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Hoppe, Stephan
Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland: untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570 — Köln: Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.69717#0437
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Funktionale Raumtypen - Die Tafelstube

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Das Fehlen einer direkten internen Verbindung zwischen Küche und Tafel-
gemach, wie es in bezug auf viele Hofstuben beobachtet werden konnte,
kennzeichnet allgemein auch die Plazierung der Tafelstuben. Die sich daraus
ergebenden Probleme, die Speisen warmzuhalten, haben offensichtlich keine
große Rolle gespielt. Größerer Wert scheint aber auf die bequeme Zugäng-
lichkeit von den herrschaftlichen Wohngemächern gelegt worden zu sein.
Überraschend, aber durchgängig belegbar, ist demgegenüber das Fehlen von
Aborten in den Tafelstuben. Während in Meißen und Torgau den Hofstuben
benachbarte Abortanlagen installiert worden sind, besaß keine der bekannten
Tafelstuben einen direkt zugänglichen Abort, für die meisten gab es auch
keinen in der Nähe.

4. Der Große Saal654
Alle hier untersuchten Schlösser besaßen neben der Hofstube einen mehr
oder weniger großen Saal, der in den Quellen auch mit diesem Terminus be-
zeichnet wurde. Im Vergleich zu den bis jetzt vorgestellten Räumen waren
die frühen Säle im mitteldeutschen Schloßbau weniger zur täglichen Nutzung
durch die Herrschaft oder den Hofstaat vorgesehen, sondern Sonderräume für
spezielle Anlässe: So fehlte den Saalräumen auf der Albrechtsburg, dem
Wittenberger Schloß oder dem Torgauer Schloß nicht nur jede Heizungs-
möglichkeit für den Winter, sondern auch die immer wieder in den Inventa-
ren belegte spärliche Möblierung weist darauf hin, daß es sich hier nicht um
täglich genutzte Wohn- und Aufenthaltsräume im engeren Sinn handelte. In-
direkt wird diese Tatsache auch durch die Hofordnungen bestätigt, die den
Saal nie erwähnen und keine Regelungen für seinen täglichen gemeinschaft-
lichen Gebrauch aufstellen. Dies entspricht z. B. den Beobachtungen, die Ul-
rike Wirtler in bezug auf spätmittelalterliche Burgsäle des Rhein- und Mosel-
gebiets gemacht hat: „Da Inventare des 15. Jahrhunderts stets von
leerstehenden Saalräumen berichten, ist eine Verwendung des Saales als täg-
licher Aufenthalts, trotz des oft 'wohnlich' wirkenden Ausstattungsre-
pertoires [gemeint ist die wandfeste Ausstattung], in der Regel auszuschlie-

Mit dem Terminus „Großer Saal“ soll der Hauptsaal einer Schloßanlage bezeichnet
werden, im Gegensatz zu weiteren, auch in den Quellen als Saal bezeichneten Räumen
größerer Ausdehnung. Vergleiche den Ausdruck grande salle für französische Beispiele
bei Uwe Albrecht 1995, S. 18.
 
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