450 Funktionale Raumtypen - Erschließungssysteme und Treppenanlagen
gang zu bestimmten Sonderräumen wie Archiven oder aber den traditionell in
den oberen Geschossen gelegenen Sammlungs- und Werkräumen zu gewäh-
ren. Zu diesem Zweck verband auch im Torgauer Kirchenflügel eine enge
Wendeltreppe die beiden kurfürstlichen Wohnungen und bildete darüber hin-
aus den Zugang zu einem weiteren Archivbereich im Erdgeschoß und abge-
schiedenen Rückzugsräumen im Dachgeschoß. Im selben Flügel führte au-
ßerdem ein auf der Außenseite angebauter kleiner Treppenturm direkt aus
den Wohnräumen in das im Grabenbereich gelegene Badehaus.
Die erwähnten Beispiele belegen, welcher Aufwand getrieben wurde, um den
herrschaftlichen Bewohnern zusätzlich zu den vorderen Haupttreppen eine
ungestörte, dem persönlichen Gebrauch vorbehaltene Kommunikation zu er-
möglichen. Aufgrund der üblichen Zonierung damaliger Schlösser in untere,
allgemeiner zugängliche und in hochgelegene, weniger öffentliche Bereiche
wurden dafür Treppen benötigt, kaum jedoch horizontale Nebengänge.
8. Außengänge und Loggien auf der Hofseite
Der mitteldeutsche Verzicht auf interne Längsflure und damit die Unüblich-
keit einer durchgehenden horizontalen Kommunikation hatte auch Konse-
quenzen für die Anlage von Außengängen und Hofloggien. Immer wieder ist
darauf hingewiesen worden, daß diese Außengänge die Fortführung mittelal-
terlicher Prinzipien der Raumerschließung darstellten und als eine Vorform
der späteren Längsflure anzusehen seien.722
Das früheste Beispiel einer gangartigen Hofloggia innerhalb der hier unter-
suchten Bautengruppe besitzt die Albrechtsburg in Meißen. Dort sind dem
Haupttreppenturm und dem anschließenden Außenwandbereich neben dem
Dom zweigeschossig bzw. dreigeschossig wenig tiefe Gänge vorgelagert, die
arkadenartig überwölbt sind. Sie sind aus dem Großen Saal im ersten Ober-
geschoß und dem kleineren Vorraum im darüberliegenden Geschoß erreich-
bar; nur im ersten Obergeschoß führen sie zusätzlich auf die herrschaftliche
Nordempore im Dom. Bereits hier zeigt sich ihr besonderer Charakter. Die
Aufgabe der Meißener Arkadengänge war nämlich weniger die der Kommu-
nikation, sondern sie dürften hauptsächlich als erhöhte Standplätze zur Be-
trachtung des Geschehens im Schloßhof angelegt worden sein. Diese hier
deutlich aus der Architektur ablesbare Funktion war auch die Hauptaufgabe
aller verwandten, aber jüngeren Anlagen. Das Meißener Prinzip wurde bei
722
Krieg 1932, S. 4; Bernstein 1933, S. 17, S. 21 etc.
gang zu bestimmten Sonderräumen wie Archiven oder aber den traditionell in
den oberen Geschossen gelegenen Sammlungs- und Werkräumen zu gewäh-
ren. Zu diesem Zweck verband auch im Torgauer Kirchenflügel eine enge
Wendeltreppe die beiden kurfürstlichen Wohnungen und bildete darüber hin-
aus den Zugang zu einem weiteren Archivbereich im Erdgeschoß und abge-
schiedenen Rückzugsräumen im Dachgeschoß. Im selben Flügel führte au-
ßerdem ein auf der Außenseite angebauter kleiner Treppenturm direkt aus
den Wohnräumen in das im Grabenbereich gelegene Badehaus.
Die erwähnten Beispiele belegen, welcher Aufwand getrieben wurde, um den
herrschaftlichen Bewohnern zusätzlich zu den vorderen Haupttreppen eine
ungestörte, dem persönlichen Gebrauch vorbehaltene Kommunikation zu er-
möglichen. Aufgrund der üblichen Zonierung damaliger Schlösser in untere,
allgemeiner zugängliche und in hochgelegene, weniger öffentliche Bereiche
wurden dafür Treppen benötigt, kaum jedoch horizontale Nebengänge.
8. Außengänge und Loggien auf der Hofseite
Der mitteldeutsche Verzicht auf interne Längsflure und damit die Unüblich-
keit einer durchgehenden horizontalen Kommunikation hatte auch Konse-
quenzen für die Anlage von Außengängen und Hofloggien. Immer wieder ist
darauf hingewiesen worden, daß diese Außengänge die Fortführung mittelal-
terlicher Prinzipien der Raumerschließung darstellten und als eine Vorform
der späteren Längsflure anzusehen seien.722
Das früheste Beispiel einer gangartigen Hofloggia innerhalb der hier unter-
suchten Bautengruppe besitzt die Albrechtsburg in Meißen. Dort sind dem
Haupttreppenturm und dem anschließenden Außenwandbereich neben dem
Dom zweigeschossig bzw. dreigeschossig wenig tiefe Gänge vorgelagert, die
arkadenartig überwölbt sind. Sie sind aus dem Großen Saal im ersten Ober-
geschoß und dem kleineren Vorraum im darüberliegenden Geschoß erreich-
bar; nur im ersten Obergeschoß führen sie zusätzlich auf die herrschaftliche
Nordempore im Dom. Bereits hier zeigt sich ihr besonderer Charakter. Die
Aufgabe der Meißener Arkadengänge war nämlich weniger die der Kommu-
nikation, sondern sie dürften hauptsächlich als erhöhte Standplätze zur Be-
trachtung des Geschehens im Schloßhof angelegt worden sein. Diese hier
deutlich aus der Architektur ablesbare Funktion war auch die Hauptaufgabe
aller verwandten, aber jüngeren Anlagen. Das Meißener Prinzip wurde bei
722
Krieg 1932, S. 4; Bernstein 1933, S. 17, S. 21 etc.