21
heutigen katholischen Kirchen hat sich wenigstens noch so viel Opulenz erhalten, dass die-
selben hinlänglich gross angelegt werden, um keine Emporen (ausser der wegen akustischer
Rücksicht in der Höhe befindlichen Orgelbühne) nöthig zu haben. Aber dies verhält sich
nicht so bei den evangelischen Kirchen. Hier würde selbst die kleinste Kirche, wobei eine
Zusammendrängung in die Nähe der Kanzel noch keineswegs durch akustische Rücksichten
geboten wird, ohne Emporen als eine verschwenderische Anlage gelten, und wäre, wenig-
stens unter den gewöhnlichen Auspicien, von Seiten des Architecten nicht durchzusetzen.
Bei grösseren Kirchen sind allerdings Emporen nicht zu umgehen, und der Kampf des
Architecten wird hier mehr dahin gerichtet seyn müssen, den Bauherrn begreiflich zu machen:
dass ein Unterschied zwischen anständiger und zwischen geiziger Erfüllung des Zweckes ist,
welch1 letztere alle Würde unwiederbringlich tödtet, man wende sonst auch noch so viele
Pracht auf; dass ferner die Emporen nicht so gedrückt über einander stehen dürfen, wie die
Zwischen-Geschosse in Magazinen, und dass sie verhältnissmäsig zu dem frei bleibenden
Mittel-Raum nicht zu breit (tief) seyn dürfen, weil man sonst eine Beklemmung statt einer
Erhebung empfindet. Bei der Anlage dieser Emporen wird in der Regel folgende Stufenfolge
sich ergeben: 1) bei ganz kleinen Kirchen sollte eigentlich nur eine Ouer-Empore — der
Kanzelwand gegenüber — genügen. 2) Bei mittleren Kirchen müssen ausserdem noch Emporen
auf beiden langen Seiten angebracht werden, so dass diese die Seiten-Schiffe bilden, und
dass in der Mitte ein freies Haupt-Schiff übrig bleibt. 3) In grossen Kirchen dürfte der
Raum-Gewinnung wegen selbst noch hinter der Kanzel-Wand eine Quer-Empore — etwa
für die Orgel — zu empfehlen seyn. Für diese drei Anordnungs-Arten ist augenscheinlich das
Oblongum am passendsten, und kann für den ersten Fall am längsten seyn, bei dem zweiten
Falle sich dem Quadrat mehr nähern, und endlich bei dem dritten Falle dasselbe ganz
erreichen, damit nicht die Entfernung der äussersten Plätze von der Kanzel zu gross werde.
Das Aeussere des Gebäudes wird mitEinrechnung desThurmes, der Vorhalle und der Treppen
vorn und hinten dennoch ein Oblongum bilden.
Wenn auch für den Grund-Plan grosser evangelischer Kirchen — ausser dem Oblongum
— noch manche mehr zusammengesetzte Formen, z. B. diejenige eines T oder eines Kreuzes,
je nach besondern Local-Verhältnissen zweckmäsig seyn dürften; so möchte doch der öfter
vorgeschlagene Halbkreis unbedingt zu verwerfen seyn. Denn da der durch die Emporen zu
gewinnende Raum sich (bei gleicher Tiefe) nur mit der Gesammt-Länge der Umfassungs-
Wände vergrössert; so muss die Kreis-Form (welche von einer kleinern Umfassungs-Linie
eingeschlossen wird, als das um den Kreis beschriebene Rechteck) notwendiger Weise
einen Raum-Verlust verursachen. Und überdies gewährt sie in optischer und selbst iu akusti-
scher Beziehung nicht einmal für das Theater, wo man immer den ganzen Bühnen-Raum
6
heutigen katholischen Kirchen hat sich wenigstens noch so viel Opulenz erhalten, dass die-
selben hinlänglich gross angelegt werden, um keine Emporen (ausser der wegen akustischer
Rücksicht in der Höhe befindlichen Orgelbühne) nöthig zu haben. Aber dies verhält sich
nicht so bei den evangelischen Kirchen. Hier würde selbst die kleinste Kirche, wobei eine
Zusammendrängung in die Nähe der Kanzel noch keineswegs durch akustische Rücksichten
geboten wird, ohne Emporen als eine verschwenderische Anlage gelten, und wäre, wenig-
stens unter den gewöhnlichen Auspicien, von Seiten des Architecten nicht durchzusetzen.
Bei grösseren Kirchen sind allerdings Emporen nicht zu umgehen, und der Kampf des
Architecten wird hier mehr dahin gerichtet seyn müssen, den Bauherrn begreiflich zu machen:
dass ein Unterschied zwischen anständiger und zwischen geiziger Erfüllung des Zweckes ist,
welch1 letztere alle Würde unwiederbringlich tödtet, man wende sonst auch noch so viele
Pracht auf; dass ferner die Emporen nicht so gedrückt über einander stehen dürfen, wie die
Zwischen-Geschosse in Magazinen, und dass sie verhältnissmäsig zu dem frei bleibenden
Mittel-Raum nicht zu breit (tief) seyn dürfen, weil man sonst eine Beklemmung statt einer
Erhebung empfindet. Bei der Anlage dieser Emporen wird in der Regel folgende Stufenfolge
sich ergeben: 1) bei ganz kleinen Kirchen sollte eigentlich nur eine Ouer-Empore — der
Kanzelwand gegenüber — genügen. 2) Bei mittleren Kirchen müssen ausserdem noch Emporen
auf beiden langen Seiten angebracht werden, so dass diese die Seiten-Schiffe bilden, und
dass in der Mitte ein freies Haupt-Schiff übrig bleibt. 3) In grossen Kirchen dürfte der
Raum-Gewinnung wegen selbst noch hinter der Kanzel-Wand eine Quer-Empore — etwa
für die Orgel — zu empfehlen seyn. Für diese drei Anordnungs-Arten ist augenscheinlich das
Oblongum am passendsten, und kann für den ersten Fall am längsten seyn, bei dem zweiten
Falle sich dem Quadrat mehr nähern, und endlich bei dem dritten Falle dasselbe ganz
erreichen, damit nicht die Entfernung der äussersten Plätze von der Kanzel zu gross werde.
Das Aeussere des Gebäudes wird mitEinrechnung desThurmes, der Vorhalle und der Treppen
vorn und hinten dennoch ein Oblongum bilden.
Wenn auch für den Grund-Plan grosser evangelischer Kirchen — ausser dem Oblongum
— noch manche mehr zusammengesetzte Formen, z. B. diejenige eines T oder eines Kreuzes,
je nach besondern Local-Verhältnissen zweckmäsig seyn dürften; so möchte doch der öfter
vorgeschlagene Halbkreis unbedingt zu verwerfen seyn. Denn da der durch die Emporen zu
gewinnende Raum sich (bei gleicher Tiefe) nur mit der Gesammt-Länge der Umfassungs-
Wände vergrössert; so muss die Kreis-Form (welche von einer kleinern Umfassungs-Linie
eingeschlossen wird, als das um den Kreis beschriebene Rechteck) notwendiger Weise
einen Raum-Verlust verursachen. Und überdies gewährt sie in optischer und selbst iu akusti-
scher Beziehung nicht einmal für das Theater, wo man immer den ganzen Bühnen-Raum
6