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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 51.1903

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.55112#0543
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H°ft W. vereinigt mit „Such tilr Alle". iW.


krükli'ngrkturms.
koman von M. Srnlin v. künciu.
tkonkhung.)
(Nackilrucl! vsrdl>Isn.>
ls der Winter kam, bot der Mnsikunter-
UG« richt sowie der Besuch geistlicher Kon-
zerte für Frau v. Nordeck sowohl als Freda
M etwas Abwechslung, aber die langön trüben
Lage schlichen in trostloser Einförmigkeit doch ent-
setzlich langsam dahin.
„Du bekamst heute eineu Brief, Freda?" fragte
eines Abends Fran v. Nordeck. „Stimmte der dich
so melancholisch?"
Freda schüttelte den Kopf. Sie lag auf der
Chaiselongue der Mutter, mit einem Plaid zugedeckt.
Sie hatte sich aus einem Spaziergang bei den: nassen
Wetter erkältet. Trick rollte sich zum behaglichen
Knäuel ans ihren Füßen zusammen.
„Der Brief war von Else Sichard, Mutti."
Die Generalin sah unruhig aus. Sie befürchtete
stets, Freda könne von dem abscheulichen Gerücht
erfahren, das man über sie in Umlauf gebracht.
„Sie schreibt mir,
daß es Harry in New
Jork ausgezeichnet
ginge. Er hat eine
Anstellung in einem
Bankgeschäft von Mr.
Wilkens bekommen,
mit dem er zugleich
damals die Überfahrt
nach New Jork ge-
macht habe. Mr. Wil-
kens soll ein kolossales
Vermögen und eine
einzige Tochter be-
sitzen."
„Und das zu hören,
tat dir weh, meine
arme kleine Freda?"
„Nein. Es geht
ihm gut — das ist
die Hauptsache. War-
um schreibt er mir
nur nicht selbst?"
„Er hat wohl längst
alles vergessen," meinte
die Mutter bitter. „Tu
du es auch, mein
Herz."
„Wenn das mir so
ginge, Mutti."
„Ich will die Lampe
bestellen,Freda. Solche
Dämmerstunden ma-
chen uns zu schwer-
mütig."
„Ja, und Trick
muß auch hinaus. Er
war den ganzen Tag

noch nicht draußen, das arme, kleine Tier," erwiderte
Freda.
Nicht das Hausmädchen, sondern Tante Juliane
selber erschien auf das Klingeln. „Was wollt ihr
denn?" fragte sie verdrießlich. „Man muß die
Dienstboten nicht beständig von der Arbeit fortrufen."
„Mama und ich haben den ganzen Tag noch
nicht geklingelt," entgegnete Freda gereizt. „Wir
machen wirklich nicht viel Ansprüche! Augnste sollte
Trick hinunter bringen. Wenn ich nicht so erkältet
wäre, ginge ich selber."
„Auguste kann jetzt nicht fort. Sie plättet. Aber
Ernestine geht zum Kaufmann, die kann ihn mit-
nehmen."
„Aber der Köchin folgt Trick so schlecht!"
„Unsinn." Tante Juliane nahm Trick mit in die
Küche und brachte selbst die Lampe. Den rosa-
seidenen Schirm nahm sie rücksichtslos herunter. „Er-
wacht zu dunkel," entschied sie, als Frau v. Nordeck
einen Einwand wagte. „Eine Lampe soll hell brennen,
warum macht ihr sie absichtlich so trübe?"
„Weil sie uns blendet," versetzte Freda kurz.
„Das ist Einbildung. Damit verweichlicht ihr
euch nur."
Tante Juliane setzte sich, zog ihr Strickzeug hervor,
und die klappernden Nadeln fuhren ans und nieder.

Mutter und Tochter warfen sich einen verzweifel-
ten Blick zu. Sie hatten sich also wieder einmal
vergebens auf einen gemütlichen Abend für sich
allein gefreut. Resigniert ließen sie endlose Erzäh-
lungen der verschiedenen Laster der Köchin und des
Hausmädchens, die den Vorzug genossen, Fräulein
v. Rüden dienen zu dürfen, über sich ergehen.
Freda hielt es nicht lange aus. Das Stricknadel-
geklapper und die endlosen Auseinandersetzungen
folterten ihre reizbaren Nerven. „Ich gehe zu Bett,
Mama. Das ist für meine Erkältung das beste."
„Man muß nicht gleich jedem kleinen Übclbefin-
den nachgeben," predigte Tante Juliane.
Freda zuckte nur die Achseln und ging. In der
Tür prallte sie mit Auguste zusammen, die aufgeregt
hereinstürzte.
„Ach Gott, gnädiges Fräulein, die Ernestine traut
sich gar nicht herein! Der Hund —"
Freda riß ihr die Schürze auseinander, in welcher
Augnste etwas Regungsloses trug Es war Trick
— kalt und starr. Das schwarzweiße Fellcheu mit
Blut und Straßenschmntz befleckt
„Er ist überfahren worden," erzählte das Mäd-
chen. „Er hat die Elektrische ivohl nicht gehört."
Freda nahm Trick in die Arme. Heiße Tränen
fielen ans das blutige Köpfchen. Auch Frau v. Nordeck
konnte, hauptsächlich
vor Mitgefühl mit
Fredas Schmerz, ihre
Tränen nicht zurück-
halten.
„Wie könnt ihr
euch nur um einen
Hund so anstellen?"
sagte Tante Juliane
verdrießlich „Freda,
drücke doch das
schmutzige Tier nicht
so an dich!"
„Tas schmutzige
Tier!" wiederholte
Freda mit vor Em-
pörung zitternder
Stimme. „Weißt du
denn überhaupt, was
Trick für mich war?
— Das letzte Band
war er, das mich an
die glückliche Ver-
gangenheit knüpfte. Er
kannte meinen Harry
noch. Wie oft bin
ich mit Papa und ihm
spazieren gegangen.
Immer war Trick mit
dabei. Und hier in
diesem trostlosen Le-
ben war er meine ein-
zige Unterhaltung, mein
einziger Trost. — Und
du freust dich wahr-
scheinlich, daß er tot
ist! Tu konntest ibn
nie leiden. Tn bist


Vie Zengbacktaiiperre bei Gelingen, klack einer Pbotograpliie von Lari Sarnick in vüiieiöork. (5. 54b)

XXV. isiu.
 
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