42
Widerlager und Gewölbe, deren Dicke hier gewöhnlich im Vergleich zu ihrer Höhe oder
Länge ziemlich gering ist, keineswegs als feste Stücke annehmen, sondern als biegsam, und
dies um so eher, als oft ganz geringe Ausbiegungen schon Baufälligkeit, ja den Einsturz
herbeiführen. Man hat folglich die Gesetze biegsamer, schverer Linien, d. h. der Seil-
Polygone und Ketten-Linien (worüber Diejenigen, welche in der höhern Mathematik nicht
bewandert sind, die unten beigefügten Erklärungen *) lesen mögen) anzuwenden. Wenn
sich auch die Lager-Fugen an der innern Seite D G (Fig. I) einer umstürzenden Mauer nicht
gerade immer in gleichen Entfernungen öffnen werden, um eine regelmäsige Biegung zu
erzeugen, wie bei einer gleich-gliedrigen Kette statt findet; so bleiben dennoch die aus der
vollkommenen Biegsamkeit abgeleiteten Wirkungen im Wesentlichen dieselben. Denn es sey
eine klein-gliedrige Kette — mehr oder weniger gekrümmt — mit beiden Enden auf eine Ver-
tical-Fläche aufgehängt^ so wird eine zweite Kette, welche nur aus wenigen, und zwar
theils kurzen, theils langen Draht-Stangen besteht, — in gleicher Länge vor die erste Kette
*) Wenn eine vollkommen biegsame klein-gliederige Kette mit ihren beiden Enden an einer horizon-
j^ £ talen Decke A A Fig IL aufgehängt wird, so heisst
die krumme Linie i 5 4, welche die Kette sich
selbst überlassen bildet und welche — je nachdem
sie länger oder kürzer ist, oder je nachdem die
beiden End-Puncte A einander näher oder entfernter
gerückt werden — einen mehr gekrümmten oder
einen mehr flachen Bogen erzeugt, eine Ketten-Linie.
B Sind alle Ketten-Glieder gleich schwer, so bildet sich
eine gemeine Ketten-Linie, wie bei Fig II. angenommen ist. Würden aber die Glieder der beiden
Ketten - Enden allmälig schwerer, so müsste die Linie sich an den Enden mehr krümmen und
mehr einem Halbkreis nähern; würden dagegen die Glieder gegen die Mitte B hin allmälig schwerer,
so müsste die Linie sich hier mehr zuspitzen, und die beiden Enden würden sich mehr strecken.
Wenn sich an einer (als gewichtlos angenommenen) Schnur stellenweise unverschiebbare Knoten
befinden, worin Gewichte hängen; so wird sich bei der durch Fig II. dargestellten Aufhängung
dieser Schnur — statt einer stetigen krummen Linie — ein Polygon bilden, dessen Seiten durch
die von Knoten zu Knoten gerad-gespannten Abtheilungen der Schnur und dessen Ecken durch die
mit Gewichten beschwerten Knoten erzeugt werden. Ein solches Polygon heisst ein Seil-Polygon.
Bei dem letzteren sowohl, als bei der Ketten-Linie befinden sich alle Theile in einem vollkom-
menen Gleichgewicht. Jedes Glied der Kette z. B. C nimmt eine solche Lage an, dass es durch
das Gewicht des daran hängenden untern Theils C B der Kette gerade um so viel einwärts gegen
D gezogen wird, als es durch das Gewicht des obern Theils C A, an welchem es hängt, und
welcher für sich allein von A senkrecht herabhängen würde, auswärts gegen E gezogen wird.
Wenn man nun dieses System gerade umkehrt, so findet ebenfalls ein vollkommenes Gleichge-
wicht der einzelnen Glieder statt. Man lege nämlich eine Uhr-Kette (deren einzelne Glieder durch
Charniere mit einander verbunden sind) oder gleich grosse und schwere Scheibchen (z. B. Dam-
brett-Steine) nach der Ketten-Linie Fig II. auf eine Tafel, so werden, wenn die Tafel allmälig in
Widerlager und Gewölbe, deren Dicke hier gewöhnlich im Vergleich zu ihrer Höhe oder
Länge ziemlich gering ist, keineswegs als feste Stücke annehmen, sondern als biegsam, und
dies um so eher, als oft ganz geringe Ausbiegungen schon Baufälligkeit, ja den Einsturz
herbeiführen. Man hat folglich die Gesetze biegsamer, schverer Linien, d. h. der Seil-
Polygone und Ketten-Linien (worüber Diejenigen, welche in der höhern Mathematik nicht
bewandert sind, die unten beigefügten Erklärungen *) lesen mögen) anzuwenden. Wenn
sich auch die Lager-Fugen an der innern Seite D G (Fig. I) einer umstürzenden Mauer nicht
gerade immer in gleichen Entfernungen öffnen werden, um eine regelmäsige Biegung zu
erzeugen, wie bei einer gleich-gliedrigen Kette statt findet; so bleiben dennoch die aus der
vollkommenen Biegsamkeit abgeleiteten Wirkungen im Wesentlichen dieselben. Denn es sey
eine klein-gliedrige Kette — mehr oder weniger gekrümmt — mit beiden Enden auf eine Ver-
tical-Fläche aufgehängt^ so wird eine zweite Kette, welche nur aus wenigen, und zwar
theils kurzen, theils langen Draht-Stangen besteht, — in gleicher Länge vor die erste Kette
*) Wenn eine vollkommen biegsame klein-gliederige Kette mit ihren beiden Enden an einer horizon-
j^ £ talen Decke A A Fig IL aufgehängt wird, so heisst
die krumme Linie i 5 4, welche die Kette sich
selbst überlassen bildet und welche — je nachdem
sie länger oder kürzer ist, oder je nachdem die
beiden End-Puncte A einander näher oder entfernter
gerückt werden — einen mehr gekrümmten oder
einen mehr flachen Bogen erzeugt, eine Ketten-Linie.
B Sind alle Ketten-Glieder gleich schwer, so bildet sich
eine gemeine Ketten-Linie, wie bei Fig II. angenommen ist. Würden aber die Glieder der beiden
Ketten - Enden allmälig schwerer, so müsste die Linie sich an den Enden mehr krümmen und
mehr einem Halbkreis nähern; würden dagegen die Glieder gegen die Mitte B hin allmälig schwerer,
so müsste die Linie sich hier mehr zuspitzen, und die beiden Enden würden sich mehr strecken.
Wenn sich an einer (als gewichtlos angenommenen) Schnur stellenweise unverschiebbare Knoten
befinden, worin Gewichte hängen; so wird sich bei der durch Fig II. dargestellten Aufhängung
dieser Schnur — statt einer stetigen krummen Linie — ein Polygon bilden, dessen Seiten durch
die von Knoten zu Knoten gerad-gespannten Abtheilungen der Schnur und dessen Ecken durch die
mit Gewichten beschwerten Knoten erzeugt werden. Ein solches Polygon heisst ein Seil-Polygon.
Bei dem letzteren sowohl, als bei der Ketten-Linie befinden sich alle Theile in einem vollkom-
menen Gleichgewicht. Jedes Glied der Kette z. B. C nimmt eine solche Lage an, dass es durch
das Gewicht des daran hängenden untern Theils C B der Kette gerade um so viel einwärts gegen
D gezogen wird, als es durch das Gewicht des obern Theils C A, an welchem es hängt, und
welcher für sich allein von A senkrecht herabhängen würde, auswärts gegen E gezogen wird.
Wenn man nun dieses System gerade umkehrt, so findet ebenfalls ein vollkommenes Gleichge-
wicht der einzelnen Glieder statt. Man lege nämlich eine Uhr-Kette (deren einzelne Glieder durch
Charniere mit einander verbunden sind) oder gleich grosse und schwere Scheibchen (z. B. Dam-
brett-Steine) nach der Ketten-Linie Fig II. auf eine Tafel, so werden, wenn die Tafel allmälig in