206
„Sie hinterließ keine Kinder?"
„Nur eine Tochter, die der Großvater zu sich genommen
hat. Ellen ist das Ebenbild ihrer schönen Mutter, Sie
werden erstaunen, wenn Sie das Mädchen sehen."
Er hielt seine Augen eine geraume Weile mit der Hand
bedeckt, sein Athem ging schwer, die Wirthin hörte ihn leise
stöhnen.
„In einem Zeitraum von zwanzig Jahren kann Vieles
sich ändern," sagte sie tröstend, „mein Mann hat inzwischen
auch das Zeitliche gesegnet, und ich selbst bin alt und grau
geworden. Laie werden Manchen auf dem Friedhöfe suchen
müssen, den Sie früher gekannt haben."
„Ich war darauf gefaßt," erwiederte er, „als ich meine
Heimreise antrat. Hugo Hansen betreibt noch immer das
frühere Geschäft? Er wird wohl sehr reich geworden sein?"
„Ja, man sagt, er sei sehr reich," nickte sie, „aber mein
Sohn, der jetzt dieselbe Stelle verwaltet, die Sie damals
hatten, zuckt die Achseln, wenn er diese Behauptung ver-
nimmt."
„Ah — Sie wissen Näheres?" fragte er.
„Nein, es kann ja auch nur Gerede sein, ich gebe nicht
viel darauf. Thatsache aber ist es, daß Elisabeth an der
Seite ihres Gatten nicht glücklich war."
„Auch das noch!" murmelte er. „Ich hätte das theure
Wesen auf meinen Händen durch das Leben getragen.
Wenn sie nur damals fest und treu zu mir gehalten hätte!
Aber sie wagte nicht, dem Willen des Vaters sich zu wider-
setzen, so mußte ich zurücktreten."
„Und hier in meinem Hause wurde das Hochzeitsfest
gefeiert," sagte die Wirthin leise. „Unser Hotel war da-
mals noch ersten Ranges, wir haben manches glänzende
Fest hier gefeiert. Und auch jenes Fest war glänzend, es
sollte nichts gespart werden, Brautvater und Bräutigam
waren ja reiche Leute."
„Es war eine GeldHeirath, an der Herz und Gemüth
keinen Antheil hatten," erwiederte er bitter. „Der Vater
des Bräutigams war der reiche Getraidehändler Grau-
müller, der sich kein Gewissen daraus machte, durch seine
großartigen Spekulationsgeschäfte den Armen das Brod zu
vertheuern."
„Und dafür später selbst kein Brod mehr hatte!"
„Ist das Wahrheit?"
„Freilich," nickte sie, „seine Spekulationen schlugen ein-
mal fehl, er verlor enorme Summen, und nun ging es nut
rasender Schnelle bergab mit ihm. Hansen mußte später
sich des jungen Ehepaars annehmen, denn, wie Sie noch
wissen werden, war der Gatte Elisabeth's mit seinem Vater
associirt. Wie gesagt, es war keine glückliche Ehe, ich habe
die junge Frau oft von Herzen bedauert, obgleich sie Alles
mit unendlicher Geduld ertrug."
Friedrich Tauber stützte das blonde Haupt auf den Arm
und blickte mit finsterer Miene starr vor sich hin.
„Kamen «sie später noch mit ihr zusammen?" fragte er
nach einer langen Pause.
„Nur einmal, sie kam in's Hotel, um über eine Sache
nut mir zu reden, die ihr großen Kummer machte."
„Und was war das?"
„Es betraf Sie," sagte die alte Dame zögernd, „ich
glaube, Sie können es crrathen."
Er schlug die Augen zu ihr auf, Befremden spiegelte
sich in seinen Zügen.
„Zürnte sie mir, weil ich die Heimat verlassen hatte?"
erwiederte er. „Sie mußte das doch begreiflich finden, sie
selbst konnte nicht wünschen, als Gattin eines andern
Mannes mir noch einmal zu begegnen."
„Nein, das war es nicht, aber —"
„Sprechen Sie es offen aus," sagte er ungeduldig, als
sie stockte, „was war es?"
„Nun, der Grund Ihrer Entlassung!"
„Der Grund meiner Entlassung?" erwiederte er kopf-
schüttelnd. „Den mußte sie doch ebenso natürlich finden,
wie meine Abreise."
„Darf ich Sie bitten, ihn mir zu berichten? Sie wer-
den sich erinnern, daß Sie damals von keinem Menschen,
auch von mir nicht, Abschied nahmen, Sie waren eines
Morgens plötzlich verschwunden, und seitdem sah und hörte
man nichts mehr von Ihnen."
Er fuhr mit der Hand langsam über Stirne und Augen
und ließ sie an dem langen Barte hinuntergleiten.
„Wenn ich damit ein Unrecht beging, so muß ich nach-
träglich um Verzeihung bitten," sagte er, „Sie werden es
verstehen, daß ich damals keine Lust hatte, jedem Freunde
über die Gründe meiner Auswanderung Rede zu stehen.
Ich hatte bei dem Austausch unserer Briefe einen Brief
Elisabeth's an mich zurückbehaltcn, und dieser Brief fiel
durch einen unglücklichen Zufall in die Hände ihres Vaters.
Er mochte Wohl früher schon etwas von meinen Beziehungen
zu seiner Tochter geahnt haben, aber dieser Brief erst gab
ihm Gewißheit, und nun brach das Gewitter noch nach-
träglich los. Da gab denn ein Wort das andere, er wurde
beleidigend, ich ließ mir das nicht gefallen, und noch in
derselben Stunde gingen wir für immer auseinander."
„Und das war der alleinige Grund?" fragte sie mit
unverkennbarer Ueberraschung.
„War er nicht hinreichend?"
„O doch, doch, aber —"
„Aber?" fragte er scharf.
„Vielleicht ist es besser, daß ich es Ihnen nicht sage!"
„Sie müssen!" erwiederte er, und seine Stimme klang
jetzt rauh und befehlend. „Mit halben Andeutungen lasse
Illustrirte Welt.
ich mich nun nicht mehr abspeisen, ich vermuthe, er hat
andere Gründe genannt, da kann es mir wahrlich nicht
gleichgültig sein, welches Andenken ich hier hinterließ."
„Ja, er hat seiner Tochter einen andern Grund ge-
nannt," sagte sie zögernd, „sie wollte nicht daran glauben,
drum fühlte sie das Bedürfnis mit mir darüber zu reden."
„Und dieser andere Grund?" fragte er mit zorn-
flammendem Blick.
„Unredlichkeiten, die Sie als Kassircr sich hätten zu
Schulden kommen lassen —"
„Ah, diese Infamie!" fuhr er auf. „War es ihm nicht
genug, daß er seine Tochter zu jener Heirath, gezwungen
hatte? Mußte er auch noch den Mann, den sie liebte, in
ihren Augen entehren? Das kann ich ihm nimmermehr
verzeihen! Meine Ehre war mein einziges Gut, wie soll
ich nun den alten Bekannten gegenübertreten?"
„Darüber kann ich Sie beruhigen; nur seiner Tochter
hat er jenen Grund genannt und ihr dabei aus scheinbarer
Theilnahme für Sie Verschwiegenheit anbefohlen."
„So hätte sie die Absicht dieser Verleumdung erkennen
müssen," sagte er bitter. „Aber diese Infamie kann nun
nicht mehr ungeschehen gemacht werden, und da Elisabeth
nicht mehr unter den Lebenden weilt, so ist es mir auch
unmöglich, mich jetzt noch vor ihr zu rechtfertigen," fuhr er
nach kurzem Schweigen fort, und seine Stimme klang jetzt
wieder fest und ruhig. „Mit ihm werde ich Abrechnung
halten, Sie müssen mir schon erlauben, daß ich ihm sage,
waA Sie mir mitgetheilt haben."
Es lag nahe, ihm nun die Erfahrungen des eigenen
Sohnes zu berichten, die mit seinen trüben Erlebnissen so
große Ähnlichkeit hatten, aber die Wirthin wollte das nicht,
sie wußte nicht, ob Reinhard diese Enthüllung seines
Herzensgeheimnisses billigen würde, und sie fürchtete außer-
dem, daß Tauber dem Bankier auch hierüber Vorwürfe
machen und Alles verderben konnte.
„Ich würde Ihnen rathen, diese Sache mit Schweigen
zu übergehen," erwiederte sie, „er wird nicht wagen, jene
Anklage Ihnen gegenüber zu erheben, und Sie regen sich
nur unnöthig auf. Aber sie müssen das wissen, im
klebrigen glaube ich, daß der Anblick seiner Enkelin Ihren
Zorn entwaffnen wird."
Wie aus einem Traume erwachend, fuhr er abermals
mit der Hand über Stirne und Augen, und ein schwerer
Athemzug entrang sich seinen Lippen.
„Ich werde ihn morgen besuchen," sagte er.
„Sie werden wohl manchen Besuch hier machen wollen?"
„Nicht daß ich wüßte! Ich hatte damals hier nur
einen intimen Freund, einen Referendar Werner Lan-
ders — "
„Der ist unterdessen Rechtsanwalt geworden."
„Und wohnt in dieser Stadt?" fragte er erfreut.
„Ja wohl, er ist ein sehr tüchtiger Advokat und steht
bei Allen in hoher Achtung. Familie besitzt er nicht, und
er scheint auch nicht aus dem Junggesellenstande scheiden
zu wollen."
„Ihn wiederzusehen, darauf freue ich mich aus vollem
Herzen, ich hoffe, er wird der alte treue Kerl geblieben sein.
Und nun zu Ihnen," fuhr er mit herzlicher Theilnahme
fort, „Sie haben wenig Glück gehabt?"
„Das erste Unglück war der Tod meines Mannes,"
seufzte sie. „Ich hatte an meinem Sohne noch keine Stütze,
konnte die Augen nicht überall haben und mußte mich auf
die Redlichkeit meiner Leute verlassen. So wurde ich an
allen Ecken und Enden betrogen, ein Oberkellner, der sich
selbst etabliren wollte, fand persönliches Interesse darin,
mein Hotel allmälig auf den Hund kommen zu lassen, um
die Gäste für sich zu gewinnen. Ich sah das anfangs
nicht, und später hatte ich keine Mittel, um durch außer-
gewöhnliche Anstrengungen das Verlorene wieder zu ge-
winnen."
„Und wie soll das nun enden?" fragte er.
„Ich muß Ihnen gestehen, daß ich selbst das nicht
weiß,".antwortete sie mit einem schmerzlichen Lächeln, „ich
thue, was ich kann, um das Ende hinauszuschieben, und
hoffe, daß Reinhard bis dahin eine gesicherte Existenz ge-
funden haben wird. Wir haben noch ein Dutzend Stamm-
gäste, die uns über Wasser halten, und Reinhard verdient
ja auch schon, was er für seine Person bedarf."
Friedrich Tauber blickte gedankenvoll vor sich hin, er
hätte ihr gerne seine Hülfe angeboten, aber er wußte nicht,
ob er dieß thun durfte, ohne ihr Zartgefühl zu verletzen.
Ueberdieß wollte er auch vorher von der Sachlage sich aus
eigener Anschauung überzeugen, vielleicht war hier mit einem
Kapital wenig oder gar nicht geholfen, wenn nicht eine
kräftige, energische Hand die Zügel ergriff.
Er richtete noch einige Fragen, die sich auf diese An-
gelegenheit bezogen, an die alte Dame, dann kam er ihrem
Wunsche, seine eigenen Erlebnisse zu erfahren, bereit-
willig nach.
Es war ein Wechselreiches, mühevolles Leben gewesen,
was er drüben geführt hatte, reich an Strapazen und Ge-
fahren. Mit leeren Händen kam er an, und der Kampf
um das Dasein war hart und schwer für ihn, aber er ver-
zagte nicht, und es gelang ihm, den Weg zu finden, auf
dem er im Laufe der Jahre großen Reichthum erwarb.
Der Heimat hatte er in diesen Kämpfen nicht gedacht,
und stieg je einmal in stiller Stunde eine Erinnerung an
sie in seiner Seele auf, dann drängte er energisch sie zurück,
in die Nacht, die hinter ihm lag, mochte er nicht mehr
zurückblicken.
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Lug und Trug, ein frevelhaftes Spiel mit seinen b»
ligsten Gefühlen, das war's, was hinter ihm lag - Hst
Glaube an Treue und Liebe war ihm geraubt, gleichem
blickte er in die Zukunft, die ihm kerne Freuden mehr biet»
konnte.
Aber im Laufe der Zeit wurde seine Stimmung dock
milder und versöhnlicher, die Erinnerungen an die Taa
der Kindheit und an das Elternhaus wurden in seinem
Innern wieder lebendig, und diese Erinnerungen weckte»
eine 'Sehnsucht nach der Heimat, die immer stärker nach
Befriedigung verlangte. 'st
Er hatte ihr endlich nicht mehr gebieten können, und
nun war er heimgekehrt, reich und unabhängig, und den-
noch ein armer Mann, denn er nannte kein Menschenher-
sein Eigen, das an ihm mit Liebe hing, mit dem er sei»
Glück, seine Freuden und seine Leiden theilen konnte!
Ob er sich nun hier niederlassen oder nach Amerika st
zurückkehren würde, wußte er noch nicht, nur das Bedürf
niß, die"Heimat noch einmal wiederzusehen, hatte ihn zurA
geführt.
lieber das und manches Andere sprach er mit der alten
Dame, die ihm herzliches Mitgefühl bezeigte, und Mitter-
nacht war nahe, als er von ihr schied, um sein Lager auf-
zusuchen.
Am nächsten Morgen verließ er bald nach dem Früh-
stück in gewählter Toilette das Hotel.
Mit scharf beobachtendem Blick durchwanderte er die -
belebtesten Straßen der Stadt, und obgleich er manches
alte Haus vermißte, an das für ihn eine besondere Er-
innerung sich knüpfte, so war es ihm doch, als ob er nie-
mals die Heimat verlassen habe.
Gewiß, es hatte sich Vieles, sehr Vieles verändert, die s
Stadt und das Leben in ihr waren mit der Zeit fort-
geschritten, aber die Straßen und die Plätze waren dieselben
geblieben, und fast bei jedem Schritt wurden Erinnerungen
geweckt, die er längst vergessen zu haben glaubte.
Da stand noch das alte Haus, in dem er gewohnt, die
Schenke, in der er die Abende verbracht, und das Kasino,
in dem er die Geliebte kennen gelernt hatte!
Auch das große Haus des Bankier Hugo Hansen war
unverändert geblieben, nur etwas mehr verwahrlost wie st
damals.
Das war noch dasselbe Messingschild auf der Haus-
thür, auf das er damals mit einer Verwünschung den letzten
Blick geworfen hatte, das war derselbe dunkle Hausflur,
dieselbe Treppe mit dem schwarzen, altmodischen Geländer,st
die zur Privatwohnung hinaufführte.
Kein Diener empfing ihn, großen Aufwand hatte Hansen
auch früher nicht gemacht, er schien auf diesem Standpunkte -
geblieben zu sein.
Er klopfte an und öffnete die Thüre zum Kabinet, das
mit seiner einfachen, aber soliden Ausstattung ebenfalls un-
verändert geblieben war.
Ein korpulenter Herr mit grauem Haar und kurz-
geschorenem Vollbart erhob sich aus dem Sessel, der vor -
dem massiven Schreibtisch stand, und rückte die goldene
Brille dichter vor die Augen, um einen forschenden Blick
auf den Eintretenden zu werfen.
„Wenn Ihnen gestern gesagt worden wäre, daß Sie
mich heute Wiedersehen würden, so hätten Sie dieser Nach-
richt sicherlich keinen Glauben geschenkt," sagte Tauber in
einem Tone, der wohl höflich, aber keineswegs freundlich
klang.
„Wahrhaftig, Sie sind es!" rief der Bankier, ihm die
Hand bietend, hatte er doch mit scharfem Blick sofort er-
kannt, daß sein ehemaliger Buchhalter nun als vermögender
Mann vor ihm stand.
„Dfe Hand kann ich Ihnen leider nicht drücken," fuhr
Tauber mit einer ablehnenden Geberde fort, „Freundschaft
zu heucheln ist nie meine Sache gewesen, ich bin gewohnt,
Jedem meine Meinung ehrlich und offen in's Gesicht zu
sagen."
Der Bankier ließ die Hand sinken, seine buschigen
Brauen zogen sich unwillig zusammen.
„Sie können also nicht vergessen?" sagte er vorwurst-
voll. „Wenn Sie ohne Vorurtheil die damaligen. Ver-
hältnisse berücksichtigen wollen, so müßten Sie seM sich
sagen, daß ich nicht anders handeln konnte."
„Und dennoch wäre es besser für uns Alle gewesen,
wenn Sie es gethan hätten," erwiederte Tauber in beim
selben Tone. „Elisabeth wäre glücklich geworden, sie lebte
vielleicht heute Noch, und auch Ihnen würde mancher Aergei,
manche Demüthigung erspart geblieben sein! Der Bankerott
Ihres Schwiegersohnes —"
„Sie wissen das Alles schon?" unterbrach Hansen ihn,
peinlich berührt. „Ja, wenn man mit Sicherheit m die
Zukunft blicken und Alles vorauswissen könnte! Allem u»-
scheine nach haben Sie drüben ein namhaftes Vermögen
erworben, würden Sie aber so reich geworden sein , wenn
Sie meine Tochter geheirathet und jene Reise nicht an-
getreten hätten? Auch Ihnen konnte Elisabeth durch >st
Tod entrissen werden, Alles in Allem genommen hmst
Sie wahrlich keinen Grund, mir einen Vorwurf zu machem
„Denken Sie an die Lüge, mit der Sie nachHneM
Abreise meine Ehre besudelt haben!"- entgegnete -rau
mit scharfer Betonung, indem er sich auf die Lehne e'
Sessels stützte und den Bankier durchdringend anblicttc.
„Wer hat Ihnen das gesagt?" rief Hansen öestust-
„Ich bin gestern Abend im Weißen Schwan abgestieg ,
! Madame Heiden war in jener Angelegenheit die Bern
„Sie hinterließ keine Kinder?"
„Nur eine Tochter, die der Großvater zu sich genommen
hat. Ellen ist das Ebenbild ihrer schönen Mutter, Sie
werden erstaunen, wenn Sie das Mädchen sehen."
Er hielt seine Augen eine geraume Weile mit der Hand
bedeckt, sein Athem ging schwer, die Wirthin hörte ihn leise
stöhnen.
„In einem Zeitraum von zwanzig Jahren kann Vieles
sich ändern," sagte sie tröstend, „mein Mann hat inzwischen
auch das Zeitliche gesegnet, und ich selbst bin alt und grau
geworden. Laie werden Manchen auf dem Friedhöfe suchen
müssen, den Sie früher gekannt haben."
„Ich war darauf gefaßt," erwiederte er, „als ich meine
Heimreise antrat. Hugo Hansen betreibt noch immer das
frühere Geschäft? Er wird wohl sehr reich geworden sein?"
„Ja, man sagt, er sei sehr reich," nickte sie, „aber mein
Sohn, der jetzt dieselbe Stelle verwaltet, die Sie damals
hatten, zuckt die Achseln, wenn er diese Behauptung ver-
nimmt."
„Ah — Sie wissen Näheres?" fragte er.
„Nein, es kann ja auch nur Gerede sein, ich gebe nicht
viel darauf. Thatsache aber ist es, daß Elisabeth an der
Seite ihres Gatten nicht glücklich war."
„Auch das noch!" murmelte er. „Ich hätte das theure
Wesen auf meinen Händen durch das Leben getragen.
Wenn sie nur damals fest und treu zu mir gehalten hätte!
Aber sie wagte nicht, dem Willen des Vaters sich zu wider-
setzen, so mußte ich zurücktreten."
„Und hier in meinem Hause wurde das Hochzeitsfest
gefeiert," sagte die Wirthin leise. „Unser Hotel war da-
mals noch ersten Ranges, wir haben manches glänzende
Fest hier gefeiert. Und auch jenes Fest war glänzend, es
sollte nichts gespart werden, Brautvater und Bräutigam
waren ja reiche Leute."
„Es war eine GeldHeirath, an der Herz und Gemüth
keinen Antheil hatten," erwiederte er bitter. „Der Vater
des Bräutigams war der reiche Getraidehändler Grau-
müller, der sich kein Gewissen daraus machte, durch seine
großartigen Spekulationsgeschäfte den Armen das Brod zu
vertheuern."
„Und dafür später selbst kein Brod mehr hatte!"
„Ist das Wahrheit?"
„Freilich," nickte sie, „seine Spekulationen schlugen ein-
mal fehl, er verlor enorme Summen, und nun ging es nut
rasender Schnelle bergab mit ihm. Hansen mußte später
sich des jungen Ehepaars annehmen, denn, wie Sie noch
wissen werden, war der Gatte Elisabeth's mit seinem Vater
associirt. Wie gesagt, es war keine glückliche Ehe, ich habe
die junge Frau oft von Herzen bedauert, obgleich sie Alles
mit unendlicher Geduld ertrug."
Friedrich Tauber stützte das blonde Haupt auf den Arm
und blickte mit finsterer Miene starr vor sich hin.
„Kamen «sie später noch mit ihr zusammen?" fragte er
nach einer langen Pause.
„Nur einmal, sie kam in's Hotel, um über eine Sache
nut mir zu reden, die ihr großen Kummer machte."
„Und was war das?"
„Es betraf Sie," sagte die alte Dame zögernd, „ich
glaube, Sie können es crrathen."
Er schlug die Augen zu ihr auf, Befremden spiegelte
sich in seinen Zügen.
„Zürnte sie mir, weil ich die Heimat verlassen hatte?"
erwiederte er. „Sie mußte das doch begreiflich finden, sie
selbst konnte nicht wünschen, als Gattin eines andern
Mannes mir noch einmal zu begegnen."
„Nein, das war es nicht, aber —"
„Sprechen Sie es offen aus," sagte er ungeduldig, als
sie stockte, „was war es?"
„Nun, der Grund Ihrer Entlassung!"
„Der Grund meiner Entlassung?" erwiederte er kopf-
schüttelnd. „Den mußte sie doch ebenso natürlich finden,
wie meine Abreise."
„Darf ich Sie bitten, ihn mir zu berichten? Sie wer-
den sich erinnern, daß Sie damals von keinem Menschen,
auch von mir nicht, Abschied nahmen, Sie waren eines
Morgens plötzlich verschwunden, und seitdem sah und hörte
man nichts mehr von Ihnen."
Er fuhr mit der Hand langsam über Stirne und Augen
und ließ sie an dem langen Barte hinuntergleiten.
„Wenn ich damit ein Unrecht beging, so muß ich nach-
träglich um Verzeihung bitten," sagte er, „Sie werden es
verstehen, daß ich damals keine Lust hatte, jedem Freunde
über die Gründe meiner Auswanderung Rede zu stehen.
Ich hatte bei dem Austausch unserer Briefe einen Brief
Elisabeth's an mich zurückbehaltcn, und dieser Brief fiel
durch einen unglücklichen Zufall in die Hände ihres Vaters.
Er mochte Wohl früher schon etwas von meinen Beziehungen
zu seiner Tochter geahnt haben, aber dieser Brief erst gab
ihm Gewißheit, und nun brach das Gewitter noch nach-
träglich los. Da gab denn ein Wort das andere, er wurde
beleidigend, ich ließ mir das nicht gefallen, und noch in
derselben Stunde gingen wir für immer auseinander."
„Und das war der alleinige Grund?" fragte sie mit
unverkennbarer Ueberraschung.
„War er nicht hinreichend?"
„O doch, doch, aber —"
„Aber?" fragte er scharf.
„Vielleicht ist es besser, daß ich es Ihnen nicht sage!"
„Sie müssen!" erwiederte er, und seine Stimme klang
jetzt rauh und befehlend. „Mit halben Andeutungen lasse
Illustrirte Welt.
ich mich nun nicht mehr abspeisen, ich vermuthe, er hat
andere Gründe genannt, da kann es mir wahrlich nicht
gleichgültig sein, welches Andenken ich hier hinterließ."
„Ja, er hat seiner Tochter einen andern Grund ge-
nannt," sagte sie zögernd, „sie wollte nicht daran glauben,
drum fühlte sie das Bedürfnis mit mir darüber zu reden."
„Und dieser andere Grund?" fragte er mit zorn-
flammendem Blick.
„Unredlichkeiten, die Sie als Kassircr sich hätten zu
Schulden kommen lassen —"
„Ah, diese Infamie!" fuhr er auf. „War es ihm nicht
genug, daß er seine Tochter zu jener Heirath, gezwungen
hatte? Mußte er auch noch den Mann, den sie liebte, in
ihren Augen entehren? Das kann ich ihm nimmermehr
verzeihen! Meine Ehre war mein einziges Gut, wie soll
ich nun den alten Bekannten gegenübertreten?"
„Darüber kann ich Sie beruhigen; nur seiner Tochter
hat er jenen Grund genannt und ihr dabei aus scheinbarer
Theilnahme für Sie Verschwiegenheit anbefohlen."
„So hätte sie die Absicht dieser Verleumdung erkennen
müssen," sagte er bitter. „Aber diese Infamie kann nun
nicht mehr ungeschehen gemacht werden, und da Elisabeth
nicht mehr unter den Lebenden weilt, so ist es mir auch
unmöglich, mich jetzt noch vor ihr zu rechtfertigen," fuhr er
nach kurzem Schweigen fort, und seine Stimme klang jetzt
wieder fest und ruhig. „Mit ihm werde ich Abrechnung
halten, Sie müssen mir schon erlauben, daß ich ihm sage,
waA Sie mir mitgetheilt haben."
Es lag nahe, ihm nun die Erfahrungen des eigenen
Sohnes zu berichten, die mit seinen trüben Erlebnissen so
große Ähnlichkeit hatten, aber die Wirthin wollte das nicht,
sie wußte nicht, ob Reinhard diese Enthüllung seines
Herzensgeheimnisses billigen würde, und sie fürchtete außer-
dem, daß Tauber dem Bankier auch hierüber Vorwürfe
machen und Alles verderben konnte.
„Ich würde Ihnen rathen, diese Sache mit Schweigen
zu übergehen," erwiederte sie, „er wird nicht wagen, jene
Anklage Ihnen gegenüber zu erheben, und Sie regen sich
nur unnöthig auf. Aber sie müssen das wissen, im
klebrigen glaube ich, daß der Anblick seiner Enkelin Ihren
Zorn entwaffnen wird."
Wie aus einem Traume erwachend, fuhr er abermals
mit der Hand über Stirne und Augen, und ein schwerer
Athemzug entrang sich seinen Lippen.
„Ich werde ihn morgen besuchen," sagte er.
„Sie werden wohl manchen Besuch hier machen wollen?"
„Nicht daß ich wüßte! Ich hatte damals hier nur
einen intimen Freund, einen Referendar Werner Lan-
ders — "
„Der ist unterdessen Rechtsanwalt geworden."
„Und wohnt in dieser Stadt?" fragte er erfreut.
„Ja wohl, er ist ein sehr tüchtiger Advokat und steht
bei Allen in hoher Achtung. Familie besitzt er nicht, und
er scheint auch nicht aus dem Junggesellenstande scheiden
zu wollen."
„Ihn wiederzusehen, darauf freue ich mich aus vollem
Herzen, ich hoffe, er wird der alte treue Kerl geblieben sein.
Und nun zu Ihnen," fuhr er mit herzlicher Theilnahme
fort, „Sie haben wenig Glück gehabt?"
„Das erste Unglück war der Tod meines Mannes,"
seufzte sie. „Ich hatte an meinem Sohne noch keine Stütze,
konnte die Augen nicht überall haben und mußte mich auf
die Redlichkeit meiner Leute verlassen. So wurde ich an
allen Ecken und Enden betrogen, ein Oberkellner, der sich
selbst etabliren wollte, fand persönliches Interesse darin,
mein Hotel allmälig auf den Hund kommen zu lassen, um
die Gäste für sich zu gewinnen. Ich sah das anfangs
nicht, und später hatte ich keine Mittel, um durch außer-
gewöhnliche Anstrengungen das Verlorene wieder zu ge-
winnen."
„Und wie soll das nun enden?" fragte er.
„Ich muß Ihnen gestehen, daß ich selbst das nicht
weiß,".antwortete sie mit einem schmerzlichen Lächeln, „ich
thue, was ich kann, um das Ende hinauszuschieben, und
hoffe, daß Reinhard bis dahin eine gesicherte Existenz ge-
funden haben wird. Wir haben noch ein Dutzend Stamm-
gäste, die uns über Wasser halten, und Reinhard verdient
ja auch schon, was er für seine Person bedarf."
Friedrich Tauber blickte gedankenvoll vor sich hin, er
hätte ihr gerne seine Hülfe angeboten, aber er wußte nicht,
ob er dieß thun durfte, ohne ihr Zartgefühl zu verletzen.
Ueberdieß wollte er auch vorher von der Sachlage sich aus
eigener Anschauung überzeugen, vielleicht war hier mit einem
Kapital wenig oder gar nicht geholfen, wenn nicht eine
kräftige, energische Hand die Zügel ergriff.
Er richtete noch einige Fragen, die sich auf diese An-
gelegenheit bezogen, an die alte Dame, dann kam er ihrem
Wunsche, seine eigenen Erlebnisse zu erfahren, bereit-
willig nach.
Es war ein Wechselreiches, mühevolles Leben gewesen,
was er drüben geführt hatte, reich an Strapazen und Ge-
fahren. Mit leeren Händen kam er an, und der Kampf
um das Dasein war hart und schwer für ihn, aber er ver-
zagte nicht, und es gelang ihm, den Weg zu finden, auf
dem er im Laufe der Jahre großen Reichthum erwarb.
Der Heimat hatte er in diesen Kämpfen nicht gedacht,
und stieg je einmal in stiller Stunde eine Erinnerung an
sie in seiner Seele auf, dann drängte er energisch sie zurück,
in die Nacht, die hinter ihm lag, mochte er nicht mehr
zurückblicken.
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ligsten Gefühlen, das war's, was hinter ihm lag - Hst
Glaube an Treue und Liebe war ihm geraubt, gleichem
blickte er in die Zukunft, die ihm kerne Freuden mehr biet»
konnte.
Aber im Laufe der Zeit wurde seine Stimmung dock
milder und versöhnlicher, die Erinnerungen an die Taa
der Kindheit und an das Elternhaus wurden in seinem
Innern wieder lebendig, und diese Erinnerungen weckte»
eine 'Sehnsucht nach der Heimat, die immer stärker nach
Befriedigung verlangte. 'st
Er hatte ihr endlich nicht mehr gebieten können, und
nun war er heimgekehrt, reich und unabhängig, und den-
noch ein armer Mann, denn er nannte kein Menschenher-
sein Eigen, das an ihm mit Liebe hing, mit dem er sei»
Glück, seine Freuden und seine Leiden theilen konnte!
Ob er sich nun hier niederlassen oder nach Amerika st
zurückkehren würde, wußte er noch nicht, nur das Bedürf
niß, die"Heimat noch einmal wiederzusehen, hatte ihn zurA
geführt.
lieber das und manches Andere sprach er mit der alten
Dame, die ihm herzliches Mitgefühl bezeigte, und Mitter-
nacht war nahe, als er von ihr schied, um sein Lager auf-
zusuchen.
Am nächsten Morgen verließ er bald nach dem Früh-
stück in gewählter Toilette das Hotel.
Mit scharf beobachtendem Blick durchwanderte er die -
belebtesten Straßen der Stadt, und obgleich er manches
alte Haus vermißte, an das für ihn eine besondere Er-
innerung sich knüpfte, so war es ihm doch, als ob er nie-
mals die Heimat verlassen habe.
Gewiß, es hatte sich Vieles, sehr Vieles verändert, die s
Stadt und das Leben in ihr waren mit der Zeit fort-
geschritten, aber die Straßen und die Plätze waren dieselben
geblieben, und fast bei jedem Schritt wurden Erinnerungen
geweckt, die er längst vergessen zu haben glaubte.
Da stand noch das alte Haus, in dem er gewohnt, die
Schenke, in der er die Abende verbracht, und das Kasino,
in dem er die Geliebte kennen gelernt hatte!
Auch das große Haus des Bankier Hugo Hansen war
unverändert geblieben, nur etwas mehr verwahrlost wie st
damals.
Das war noch dasselbe Messingschild auf der Haus-
thür, auf das er damals mit einer Verwünschung den letzten
Blick geworfen hatte, das war derselbe dunkle Hausflur,
dieselbe Treppe mit dem schwarzen, altmodischen Geländer,st
die zur Privatwohnung hinaufführte.
Kein Diener empfing ihn, großen Aufwand hatte Hansen
auch früher nicht gemacht, er schien auf diesem Standpunkte -
geblieben zu sein.
Er klopfte an und öffnete die Thüre zum Kabinet, das
mit seiner einfachen, aber soliden Ausstattung ebenfalls un-
verändert geblieben war.
Ein korpulenter Herr mit grauem Haar und kurz-
geschorenem Vollbart erhob sich aus dem Sessel, der vor -
dem massiven Schreibtisch stand, und rückte die goldene
Brille dichter vor die Augen, um einen forschenden Blick
auf den Eintretenden zu werfen.
„Wenn Ihnen gestern gesagt worden wäre, daß Sie
mich heute Wiedersehen würden, so hätten Sie dieser Nach-
richt sicherlich keinen Glauben geschenkt," sagte Tauber in
einem Tone, der wohl höflich, aber keineswegs freundlich
klang.
„Wahrhaftig, Sie sind es!" rief der Bankier, ihm die
Hand bietend, hatte er doch mit scharfem Blick sofort er-
kannt, daß sein ehemaliger Buchhalter nun als vermögender
Mann vor ihm stand.
„Dfe Hand kann ich Ihnen leider nicht drücken," fuhr
Tauber mit einer ablehnenden Geberde fort, „Freundschaft
zu heucheln ist nie meine Sache gewesen, ich bin gewohnt,
Jedem meine Meinung ehrlich und offen in's Gesicht zu
sagen."
Der Bankier ließ die Hand sinken, seine buschigen
Brauen zogen sich unwillig zusammen.
„Sie können also nicht vergessen?" sagte er vorwurst-
voll. „Wenn Sie ohne Vorurtheil die damaligen. Ver-
hältnisse berücksichtigen wollen, so müßten Sie seM sich
sagen, daß ich nicht anders handeln konnte."
„Und dennoch wäre es besser für uns Alle gewesen,
wenn Sie es gethan hätten," erwiederte Tauber in beim
selben Tone. „Elisabeth wäre glücklich geworden, sie lebte
vielleicht heute Noch, und auch Ihnen würde mancher Aergei,
manche Demüthigung erspart geblieben sein! Der Bankerott
Ihres Schwiegersohnes —"
„Sie wissen das Alles schon?" unterbrach Hansen ihn,
peinlich berührt. „Ja, wenn man mit Sicherheit m die
Zukunft blicken und Alles vorauswissen könnte! Allem u»-
scheine nach haben Sie drüben ein namhaftes Vermögen
erworben, würden Sie aber so reich geworden sein , wenn
Sie meine Tochter geheirathet und jene Reise nicht an-
getreten hätten? Auch Ihnen konnte Elisabeth durch >st
Tod entrissen werden, Alles in Allem genommen hmst
Sie wahrlich keinen Grund, mir einen Vorwurf zu machem
„Denken Sie an die Lüge, mit der Sie nachHneM
Abreise meine Ehre besudelt haben!"- entgegnete -rau
mit scharfer Betonung, indem er sich auf die Lehne e'
Sessels stützte und den Bankier durchdringend anblicttc.
„Wer hat Ihnen das gesagt?" rief Hansen öestust-
„Ich bin gestern Abend im Weißen Schwan abgestieg ,
! Madame Heiden war in jener Angelegenheit die Bern