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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 51.1903

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Heft 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.55112#0225
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Ast io. vereinigt mit „buch M Wie". Inhr,. mz.


vis krau cle; ksnckanten.
tiriminalroman von kl. v. tilciuhmann.
(fortlehunfl.)
(Nactillruc^ verboten.)
as Blatt, das Hermann Schröder jetzt in den
H Händen hielt, zeigte ganz unverkennbar die
M M Handschrift seines Frcnndes Gerhard Winter
W^M mit all ihrer pedantischen Akkuratesse und
ihren altmodischen Schnörkeln. 'Am Kopfe stand:
„Hamburg, den 18. August 1877" und darunter:
„Meine teure Martha! Dein unglücklicher Bruder
schickt Dir seine letzten Grütze — ein Lebewohl auf
ewig. Ich habe das verwegene Spiel verloren, nnd
das Stück ist ans. Vielleicht wäre es mir gelungen,
über den Ozcan zu entkommen, wenn ich gleich nach
meiner 'Ankunft in Hamburg den Mut gehabt hatte,
mir ein Passagcbillctt für den ersten besten abgehcn
den Dampfer zu lö-
sen. Aber ich hatte
diesen Mut nicht,
weil ich fürchtete,
man würde mich ent-
weder schon beim
Betreten des Schiffes
oder bei seiner Lan-
dung verhaften. So
hielt ich mich hier ein
paar Tage lang un-
ter fremdem Namen
in einem Logierhanse
verborgen und reiste
dann weiter nach
Holland, weil ich
hoffte, von dort aus
leichter de» Weg
über das Weltmeer
zu finden. Aber die
schreckliche Angst, die
mich gleich nach der
Abfahrt von Brcs
lau gepackt hatte,
steigerte sich immer
nichr, und die hänfi
gen Anfälle nicines
Herzleidens brachen
auch den letzten Rest
meiner Energie. Ich
wagte den entschei-
denden Schritt so
wenig in einem hol-
ländischen Hafen,
als ich ihn in Ham-
burg gewagt hatte.
Und ich fühlte mich
in der fremden Um-
gebung, wo alle
Leute mich so miss-
trauisch ansahcn,
wenn ich mich ihnen
nur verständlich zu
x. i«os.

machen suchte, noch unsicherer als ans der deutschen
Erde. Oftmals dachte ich daran, all dieser Onal
ein Ende zu machen, indem ich mich den Behör
den stellte. 'Aber die Furcht vor all dem Entsetz-
lichen, das dann notwendig folgen mußte, hielt
mich immer wieder davon zurück. Vor drei Tagen
nun, nach einer schrecklichen Nacht, in der ich mich
dein Tode nahe gefühlt hatte, faßte ich den Ent-
schluß, ans jede Gefahr hin nach Deutschland zn-
rückznkehren und von Hauibnrg aus die Flucht nach
Amerika zu versuchen. Ich suchte einen anderen
Gasthof ans als den, in welchen, ich bei meinem
ersten Aufenthalt logiert hatte, nnd ging gleich nach
der Ankunft in das Bureau einer Danipfschisfs-
gescllschaft, um mich nach der besten Fahrgelegenheit
zu erkundigen. Als ich zurückkani nnd di« Hand-
tasche öffnete, die mein Besitztum enthielt — oder
doch bei der Abfahrt von Antwerpen enthalten hatte,-
glaubte ich das Opfer einer gräßlichen Sinnes-
täuschung zu sein. Denn sic war ihres gesamten
Inhalts an Papiergeld beraubt, und ein Paket alter

französischer Zeitungen nahm die Stelle meiner
Kassenscheine ein. Ob der Diebstahl ansgeführt
worden ist, während ich auf der Eisenbahnfahrt in
Schlaf gesunken war — ob er vielleicht erst hier im
Hotel verübt wurde, vermag ich nicht zu sagen. Und
an, Ende ist es ja auch gleichgültig; denn da ich
nicht Lärm schlagen nnd keine Anzeige erstatten kann,
würde ich ja doch niemals wieder in den Besitz des
Geldes gelangen. So bleibt nur denn, da ich mit meiner
geringen Barschaft innerhalb weniger Tage zu Ende
sein würde, nnr noch ein einziger Ausweg: der Tod!
Und vielleicht ist dieser auch der allerbeste, für mich
selbst sowohl wie für mein unglückliches Weib und
für Dich, meine arme, beklagenswerte Martha! —
Bei meiner Flucht ans Breslan hatte ich die Absicht,
euch, sobald ich mich irgendwo in Sicherheit wußte,
eine größere Geldsumme zukommeu zu lassen. Den
Betrag wenigstens, um den Du durch meine Schuld
gebracht worden bist, falls man mein leider zurück-
gelassenes Privatvermögen mit Beschlag belegt haben
sollte, hättest Du doch von mir annehmen müssen.
Ich hätte ja das
Geld bei der Abreise
zurücklassen können;
aber ich fürchtete,
euch damit in den
falschen Verdacht zn
bringen, als wäret
ihr im Einverständ-
nis mit mir gewesen.
Denn ich kenne ja
Deine fanatische
Wahrheitsliebe nnd
bin gewiß, daß Du
es nicht verheimlicht
hättest. So habe ich
mich denn darauf be-
schränkt, einen ein-
zigen Tansendmark-
schein zwischen die
Papiere in einer
Schiebladc Deines
Schreibtisches zu
stecken, damit Du
ihn gelegentlich dort
finden mögest. Ich
ahne nicht, ob cs
bereits geschehen ist,
und ivie Du nut der
armseligen Summe
verfahren bist oder zu
verfahren gedenkst.
Auch wenn Du Dich
entschlossen hast, ihn
zu behalten, ist da-
durch wahrlich das
Unglück nicht ge-
ringer geworden,
das ich über Dich
und Hermine hcr-
aufbcschworen habe.
Ich weiß, daß ich
enren Fluch ver-
dient habe, nnd daß

ein blltenkelä ouk cken kemmäalnleln. LI6)
 
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