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Hübsch, Heinrich
Bauwerke: Text zum ersten und zweiten Heft — Karlsruhe und Baden, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.3193#0022
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getreten, bis zur gegenüberstehenden Wand, woran der Chor angebaut ist, kaum noch eine
Entfernung von 30 Fuss. Dagegen ist ein allzuviel in die Länge gezogenes Oblongum,
wobei kleinere Kirchen zu schmal würden, eben so wenig zu empfehlen, und verbietet sich
schon wegen des heutigen Ritus, welcher sogar in der kleinsten Pfarr-Kirche drei Altäre
verlangt, von selbst. Wenn z. B. für das Langhaus einer Kirche von eben genanntem
Quadrat-Inhalt ein Oblongum gewählt werden sollte, welches 2%mal so lang als breit wäre,
so würde dessen Breite nur 27' betragen. Hierbei blieben aber nach Abzug von 17', welche
Breite der Chor (wo der 9' lange Haupt-Altar anständig Plaiz finden soll) doch immer haben
muss, nur 5' auf jeder Seite für die beiden Seiten-Altäre übrig, welche eigentlich nicht
weniger als 7 Fuss lang seyn dürfen, und also hier nicht mehr placirt werden könnten. Bei
grösseren Kirchen, wobei die (weiter unten zu besprechende) Eintheilung in drei Schiffe
statt findet, kann man ohne Beeinträchtigung der kirchlichen Würde das durch die Umfassungs-
Mauern einzuschliessende Oblongum schon mehr dem Quadrat nähern.

In der Regel erhalten unsere katholischen Kirchen nur einen Chor für den Haupt-Altar,
und es werden keine besonderen Neben-Chöre für die Seiten-Altäre angelegt, sondern diese
letzteren werden auf die eben angenommene Weise im Langhaus zu beiden Seiten des Chor-
Anfangs aufgestellt. Der Chor, dessen Boden um mehrere Stufen erhöht wird, gibt (von
jeder andern Eigenschaft ganz abgesehen) schon wegen der Raum-Vergrösserung an sich
dem Innern mehr Würde. Er darf nicht zu klein seyn, aber eben so wenig ist es zu
loben, wenn er ganz ausser allem Verhältniss zum Haupt-Körper der Kirche — dem Lang-
haus — tritt, d. h. wenn die Länge des im Innern und Aeussern als abgesonderter Theil
behandelten Chors der Länge des Laughauses nicht genug untergeordnet ist. Das Organische
des Ganzen geht alsdann verloren, und der Chor sieht wie eine nachträgliche Verlängerung
der Kirche aus.

Auch hinsichtlich der Orgelbühne tritt sehr leicht der eben gerügte Misstand einer über-
mäsigen Grösse ein: denn sie soll oft, trotz der kleinen Kirche, eine sehr grosse Orgel
aufnehmen und ausserdem noch viel Platz gewähren. Diese (freilich bei den alten Basiliken
nicht vorkommende) Bühne wird in Bezug auf das Innere am vortheilhaftesten gerade dem
Chor gegenüber, also über dem Haupt-Eingang angebracht, verkümmert aber dagegen nicht
selten die grossartige Anlage des letztern und der Vorder-Facade überhaupt.

B. Die evangelischen Kirchen bedürfen möglichst vieler Emporbühnen und erhalten keinen
Chor. Wenigstens in Süddeutschland ist die Aufstellung des Altars in einem besonders her-
vorgehobenen Chor und die Versetzung der Kanzel an einen in optischer Beziehung unter-
geordneten Platz nicht üblich. Ein schlechter Tausch für die Architectur!— Verlust des
Chor-Raumes, und nochmalige Verringerung des freien Raumes durch die Emporen. Bei den
 
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