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Einzelformen des Meisenheimer Turmheimes. Dessen sAematisAe und etwas trok-
kene Maßwerkformen wirken am Mittelrhein ganz fremdartig. Derartige Maß-
werkbildung kommt in Deutschland meist im Zusammenhang mit niederländi-
schem Einfluß vor. Die Brüstung über dem Turmoktogon mit ihrer auffallend
einförmigen Reihung von Bogenstellungen gleicht genau der am Umgang in der
nordwestlichen Vorhalle der Xantener ViktorskirAe (842). Diese entstand unter
der Bauleitung des bereits erwähnten Kölner Meisters Johann von Langenberg
(843). - Der Meisenheimer Meister kann die niederländischen Formen und Mo-
tive, falls er niAt selbst in den Niederlanden war, sehr wohl in der Kölner Bau-
hütte kennengelernt haben. Indessen scheint auch der Bauherr der Schloßkirche
an der Vermittlung niederländisAer Anregungen beteiligt gewesen zu sein. Lud-
wig der SAwarze war sAon durA seine Gemahlin, eine geborene Croy, mit den
burgundisAen Niederlanden verbunden. Seine HoAzeit hatte in Luxemburg
stattgefunden. 1477 war Ludwig in Brügge gewesen und hatte dort in Stellver-
tretung des jungen Maximilian den denkwürdigen Ehebund mit Maria von Bur-
gund geschlossen (844). Von dieser Reise scheint er besondere Anregungen mit-
gebraAt zu haben. Sein Werkmeister mußte wohl nur für deren Verwirklichung
sorgen. In Bezug auf die Fürstenloge der SchloßkirAe kann das für siAer gelten.
WahrsAeinlich läßt es sich auA auf den Turmhelm beziehen.
Die Fürstenloge: Gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts
wurden überall in Deuts Aland VersuAe unternommen, eine besondere architek-
tonische Form für den Platz des Landesherrn im Kirchengebäude zu sAalfen. Da-
bei orientierte man siA an der alten Form der HerrsAaffsempore oder an der
Form des erkerartig vorspringenden InnenAörleins, experimentierte aber auA
mit neuen Formen. In Meisenheim entstand eine einfaAe, aber sehr zweckmäßige
Form der Fürstenloge, in DeutsAland wie es sAeint erstmalig. ZwisAen zwei
Strebepfeiler wurde ein zweigesAossiger Bau eingefügt, dessen ObergesAoß
zum KirAeninneren geöffnet und durA einen Laufgang mit dem SAloß ver-
bunden war. Das Vorbild dafür gab offenbar die 1474 entstandene GrunthuyssAe
Tribüne in der LiebfrauenkirAe in Brügge ab. Diese ist ebenfalls zweigesAossig.
Sie wurde zwisAen zwei Strebepfeiler eingefügt. Das ObergesAoß öffnet siA in
Fenstern zum KirAensAiff. Ein Laufgang verbindet es mit dem Palast der
Grunthuys (845). - AuA bei der Wahl des Chorgrundrisses dürfte der Bauherr
maßgebliA beteiligt gewesen sein. Hier liegen die Dinge allerdings komplizierter
und erfordern einen Exkurs.
Die Chorbildung: Die Meisenheimer Chorbildung ist sehr eigenartig. Sie
hat am Mittelrhein weder ein Vorbild noA eine Parallele. Will man sie erklären,
so sind zwei Fragen zu beantworten: 1. WelAe Bauten boten die Anregung?
2. Was bewog dazu, dieser Anregung zu folgen?
GenM/ogie. Zimmermann nennt keine Vorbilder. Er weist nur auf ein Gegen-
stück hin, den Chor der 1490-1500 erbauten WallfahrtskirAe zu Bödingen im
Siegerland, und fügt hinzu, die Chorbildung zeige „den spätgotisAen Wunsch nach
Weite in der seltenen Anwendung des über die Mittelschiffsbreite gehenden DurA-
messers" (846). In der Tat gab es seit dem Beginn der Spätgotik Bestrebungen, die
 
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