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Schluß

DAS GESAMTBILD

Dehio erwähnt in der „Geschichte der deutschen Kunst" von den Bauwerken
der mittelrheinischen Spätgotik nur den Frankfurter Pfarrturm, den Turm zu
Meisenheim und die Valentinskirche in Kiedrich (1059). In anderen Kunstge-
schichten findet die mittelrheinische Spätgotik noch weniger Beachtung; in Ger-
stenbergs berühmtem Buch „Deutsche Sondergotik" spielt sie überhaupt keine
Rolle (1060). Die Gründe für derlei Nichtachtung sind wohl zweifacher Art:
Für die Thesen Gerstenbergs wie für die Betrachtungsweise Dehios bot die
mittelrheinische Baukunst wenig dankbares Material. Beide Autoren waren be-
strebt, besonders eigenwillige Merkmale und Tendenzen der spätgotischen Kunst-
übung hervorzuheben. Diese ließen sich an Bauten anderer KunstlandsAaften
leichter aufzeigen als an Bauten des Mittelrheingebietes. Am Mittelrhein war
man nicht bedingungslos auf Fortschritt eingestellt. Die bedeutenden Meister ver-
suchten stets, Altes und Neues sinnvoll zu verbinden. Madern Gerthener und
Philipp von Gmünd waren modern und konservativ zugleiA. Ihre Werke sind
nicht eindeutig. Sie sind daher ungeeignet, einer nach reinen Stilmerkmalen und
klaren Entwicklungslinien Ausschau haltenden Kunstbetrachtung als Beispiele zu
dienen. - Der zweite Grund für die geringe Beachtung der spätgotischen Bau-
kunst am Mittelrhein ist technischer Art: es fehlt an Vorarbeiten. Die Inventa-
risation ist äußerst lückenhaft. Von vielen wichtigen Bauten sind weder Grund-
risse noch Abbildungen bekannt. Wer sich in das Gebiet der mittelrheinischen
Spätgotik wagt, betritt unerforschtes Land. Dieses Land ist zudem verwirrend
vielfältig. Dehio nannte Württemberg einen gepflegten Garten der Spätgotik
(1061); im Land am Mittelrhein blüht alles bunt durcheinander! Der politischen
Zersplitterung und der besonderen geographischen Lage entsprechend, bietet sich
auch im Bereich der Baukunst ein völlig uneinheitliches Bild.
Der Verfasser behandelte die Hauptgegenstände dieses Bildes. Dabei versuchte
er, auch die wichtigsten Zusammenhänge herauszuarbeiten. Von diesen ausgehend,
wird man allmählich das ganze Bild erfassen können; die vorliegende Arbeit gibt
freilich nur die Anleitung dazu. Eine Geschichte der spätgotischen Architektur
am Mittelrhein müßte etwa 200 Bauwerke berücksichtigen. Viele dieser Bauten
lassen sich nach den angegebenen Grundsätzen einordnen. Andere müßten noch
gesondert betrachtet werden. Schließlich gälte es, auf die Fülle ländlicher Bauten
provinziellen Charakters hinzuweisen. - All das kann hier nicht mehr geschehen.
 
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