Funktionale Raumtypen - Der Große Saal
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den Wohnstuben - auf die an sich repräsentative Konnotation des Kamins zu-
rückzufuhren sein könnte.
5. Die Anlage von „Zusatz-Sälen“ oder das Problem der
Galerie in Deutschland
1601 und auch noch 1610 befand sich im damals sonst nur spärlich ausgestat-
teten jüngeren Torgauer Saal eine „Hülzeme schießwandt uff 4 Walzen“ (Inv.
1610; ähnlich Inv. 1601, fol. 21r). Eine solche war auch 1618 im Hauptsaal
des Wittenberger Schlosses vorhanden (Inv. 1618, fol. 24r). Die Säle wurden
also offensichtlich nicht nur für Feste im engeren Sinne, wie z. B. Tanzver-
anstaltungen verwendet, sondern auch für eher sportliche Betätigungen.
Diese Nutzungsvariante lenkt den Blick auf einen verwandten Raumtyp: die
besonders in Frankreich und England bereits im Spätmittelalter weitverbrei-
tete Galerie. Da die Burg- und Schloßanlagen dieser Nachbarländer funktio-
nal prinzipiell anders organisiert waren, d. h. die hall sowohl Funktionen der
deutschen Hofstube als des Großen Saals wahmahm, waren dort bestimmte
Funktionen bereits früh in zusätzliche langgestreckte Räume verlagert wor-
den.
Das Phänomen von Galerieräumen675 in deutschen Renaissanceschlössem ist
dagegen erst spät von der Forschung beachtet worden. Erst 1980 hat Wolf-
gang Götz auf einige deutsche Beispiele des 16. Jahrhunderts hingewiesen.
Er versteht unter dem Begriff Galerie „einen langgestreckten, oft gangartigen
Raum, in aller Regel über einem offenen Arkadengang. Die Galerie ist meist,
obwohl 'autonomer Raum', auch Verbindungsraum (zweier Flügel, Pa-
villons, vielfach auch zur Schloßkapelle) und ursprünglich beidseitig belich-
tet; sie kann jedoch auch frei stehen.“676 Die älteste ihm bekannte entspre-
chende Raumbildung in Deutschland ist der sogenannte Kapellengang im
italienischen Bau der Landshuter Stadtresidenz von 1536 - 1543. Unter den
jüngeren Beispielen führt er die bald nach 1548 entstandenen langgestreckten
Säle im Südflügel des Dresdener Schlosses und die auch in der vorliegenden
Arbeit bereits erwähnte sogenannte Stammstube in der Augustusburg auf.
Beiden Beispielen ist gemeinsam, daß es sich um langgestreckte, saalartige
Das Wort „Galerie“ war im deutschen Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts nicht un-
bekannt, wie seine Verwendung für die offen Arkadenhalle der Augustusburg belegt
(1576, fol. 237v). Es wurde aber in der Regel nicht in der hier benutzten architektur-
geschichtlichen Bedeutung verwendet.
Götz 1980, hier S. 273.
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den Wohnstuben - auf die an sich repräsentative Konnotation des Kamins zu-
rückzufuhren sein könnte.
5. Die Anlage von „Zusatz-Sälen“ oder das Problem der
Galerie in Deutschland
1601 und auch noch 1610 befand sich im damals sonst nur spärlich ausgestat-
teten jüngeren Torgauer Saal eine „Hülzeme schießwandt uff 4 Walzen“ (Inv.
1610; ähnlich Inv. 1601, fol. 21r). Eine solche war auch 1618 im Hauptsaal
des Wittenberger Schlosses vorhanden (Inv. 1618, fol. 24r). Die Säle wurden
also offensichtlich nicht nur für Feste im engeren Sinne, wie z. B. Tanzver-
anstaltungen verwendet, sondern auch für eher sportliche Betätigungen.
Diese Nutzungsvariante lenkt den Blick auf einen verwandten Raumtyp: die
besonders in Frankreich und England bereits im Spätmittelalter weitverbrei-
tete Galerie. Da die Burg- und Schloßanlagen dieser Nachbarländer funktio-
nal prinzipiell anders organisiert waren, d. h. die hall sowohl Funktionen der
deutschen Hofstube als des Großen Saals wahmahm, waren dort bestimmte
Funktionen bereits früh in zusätzliche langgestreckte Räume verlagert wor-
den.
Das Phänomen von Galerieräumen675 in deutschen Renaissanceschlössem ist
dagegen erst spät von der Forschung beachtet worden. Erst 1980 hat Wolf-
gang Götz auf einige deutsche Beispiele des 16. Jahrhunderts hingewiesen.
Er versteht unter dem Begriff Galerie „einen langgestreckten, oft gangartigen
Raum, in aller Regel über einem offenen Arkadengang. Die Galerie ist meist,
obwohl 'autonomer Raum', auch Verbindungsraum (zweier Flügel, Pa-
villons, vielfach auch zur Schloßkapelle) und ursprünglich beidseitig belich-
tet; sie kann jedoch auch frei stehen.“676 Die älteste ihm bekannte entspre-
chende Raumbildung in Deutschland ist der sogenannte Kapellengang im
italienischen Bau der Landshuter Stadtresidenz von 1536 - 1543. Unter den
jüngeren Beispielen führt er die bald nach 1548 entstandenen langgestreckten
Säle im Südflügel des Dresdener Schlosses und die auch in der vorliegenden
Arbeit bereits erwähnte sogenannte Stammstube in der Augustusburg auf.
Beiden Beispielen ist gemeinsam, daß es sich um langgestreckte, saalartige
Das Wort „Galerie“ war im deutschen Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts nicht un-
bekannt, wie seine Verwendung für die offen Arkadenhalle der Augustusburg belegt
(1576, fol. 237v). Es wurde aber in der Regel nicht in der hier benutzten architektur-
geschichtlichen Bedeutung verwendet.
Götz 1980, hier S. 273.