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möglichst ununterbrochen überblicken will, Vortheile; geschweige denn für die Kirche, wo
man nur auf einen Punkt (die Kanzel oder den Altar) hinzusehen hat*). Die Halbkreis-Form
verdankt ihre Beliebtheit bei Theatern wohl hauptsächlich nur der Rücksicht, dass hierbei
die schöngeputzte Welt -■- wie um einen grossen runden Conversations -Tisch sitzend —
sich gegenseitig betrachten kann. In einer Kirche dürfte aber diese Unterhaltungs-Art wohl
nicht zu wünschen seyn. Man denke sich endlich gar die — durch den Halbkreis bedingte —
ungeheuer breite Decke, welche, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, in mehrfacher
Beziehung zu vermeiden ist.

II. Das Haupt-Verhältniss des Innern.

Ich glaube kaum, dass der kirchliche Character durch irgend etwas mehr beleidigt werden
kann, als durch das gedrückte reitschul - artige Verhältniss unserer meisten Landkirchen,
welche oft kaum halb so hoch als breit sind, während vielmehr das umgekehrte Verhältniss
statt finden sollte. Welch' einen erhebenden Eindruck gewähren die hoch emporstehenden
Schiffe der mittelalterlichen Kirchen! Sie ziehen den Beschauer (möchte man sagen) mit Ge-
walt zu Gott hinauf. Indessen muss man es ein für allemal aufgeben, einen solchen Aufschwung
unserer nüchternen Zeit zumuthen zu wollen. Bei evangelischen Kirchen ist eine solche Höhe
aus akustischen Rücksichten nicht wohl statthaft; aber selbst auch bei katholischen Kirchen
möchte der Architect in den meisten Fällen nicht leicht eine grössere Höhe der Mauern
erkämpfen können als 35bis45 Fuss. Hierdurch wird nun selbst bei kleinern, 40 Fuss breiten
Landkirehen das Haupt-Verhältniss des Innern schon sehr beeinträchtigt, und gar bei grössern,
60 Fuss und noch mehr breiten Kirchen bis zur Widerwärtigkeit herabgedrückt. Die grosse
Decke, welche der geringen Höhe wegen scheinbar noch breiter wird, lastet schwer auf
dem Beschauer und theilt ihre Vergänglichkeit sogar den stärksten Umfassungs-Mauern mit:
denn augenfällig müssen bei einem ausbrechenden Brande die einstürzenden schweren Balken
das Gemäuer zugleich mit umwerfen.

Die schon öfter gepriesenen Basiliken haben ebenfalls nur mäsig hohe Mauern und durch-
gängig nur hölzerne Decken. Und warum erkennt dennoch Jedermann diesen Gebäuden im
vollsten Mase den kirchlichen Character zu? Die Ursache hiervon liegt unstreitig darin,
dass bei den Basiliken die Decke der Breite nach in dreiTheile getheilt ist durch zweiBogeu-
stellungen, welche den innern Raum in ein Mittel-Schiff und zwei Seiten-Schiffe absondern.

*) Der ausführliche Beweis dieser Behauptung findet sich in meiner 1825 erschienenen Schrift „über

Theat

er.'
 
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