Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 51.1903

DOI Heft:
Heft 14
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55112#0310
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext




Heft i4. vereinigt mit „Luch lür Hile". nm.

van Clvsr6aals Crbickakt

XIV. 1902.

Da; neue polt- unö rteIsgrapkisnMrektIongget>öu<Is In Zdlen. (§. 3SH
Nack einer pliolograplils von !i. Nscknsrs koiducklianillung (VI. Müller) In Ulen.

Stein stützte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn
in dem Wappen ein Zwirnsknänel oder eine Schneider-
elle gewesen wäre nnd Elverdaal hätte sich sein Geld
ehrlich mit seinem Handwerk verdient. Wie ein Blitz
schoß ihm diese Idee durch den Kopf, er wußte nicht
weshalb, aber er glaubte, daß er dann besser daran
gewesen wäre.
„Was suchen Sie hier, Sir?" Hörle er sich plötz
lieh angesprochcn, nnd als er erschrocken herumfuhr,
sah er vor sich einen baumlangen Mann mit einem
mächtigen schwarzen Vollbart in der Uniform
eines hochherrschaftlichen Portiers. An seiner gold-
betreßten Mütze — er behielt nie natürlich ans dem
Kopfe, so daß Mister Burns genügend Muße hatte,
sie zu bewundern — befand sich ebenfalls das Wappen

mit dem Löwen, von dem Mister Burns wünschte,
daß er ein Zwirnsknäuel wäre.
„Entschuldigen Sie, Sir," erwiderte Mister Burns
höflich, vielleicht zu höflich, nm sich Respekt zu ver-
schaffen, „ich wünschte Miß Ann» van Elverdaal
meine Aufwartung zu machen nnd ihr diese Blumen
zum Geburtstag zu überreichen."
Der Portier verzog den Mund spöttisch.
„Mein teurer Sir," sagte er, „das wünschen sehr
viele junge Herren, nnd Sie sind seit einer Stunde
etwa der elfte oder zwölfte. Die Herrschaft ist aber
augenblicklich nicht zu Hause. Wollen Sic mir Ihre
Karte geben, so werde ich sic mitsamt Ihren Blumen
im Besuchszimmer deponieren."
Mister Burns besaß keine Visitenkarten. In dieser
Beziehung war er mit seiner Mutter
einverstanden nnd meinte, daß es
besser nnd seinen Verhältnissen an-
gemessener wäre, sich ein gutes
Stück Rindfleisch an Stelle solchen
Tands zu kaufen. Gleichwohl er-
rötete er und sagte verlegen: „Ich
bitte nm Entschuldigung, Sir,
mein Name ist Burns, William
Burns. Ich wohne in der Bins-
burp-Street, nnd —"
Kaum hatte Will den Namen
Binsburp - Street ausgesprochen,
als sich in der Art und Weise
des Portiers die ausgesprochenste
Abneigung kundtat. Er drehte
ihm den Rücken und unterbrach
ihn grob: „Bitte, mein Herr, wir
haben mit Leuten, die in der Bius-
burn-Strcct wohnen, nichts zu tun.
Ich habe ein für allemal den Be-
fehl, Leute ans der Binsburp-
Street nicht vorzulassen. Wenn
Sie ein Bittgesuch haben, so rei-
chen Sic es schriftlich ein. Tie
Herrschaft wird gnädig wie immer
erwägen, was in Ihrem Falle zu
tun ist. Aber persönliche Besuche
aus der Binsburp-Street sind ver-
beten."
Will kam sich so hinansgcworfen
wie möglich vor. Tie Schamröte
stieg ihm heftig ins Gesicht. Wie
oft hatte er die kleinen Läpper-
schulden der „gnädigen Herrschaft"
in der „blauen Jacke" von seinem
kärglichen Verdienst bezahlt? Wie
oft war er Anna, heimlich oder
offen, zn Hilfe gekommen, wenn es
gar nicht mehr ging — in der
Binsburp-Street. Hatte er das
getan, damit ihm ein unverschäm-
ter, hochnäsiger Lakai den Tert
las? War cs ein Verbrechen, in
der Binsburp-Street zu wohnen?
Er hatte nicht übel Lust, dein
Manne seine Blumen an den Kopf
zn werfen und ihm die unver-
schämte Mütze hcruntcrzuschlagcn.

komcin von köoltjemar Urban.
(tortlstzung.)

NIackckuck verboten.)
ister Burns sollte Angst haben? Vor
W D was denn? „Es war einmal so —"
III hatte seine Mutter gesagt, genau wie
vor einiger Zeit der ältere freundliche
Gentleman auf dem Omnibus. Ein gewisser Trotz
stieg in ihm ans, nnd mutig, als wenn er cs mit der
ganzen Welt anfuehmeu köuue, schritt er vorwärts,
nach Regeutpark hinaus. Nur
ein einziges Mal blieb er mit sei-
nem Blumenstrauß vor einem
Friseurladen stehen und besah sich
in dessen Spiegel. Sein etwas
bleiches und zartes, aber unge-
mein bewegtes Gesicht mit den
zutraulichen nnd herzlichen Augen
fiel ihm unwillkürlich auf. Er
ivar sich nie so aufgeregt, so un-
ternehmend vvrgekommen, seine
dunklen Augen erschienen ihm dunk-
ler und kräftiger als je. „Warum
denn nicht?" klang es trotzig in
ihm, warum sollte ihn denn Anny
nicht ebenso lieben wie er sie?
Machte er Pläne und Speku-
lationen? Er dachte wohl kaum
daran. Es war ihm jedenfalls
eher fatal als erfreulich, daß Annp
mit ihren Eltern ans der Bins-
burp-Street fortgezogen nnd er
nun eine solche Schererei hatte,
nm sic einmal zu sehen, ihr in die
Augen zu blicken und sie zn fragen:
Wie geht's?' lind das alles so
hastig, so Knall und Fall, als ob
das ererbte Geld sie verwandelt,
sie zu Menschen besonderen oder
höheren Ranges gemacht habe, oder
cs eine Schande sei, kein Geld zu
haben oder zn erben.
Als er in die vornehme Regeut-
park-Road cinbog, schmolz sein Mut
doch bedenklich zusammen. Das
war anders wie in Binsburp-
Street. Häuser mit prächtigen
Sandsteinfassaden, allem möglichen
architektonischen Zierat, Ballo-
nen, Erkern, alles breit und be-
quem und großartig, alles teuer
und luxuriös — das fiel ihm wie
ein Gewicht auf die Brust. Ah! da
war auch schon der Klingelzug mit
dem Wappen und den Initialen
„v. E." Nur flüchtig streifte sein
Blick das Wappen. Es.stelltc einen
Löwen dar, der seine Vordertatze
auf einen von Wellen umgebenen
 
Annotationen