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Hoppe, Stephan
Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland: untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570 — Köln: Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 1996

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69717#0485
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Zusammenfassung und Ausblick 475

G. Zusammenfassung und Ausblick
Durch die hier erstmals in größerem Umfang und entsprechender Detailliert-
heit vorgenommene Kombination zeitgenössischer Schloßinventare mit dem
Restbaubestand und anderen Quellengattungen haben sich eine Vielzahl
neuer Einblicke in die innere architektonische Organisation und die Nut-
zungsstruktur früher deutscher Schloßbauten ergeben. Wesentliche architek-
tonische und funktionale Eigenheiten deutscher Renaissanceschlösser des 16.
Jahrhunderts sind im mitteldeutschen Untersuchungsgebiet bereits im späten
15. Jahrhundert entwickelt worden. Eine führende Rolle scheint dabei der
kursächsische Hof gespielt zu haben; es fehlen allerdings bis jetzt vergleich-
bare Untersuchungen zu anderen deutschen Regionen.
Zu den bedeutendsten der gegen Ende des 15. Jahrhunderts bereits über-
regional verbreiteten Neuerungen in der inneren Raumorganisation gehörte
die in allen untersuchten Anlagen voll ausgebildete und durchgehend ange-
wandte Ausdifferenzierung und Gruppierung einzelner Wohnbereiche in Ge-
stalt zweiräumiger Appartements. Diese wurden immer aus einer vorderen
Wohnstube und einer nachgeordneten Schlafkammer gebildet und unter-
schieden sich damit prinzipiell von zeitgleichen westeuropäischen Apparte-
mentlösungen. In Mitteleuropa wurde der vordere Wohnraum stets durch ei-
nen Ofen beheizt, während die Schlafkammer höchstens einen Kamin besaß.
Die Albrechtsburg in Meißen von 1471, der Alte Saalflügel in Torgau von
1482 und das Wittenberger Schloß von 1489 stellten aufschlußreiche frühe
Beispiele für diesen Appartementtyp und den signifikanten Zusammenhang
zwischen Raumnutzung und Heizungstechnik dar.
Diese Bauten belegen gleichzeitig die grundlegende Bedeutung des Appar-
tementschemas für die architektonische Gesamtkonzeption der frühen
Schloßbauten. Dazu gehört vor allem das erst in Kenntnis der funktionalen
Raumorganisation zu würdigende Bestreben der Baumeister, den Bewohnern
der repräsentativsten tagsüber zu nutzenden Wohnräume eine möglichst
großzügige Belichtung und mehrseitige Ausblicke in die Umgebung der
Schlösser zu ermöglichen. Diese - sicher als Herrschaftsgestus zu verste-
hende - Miteinbeziehung des Ausblicks und bewußte Gestaltung der Befen-
sterung, die auch bei der Anlage anderer herrschaftlicher Räume eine große
Rolle spielte, kann als ein Wesensmerkmal der untersuchten spätgotischen
mitteldeutschen Schloßarchitektur angesehen werden, das auch noch für den
davon abgeleiteten deutschen Schloßbau des 16. Jahrhunderts von grundle-
gender Bedeutung war. Vor diesem Hintergrund lassen sich nicht nur viele
innere, scheinbar regellose Grundrißlösungen erstmals erklären; vielmehr
 
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