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Hoppe, Stephan
Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland: untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570 — Köln: Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.69717#0464
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454 Funktionale Raumtypen - Steigerung des Ausblicks und Rückzugsräume

als Allgemeingut aufwendiger französischer Schloßanlagen angesehen wer-
den können und auch im 16. Jahrhundert dort weit verbreitet waren: „Auch in
L'Islette [um 1520], Villegongnis [ab ca. 1535], Veuil [um 1520] und Azay-
le-Rideau [ab 1518] können die dem Schloß nach außen vorgelegten Lauf-
gänge mit Zinnen in ihrer praktischen Funktion nur als Wandelgang mit
Ausblick in die Landschaft verstanden werden, wohingegen das wehrhafte
Erscheinungsbild eine Allusion auf die feudalen Machtansprüche sein
will.“729 Die Wertschätzung des Ausblicks in die Landschaft läßt sich auch an
zahlreichen Details im italienischen Villenbau seit der Mitte des 15. Jahrhun-
derts nachweisen. So hat James Ackerman am Beispiel der Medici-Villa in
Fiesoie betont, daß dabei der Aspekt der Herrschaft über Land bzw. Lände-
reien, aber auch bereits eine ästhetische Wertschätzung der Landschaft eine
große Rolle spielte: „One aspect of the funktion that had not been factor in
previous country building was the weight given to the extensive view.
Clearly, the patron chose the site because it commanded all of Florence and a
great stretch of the Arno valley, though a Contemporary letter quotes Cosimo
as having said that he preferred Cafaggiolo because there everything he could
see belonged to the family. In this respect the Fiesoie villa anticipated a
re-awakening interest in the aesthetic values of the natural landscape [...].“73°
Ganz allgemein sei in diesem Sinn an die Darstellung von Überschauland-
schaften und des eigenen Territoriums in Fürstenportraits des 15. und 16.
Jahrhunderts erinnert.
Im mitteldeutschen Schloßbau scheinen ähnliche hochgelegene zivile Um-
gänge oder Aussichtsterrassen erst im fortgeschrittenen 16. Jahrhundert eine
zurückhaltende Verbreitung gefunden zu haben. Sie fehlten noch der Al-
brechtsburg, dem Wittenberger Schloß, aber auch im Torgauer Schloß der
1530er und 1540er Jahre. Eine frühe, ungedeckte Hochterrasse befand sich
im Berliner Schloß in Traufhöhe auf dem ab 1540 errichteten Reitschnecken-
turm vor der Hoffassade des Spreeflügels (Abb. 6, Buchstabe a).731 Ein Blick
über das Gebäude hinweg wurde aber hier durch das dahinter aufsteigende
Dach verhindert. Zur selben Zeit ist jedoch auch auf der Feldseite desselben
Gebäudes im zweiten Obergeschoß eine überdeckte Laube auf dem „Grüner

Prinz/Kecks 1994, S. 58.
Ackerman, James S.: The Villa. Form and Ideology of Country Houses. London 1990,
hier zitiert nach der Ausgabe London 1995, S. 77.
Wiesinger 1989, S. 37 ff. Abzulesen trotz zwischenzeitlichem Umbau auf einer Zeich-
nung des inneren Schloßhofes von Johann Stridbeck d. J. um 1690 (Abb. Wiesinger
1989, Abb. 17). In der Rekonstruktionszeichnung von Geyer (1936) ist sie ein Geschoß
zu hoch angenommen.
 
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