Jahre 1920 zwischen Italien und Österreich geschlossene Sonderabkommen,
demzufolge eine ganze Anzahl wichtiger italienischer Handschriften des IX.—XII. Jahrhunderts sowie drei über-
aus kostbare frühchristliche Purpurhandschriften an Italien abgegeben werden mußten. Möge diese herrliche
Sammlung in Flinkunft vor weiteren Beeinträchtigungen verschont bleiben! Einen überaus wertvollen Schatz
bilden endlich die orientalischen Miniaturhandschriften, namentlich jene des islamitischen Kulturkreises,
die eine der reichsten Sammlungen dieser Art darstellen.
Der vorliegende Band ist der erste einer größeren Reihe von Bänden, die in der Form eines beschreibenden
Verzeichnisses einen Überblick über die Bestände der Nationalbibliothek gewähren sollen. Selbstverständlich
kann keine erschöpfende Bearbeitung der einzelnen Handschriften geboten sein, vielmehr sollen die Fachgenossen
nur in einer knappen Beschreibung mit dem vorhandenen Material näher bekannt gemacht werden und Berich-
tigungen und nähere Bestimmungen der Spezialforschung überlassen bleiben. Der Verfasser ist sich wohl be-
wußt, daß viele Bestimmungen noch der Überprüfung bedürfen. Es versteht sich ganz von selbst, daß z. B.
Besitzvermerke späterer Zeit keine genügend begründete Rückschlüsse auf den Entstehungsort einer Handschrift
gestatten, doch erschien es mit Rücksicht auf die chronologische und topographische Anordnung dieses Ver-
zeichnisses aus praktischen Gründen angezeigt, in Fällen, in denen eine sichere Lokalisierung einer Handschrift
aus stilistischen Gründen nicht möglich war, diese Handschrift wenigstens vorläufig nach dem ältesten bekannten
Besitzvermerk einzuordnen, insoweit dieser nicht einer wesentlich späteren Zeit als die Handschrift selbst
angehört.
Die drei ersten Bände dieses beschreibenden Verzeichnisses werden die frühmittelalterlichen und romanischen
illuminierten Handschriften des Abendlandes enthalten. Die folgenden Bände werden die byzantinischen und
altslavischen, ferner die italienischen, französischen, spanischen, niederländischen und deutschen Hand-
schriften sowie endlich die außereuropäischen Miniaturhandschriften umfassen, welch’ letztere naturgemäß durch
ü Den besten Überblick über ihre Geschichte gibt die treffliche Arbeit von Ottokar Smit al: Die Wiener Hofbibliothek, mit reichen Literatur-
angaben, in: Die beiden Hofmuseen und die Hofbibliothek von Heinrich Zimmermann, Anton Handlirsch und Ottokar Smital, mit einem Vorwort
von Arpad Weixlgärtner (Wien 1920).
 
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