442 Funktionale Raumtypen - Erschließungssysteme und Treppenanlagen
7. Erschließungssysteme und Treppenanlagen
a. Vorräume und Flure
Bis jetzt wurden einzelne Raumtypen vorgestellt, jedoch noch nicht auf die -
sowohl horizontale als auch vertikale - Erschließung dieser Lokalitäten in-
nerhalb eines Schloßkomplexes eingegangen. Da ein Großteil der Innen-
räume nach dem Prinzip des Stuben-Appartements organisiert war, war es
nicht nötig, alle Einzelräume direkt von „öffentlichen“ Bereichen aus zu-
gänglich zu machen. Es genügte, die vorderen Räume, d. h. die Wohnstuben,
an Kommunikationsbereiche angrenzen zu lassen und dort die Hauptein-
gänge in die Raumfolgen anzuordnen. Die zugeordneten Schlafkammem wa-
ren zweckmäßigerweise und entsprechend ihrer gesteigerten Privatheit direkt
aus den Stuben zu erreichen.
Die Erschließungsstruktur früher Schloßbauten, welche in der Forschung bis
jetzt nur oberflächlich und in ihrem formalen Grundrißskelett betrachtet wor-
den ist, wurde dort vor allem als unentwickelt, d. h. negativ, beurteilt. Der
in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der „gefangenen Räume“6"
und die damit verbundene Vorstellung einer wenig separierten Kommunika-
tion700 ist aber nicht den zeitgenössischen Nutzungsgewohnheiten angemes-
sen. Tatsächlich wurde während des ganzen hundertjährigen Untersuchungs-
zeitraums im mitteldeutschen Bereich in erster Linie auf die direkte
Erschließung der funktional vorgeordneten Stubenräume Wert gelegt. Diesen
war stets ein mit einer Treppenachse in Verbindung stehender Vorraum70'
vorgelagert, der nicht nur den Zugang vermittelte, sondern in der Regel auch
Typisch ist z. B. die Beurteilung der Raumanordnung des Güstrower Schlosses durch
Bernstein: „Dagegen ist die Verteilung der nebeneinander liegenden Räume noch nicht
so fortgeschritten, wir finden eine blosse Aufreihung, keine Korridore; die einzige
Verbindung stellen die offenen Galerien dar.“ (Bernstein 1933, S. 31).
Vgl. z. B. Mertens 1972, S. 38 f.
So noch Heppe 1995: „Vielmehr waren die Räume, wie es für das 16. Jahrhundert
durchaus typisch war, hintereinandergeschaltet, so daß man durch alle dazwischenlie-
genden Räume gehen mußte.“ (S. 83).
Die Terminologie dieser Räume schwankt stark. Während sie wie hier auch Vorräume
genannt wurden, waren auch Bezeichnungen üblich, die scheinbar ihren saalartigen,
d.h. geräumigen Charakter betonen. Teilweise handelt es sich aber dort trotzdem um
relativ kleine Räume, wie z. B. im Dachgeschoß des Bemburger Langhauses oder im
Torflügel der Augustusburg. Der Ausdruck „Vorraum“ wird im folgenden zur Kenn-
zeichnung einer bestimmten funktionalen Komponente verwendet, auch wenn mache
dieser „Vorräume“ architektonisch wie auch funktional (vgl. Bemburg) die Hauptsäle
der Schlösser sind (s. u.).
7. Erschließungssysteme und Treppenanlagen
a. Vorräume und Flure
Bis jetzt wurden einzelne Raumtypen vorgestellt, jedoch noch nicht auf die -
sowohl horizontale als auch vertikale - Erschließung dieser Lokalitäten in-
nerhalb eines Schloßkomplexes eingegangen. Da ein Großteil der Innen-
räume nach dem Prinzip des Stuben-Appartements organisiert war, war es
nicht nötig, alle Einzelräume direkt von „öffentlichen“ Bereichen aus zu-
gänglich zu machen. Es genügte, die vorderen Räume, d. h. die Wohnstuben,
an Kommunikationsbereiche angrenzen zu lassen und dort die Hauptein-
gänge in die Raumfolgen anzuordnen. Die zugeordneten Schlafkammem wa-
ren zweckmäßigerweise und entsprechend ihrer gesteigerten Privatheit direkt
aus den Stuben zu erreichen.
Die Erschließungsstruktur früher Schloßbauten, welche in der Forschung bis
jetzt nur oberflächlich und in ihrem formalen Grundrißskelett betrachtet wor-
den ist, wurde dort vor allem als unentwickelt, d. h. negativ, beurteilt. Der
in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der „gefangenen Räume“6"
und die damit verbundene Vorstellung einer wenig separierten Kommunika-
tion700 ist aber nicht den zeitgenössischen Nutzungsgewohnheiten angemes-
sen. Tatsächlich wurde während des ganzen hundertjährigen Untersuchungs-
zeitraums im mitteldeutschen Bereich in erster Linie auf die direkte
Erschließung der funktional vorgeordneten Stubenräume Wert gelegt. Diesen
war stets ein mit einer Treppenachse in Verbindung stehender Vorraum70'
vorgelagert, der nicht nur den Zugang vermittelte, sondern in der Regel auch
Typisch ist z. B. die Beurteilung der Raumanordnung des Güstrower Schlosses durch
Bernstein: „Dagegen ist die Verteilung der nebeneinander liegenden Räume noch nicht
so fortgeschritten, wir finden eine blosse Aufreihung, keine Korridore; die einzige
Verbindung stellen die offenen Galerien dar.“ (Bernstein 1933, S. 31).
Vgl. z. B. Mertens 1972, S. 38 f.
So noch Heppe 1995: „Vielmehr waren die Räume, wie es für das 16. Jahrhundert
durchaus typisch war, hintereinandergeschaltet, so daß man durch alle dazwischenlie-
genden Räume gehen mußte.“ (S. 83).
Die Terminologie dieser Räume schwankt stark. Während sie wie hier auch Vorräume
genannt wurden, waren auch Bezeichnungen üblich, die scheinbar ihren saalartigen,
d.h. geräumigen Charakter betonen. Teilweise handelt es sich aber dort trotzdem um
relativ kleine Räume, wie z. B. im Dachgeschoß des Bemburger Langhauses oder im
Torflügel der Augustusburg. Der Ausdruck „Vorraum“ wird im folgenden zur Kenn-
zeichnung einer bestimmten funktionalen Komponente verwendet, auch wenn mache
dieser „Vorräume“ architektonisch wie auch funktional (vgl. Bemburg) die Hauptsäle
der Schlösser sind (s. u.).